Die Unternehmensgruppe von IV-Präsident Georg Knill baute bis 2015 Russlands erste Fabrik für Glasfaserproduktion. Solche Fasern verwendet Russland mittlerweile im Drohnenkrieg gegen die Ukraine. Aktuell gilt Knill als Türöffner einer blau-türkisen Regierung.
Im März 2024 sah sich die Ukraine erstmals von einer neuen heimtückischen Waffe bedroht: Russische Drohnen, die wie aus dem Nichts über ukrainischen Gebieten und Stellungen auftauchten und – mit Bomben bestückt – Kamikaze-artig auf ihre Ziele niederschmettern. Die Drohnen wurden nicht wie üblich per Funk gesteuert, sondern mithilfe eines dünnen, kilometerlangen Glasfaserkabels. Für den ukrainischen Radar sind sie schwer zu erkennen, Störsender wirkungslos. Erst vor wenigen Tagen wiesen ukrainische Medien erneut auf die Gefahr der neuen Drohnenart hin.
Noch nicht lange verfügt der russische Staat über die Möglichkeit, selbst Glasfaserkabeln herzustellen. Die erste Fabrik mit Staatsbeteiligung ging im Jahr 2015 im russischen Saransk in Produktion. Das Know-How dafür stammte aus der Steiermark: Russlands Führung konnte die Weizer Knill-Gruppe 2011 für den Bau des Werks gewinnen. Geführt wird das Familienunternehmen von Georg Knill, Chef der Industriellenvereinigung, der dieser Tage mit seinen Sympathien für eine blau-türkise Bundesregierung auffällt. Die FPÖ steht den Sanktionen gegenüber Russland bekanntlich ablehnend gegenüber.
Ob die Fasern der neuartigen Drohnen tatsächlich aus dem von Knills Unternehmensgruppe errichteten Werk stammen, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit sagen. An der Technologie, die die Knill-Gruppe erstmals nach Russland brachte, hatte jedenfalls das russische Verteidigungsministerium und Putin persönlich Interesse, wie ZackZack-Recherchen zeigen. Die Glasfasertechnologie ist für die kritische Infrastruktur generell essentiell.
Der Russland-Freund
Knills gute Kontakte mit Russland zeigten sich schon zu Beginn seiner Amtszeit als Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung. Zum Einstand im Juni 2020 gratulierte der russische Botschafter Dmitrij Ljubinskij per Facebook-Posting höchstpersönlich: “Unsere aufrichtigen Glückwünsche” an den “renommierten Unternehmer aus der Steiermark”, hieß es da.
Knill und Ljubinskij kennen einander von Treffen der mittlerweile aufgelösten österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft (ORFG), einem russophilen Netzwerk aus Unternehmern und Politikern, in dem auch der flüchtige Jan Marsalek verkehrte. Nicht nur Knill hatte als Industrieller gute Kontakte zu Russland, “vor allem Siegfried Wolf, Unternehmer mit Russland-Nähe habe seit Monaten auf eine Koalition mit der FP hingearbeitet”, schrieben zuletzt die Oberösterreichischen Nachrichten.
Für Aufregung sorgte 2024 auch ein Datenleak einer russischen Trollfabrik, die eine Liste von für Russland-Propaganda wichtigen Personen nannte. Aus Österreich wurden dort neben dem Ex-FPÖ Politiker Johann Gudenus oder dem Maler Gottfried Helnwein auch IV-Präsident Georg Knill gelistet.
Seine Erwähnung konnte Knill sich damals nicht erklären: „Wir verurteilen als Industrie den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und stehen hinter den Sanktionen.”, sagte er damals dem profil. Auch gegenüber ZackZack betont Knill, dass man die russische Niederlassung der Knill-Gruppe nach der Invasion 2022 geschlossen habe, sie hätte 10 Prozent ihres Umsatzes eingebracht.
