Wer der ÖVP irgendetwas glaubt, ist selbst schuld. In dieser Partei gibt es keine Redlichkeit, keine Moral und kein Parteiprogramm, sondern nur mehr Propaganda.
Am 27. August 2024 haben ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker und Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger FPÖ-Obmann Herbert Kickl als »unglaubwürdig« und »politischen Wendehals« bezeichnet. Damals schrieb ich: Sie können damit nur sich selbst meinen.
Heute ist aktenkundig, dass ich recht hatte. Die ÖVP gibt öffentlich zu, dass sie die verlogenste Partei dieses Landes ist. Mit dem Slogan, Kickl zu verhindern, wollte sie den ersten Platz bei der Nationalratswahl machen. Das ging schief. Jetzt geht sie, statt als Kanzlerpartei in eine Koalition mit der SPÖ, als Juniorpartner in eine Koalition mit Herbert Kickl. Unglaubwürdige Wendehälse unter sich. Und es gibt noch andere ÖVP-Wendehälsinnen und Wendehälse in den Ländern. Die Presse schreibt heute:
Um diesen Schwenk zu erklären, rückte auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Sonntagnachmittag umgehend aus. Sie schrieb in einer Aussendung: „Christian Stocker war immer einer der schärfsten Kritiker von Herbert Kickl. Und genau deshalb ist er auch genau der Richtige, um auszuloten, ob mit der FPÖ in dieser Konstellation eine Zusammenarbeit überhaupt möglich ist.“
Den Deckel auf Skandale und Prozesse
Es soll also wieder sondiert werden? Das ist blanker Unsinn. Die Koalition steht längst fest. Begonnen hat es damit, dass Hans Peter Haselsteiner die NEOS, die alleine an seinem Tropf hängen, von den Verhandlungen zurückgepfiffen hat. Parteichefin Meinl-Reisinger hat diesen Schritt mit haasträubenden Widersprüchen und hohlen Phrasen vor der Presse zu erklären versucht. In Wahrheit steckt nur eines dahinter: Haselsteiner ist die Aufklärung der Skandale um die Benko-Pleite, des Wirecard-Skandals und der politischen Verstrickungen mit Russland ein Dorn im Auge. Er will nicht, dass unabhängige Politikerinnen oder Politiker der SPÖ die Justiz ungehindert arbeiten lassen, sondern dass blau-schwarze Kräfte fest den Deckel zuhalten.
Mit Haselsteiners Machtwort war auch der Damm in der ÖVP gebrochen. Die ÖVP stieg auf dieselbe Argumentation wie die NEOS um. Die Wirtschaftskammer und der mächtige Wirtschaftsbund der ÖVP hatten dafür schon die Vorarbeit geleistet. Eva Konzett im FALTER:
Verhandler sprechen davon, wie eng Nehammer sich in all den Verhandlungstagen zuvor schon mit Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer absprechen musste. Am Ende hat die WKO dem Kanzler offenbar keine langen Zügel mehr gelassen. Die Wirtschaftskämmerer müssen sich im März internen Wahlen stellen. Es sei klar gewesen, dass sie keinen Millimeter von ihren Forderungen abweichen würden, heißt es: keine höheren Steuern, keine Bankenabgabe, eine Senkung der Körperschaftssteuer (auf die Gewinne von Unternehmen). Nehammer hatte offenbar zuletzt seine Partei nicht mehr hinter sich.
Die Selbstaufgabe der ÖVP
Die Argumente, die vorgeschoben werden, sind allesamt erlogen. Auch das ist heute bekannt. Und dass gerade jene Partei, die die Inflation über dem EU-Schnitt und die hohe Staatsverschuldung erst ausgelöst hat, nämlich die ÖVP, sich jetzt dagegen sperrt, das Budget einnahmenseitig zu sanieren, ist ebenfalls Unsinn. ÖVPler mit Wirtschaftskompetenz wissen sehr gut, dass das dringend nötig ist. Es geht wieder einmal um die vielen Skandale und die Prozesse, die ÖVP-Politikern drohen oder bereits laufen. Man fürchtet, politischen Einfluss zu verlieren und all diese Skandale nicht mehr »daschlogn« zu können.
Und also tut die ÖVP das, was sie immer tut: Sie schwenkt nach rechts. Drei Mal hat sie im Bund mit der FPÖ koaliert, in bald fünf Bundesländern regiert dieselbe Koalition. Nur: Die FPÖ ist nun im Bund und in einem Bundesland, wo sie den Landeshauptmann stellt, bereits stärker als die ÖVP. Und bald wird das auch in anderen Ländern so sein. Die ÖVP geht – wieder einmal – den Weg, den Faschismus verhindern zu wollen, indem sie ihn imitiert. Sie kopiert die FPÖ – und gibt damit sich selbst auf.
Die Koalition der FPÖ mit der ÖVP steht bereits. Die Wendehälse der ÖVP haben vom Parteivorstand grünes Licht dafür bekommen, das Haus Österreich mit einem braunem Anstrich zu versehen. All ihre Pressekonferenzen und Behauptung der letzten Monate fallen völlig in sich zusammen. Wer der ÖVP irgendetwas glaubt, ist selbst schuld. In dieser Partei gibt es keine Redlichkeit, keine Moral und kein Parteiprogramm, sondern nur mehr Propaganda.
Üble Show
Nun muss man also die üble Show, die die sogenannten Koalitionsverhandlungen darstellen, nur noch propagandistisch inszenieren. Das tut man zunächst, indem man behauptet, dass erst eine Einigung mit der FPÖ erzielt werden müsse und dass dies nicht leicht sei. Die ÖVP-Parteizentrale vermeldet via KURIER:
Blau-Türkis ist noch lange nicht auf Schiene.
Autor Martin Gebhart gibt sich Mühe, diese Behauptung zu argumentieren. Dabei muss er selbst zugeben, dass plötzlich die Wirtschaft, um die es nach Äußerungen der ÖVP in den Verhandlungen mit SPÖ und NEOS fast ausschließlich ging, überhaupt keine Rolle spielt. Auch in anderen Bereichen gibt es zwischen den Wendehälsen der ÖVP und der FPÖ keine Unterschiede:
Es sind inhaltliche Fragen, die zu klären sind, ehe ein Koalitionsvertrag unterschrieben wird. Da geht es nicht um die Wirtschaft oder die Integration. Da können die Programme von FPÖ und ÖVP übereinander gelegt werden, da wird man sich schnell einig sein.
Es muss aber etwas gefunden werden, woran die Koalition scheitern könnte. Gebhart gibt sich alle Mühe:
Wer glaubt, dass das schon reichen wird, liegt weit daneben. Es sind ganz andere Themen, über die Blau und Türkis stolpern könnten. Da ist einmal das Papier, das Herbert Kickl bei seinem Vieraugengespräch mit Karl Nehammer auf den Tisch gelegt und das in der ÖVP für viel Verärgerung gesorgt hat. […] Dazu soll es die Forderung gegeben haben, aus allen internationalen Verträgen auszusteigen. Und natürlich will die FPÖ, dass das Raketenabwehr-Projekt Sky Shield gestoppt wird. Das sind drei Punkte, bei denen die ÖVP nicht mitgehen wird können.
Die Wendehälse
Ich möchte hier daran erinnern, dass im Kabinett Schüssel I die FPÖ, namentlich in Person des damaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser, lange gegen den Ankauf der Eurofighter war. Und plötzlich war er es nicht mehr. Die Eurofighter kamen.
Ich möchte daran erinnern, dass die FPÖ im Jahr 2017 gegen das Sicherheitspaket der ÖVP und gegen CETA war (zumindest eine verpflichtende Volksabstimmung über CETA gefordert hatte). Kaum kam die Koalition, ist die FPÖ umgefallen. Warum? Weil die FPÖ aus unglaubwürdigen Wendehälsen besteht, die alles dafür aufgeben, in die Regierung zu kommen. Noch unglaubwürdiger und noch wendehälsiger als die FPÖ ist nur die ÖVP. Sie bekommt die Goldmedaille für Verlogenheit.