📌Botschafter Dmitrij Ljubinskij traf sich heute mit dem Präsidenten der @iv_news Georg Knill.
— RusBotschaft Wien (@RusBotWien) April 16, 2021
Es fand ein interessiertes und nützliches Gespräch über die wirtschaftliche Lage in Europa, Russland und Österreich vor den Aufgaben der Bewältigung der Pandemie. pic.twitter.com/1SHpxMBGx0
Glasfasern für Putin
Die Ansiedelung der Glasfaserproduktion war jedenfalls ein persönlicher Wunsch des russischen Präsidenten. Kurz vor der Vertragsunterzeichnung zwischen Knill und dem Präsidenten der russischen Teilrepublik Mordwinien Nikolai Merkuschkin sagte Wladimir Putin „dass solche Projekte für das Land jetzt sehr wichtig sind.“
Auf dem russischen Portal Nachrichten aus Mordwinien hieß es 2011 zu den Hintergründen des Projekts: „Optische Fasern werden in unserem Land nicht in großen Mengen hergestellt, sondern zu 100 % importiert, einschließlich der Einkäufe für das Verteidigungsministerium und spezielle Agenturen. Sollte sich das Ausland weigern, Glasfasern nach Russland zu liefern, könnte dieser Umstand die Informations- und Wirtschaftssicherheit des Landes gefährden.“ Schon damals erwog man offenbar die Möglichkeit eines westlichen Wirtschaftsembargos nach Russland und wollte die Technologie davor unbedingt nach Russland holen.
Mit dem Bau der Betriebsanlage im russischen Saransk wurde eine Firma der Knill-Gruppe – die finnische Nextrom Oy – beauftragt. Finanziert wurde das Projekt von der russischen Regierung – Eigentümer der Fabrik sind die staatlichen Beteiligungsfirma RUSNANO, die Gazprombank und die regionale Regierung Mordiwiens.
Knills damaliger Besuch in Saransk war nicht der einzige. Im November 2021 kam er abermals in die mordwinische Hauptstadt. In der Ostukraine herrschte damals bereits Krieg, seit 2014 gab es Sanktionen gegen Russland. Russische Vertreter wollten sich mit dem Chef der österreichischen Industriellenvertretung über einen Ausbau der Glasfaserfabrik in Saransk beraten. Dieser zeigt sich angetan: „Ich kenne Ihre Republik gut, es ist sehr wichtig für uns, unsere Partnerschaft mit dem Glasfaserwerk Saransk auszubauen“, wird Knill von russischen Medien zitiert.
Bei dem Treffen mit dabei: Der damals frischgebackene Präsident der Teilrepublik Mordwinien, Artyom Zdunov. Gegen den Politiker der Putin-Partei Einiges Russland wurden wegen der massenhaften Entführung ukrainischer Kinder aus den besetzten Regionen westliche Sanktionen verhängt.
Knill: Alle Aktivitäten eingestellt
Der weitere Ausbau der Fabrik wurde nie realisiert. Nach dem Überfall auf die Ukraine hat die Knill-Gruppe ihre Aktivitäten in Russland beendet, wie Knill im Gespräch mit ZackZack betont. Der IV-Chef verweist außerdem auf den Umstand, dass 2011 noch keine Sanktionen gegen Russland wirksam waren.
Auf weitere Fragen von ZackZack antwortet die Pressestelle der Industriellenvereinigung: „Vor dem brutalen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine bestanden zahlreiche wirtschaftliche Beziehungen österreichischer Unternehmen mit russischen Kooperationspartnern. Seit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch Putins in die Ukraine wurden diese Beziehungen abgebrochen und die Unternehmen haben sich – sofern möglich – zurückgezogen.” Zum Umstand, dass Russland neuerdings Glasfaserkabeln für militärische Drohnen verwendet und die Knill-Gruppe die Technologie im Zuge des staatlichen Auftrages in Russland einführte, gab es keine Stellungnahme.
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