“Die FPÖ-ÖVP-Politik von Sozialabbau und sozialer und infrastruktureller Verelendung hat im Burgenland keine Mehrheit.” Daniel Wissers Presseschau und Analyse zur Burgenland-Wahl.
Die Landtagswahlen im Burgenland am Sonntag brachten wenig Überraschung. Sie fanden – wie im Burgenland üblich – bei hoher Wahlbeteiligung statt, die diesmal sogar wieder gestiegen ist und fast achtzig Prozent erreicht hat. Die burgenländische BVZ dazu:
Generell zählen die Burgenländerinnen und Burgenländer im Bundesländervergleich zu den Fleißigsten beim Wählen, nur in Oberösterreich war zuletzt bei der Landtagswahl die Beteiligung höher. Wahlbeteiligung stieg zuletzt bei allen Landtags- und der Nationalratswah. lBei den sechs Landtagswahlen in Österreich, die seit 2022 stattgefunden haben, stieg die Wahlbeteiligung überall. Auch bei der Nationalratswahl waren mehr Wahlberechtigte zu den Urnen geschritten. Dieser Trend hat sich nun auch im Burgenland fortgesetzt.
Das Ergebnis in aller Kürze lautet: Die SPÖ verliert 3,5%, damit aber auch zwei Mandate, die ihr zur absoluten Mehrheit fehlen. Die ÖVP verliert 8,5% und drei Mandate und landet damit hinter der FPÖ, die gewinnt, was die beiden anderen verlieren und mit 9 Mandaten nun zweitstärkste Landtagsfraktion ist. Die Grünen schaffen den Einzug in den Landtag klar und haben zwei Mandate. NEOS und eine andere Liste verfehlen den Einzug.
161 von 171 Gemeinden mit SPÖ-Mehrheit
Eine Partei muss nicht nur ihr Spitzenkandidat sein. Bei genauen Hinsehen zeigt sich, dass trotz der Verluste der SPÖ im gesamten Bundesland ein überwältigender Wahlerfolg in den Gemeinden erreicht wurde. Die Tageszeitung Die Presse dazu:
Die FPÖ hat bei der burgenländischen Landtagswahl am Sonntag zwar stark zugelegt und die ÖVP vom zweiten Platz verdrängt. Im Vergleich zur Nationalratswahl Ende September fällt allerdings auf: Damals wurden die Blauen in 49 Gemeinden stärkste Partei. Am Sonntag ist ihnen das in keiner einzigen Gemeinde gelungen. Den ersten Platz holte fast überall die SPÖ.
Dieser Umstand zeigt, dass das Wahlverhalten bei Bundeswahlen anders ist als bei Landeswahlen. Die Presse weiter:
Bei der Nationalratswahl am 29. September zeigte das Burgenland die bunteste Landkarte in ganz Österreich: Vier von zehn Gemeinden waren türkis eingefärbt, den Rest teilten sich Blau und Rot. Und auch insgesamt lagen alle drei Parteien im Burgenland annähernd gleichauf: Je 29 Prozent der Stimmen holten sich FPÖ und ÖVP, weitere 27 Prozent wählten die Sozialdemokraten.
Koalitionspartner relevant für Bundesebene
Aus der Sicht der heutigen innenpolitischen Lage, die nahelegt, dass demnächst eine blau-schwarze Regierung angelobt werden wird, ist die Wahl des Koalitionspartners der SPÖ von Hans-Peter Doskozil symbolisch nicht unrelevant. Er hat die Wahl zwischen drei Parteien. Für die Grünen eine Chance, nach dem Ausscheiden aus mehreren Landesregierungen, hier eine Trendumkehr zu schaffen. Nachdem Doskozil sich in vieler Hinsicht für Umweltpolitik und progressive Sozial- und Gesundheitspolitik stark gemacht hat, scheint eine solche Koalition auch naheliegend. Guido Gluschitsch dazu in Der Standard:
Vielmehr zeigt das letzte große Projekt, das Doskozil 2024 noch abgeschlossen hat, klar in Richtung der Grünen. Doksozil baute den öffentlichen Verkehr aus und installierte im ganzen Land Anrufsammeltaxis, die mit dem Klimaticket genutzt werden können. Und Doskozil stand gegen den Ausbau der A3. Vor allem die FPÖ forderte, das Autobahnstück in Klingenbach zu Ungarn zu vervollständigen. Bei den Herzensthemen von Doskozil, Pflege, leistbares Wohnen, Ausbau der erneuerbaren Energie und Mindestlohn, dürften die Grünen auch mitziehen.
Das zeigt einerseits, dass die regierende SPÖ viele positive Themen in den Wahlkampf brachte. Allerdings wurde auch ein wichtiges Ziel des Negativwahlkampfs erreicht. Der Standard weiter:
Doskozil hat zwar sein eigenes Ziel verfehlt, 18 von 36 Mandaten zu halten, aber es ist ihm gelungen zu verhindern, dass die FPÖ gemeinsam mit der ÖVP eine Regierung gegen ihn bilden könnte. Dementsprechend gut ist die Stimmung in der Partei. “Das Wahlziel war ambitioniert, und man muss die Umstände beachten”, sagt Doskozil nach der Wahl. “Uns ist allen ein Stein vom Herzen gefallen”, kommentiert er das Ergebnis und erinnert daran, dass 46 Prozent für die SPÖ dieser Tage sehr gut sind.
Radikalisierung der Bürgerlichen
Die bürgerlichen Wählerinnen und Wähler radikalisieren sich weiter und wandern von der ÖVP zur FPÖ. Das ist das größte Problem Österreichs. Im Bund hat man es in den letzten drei Jahrzehnten gesehen. Neu ist aber, dass die FPÖ in den Ländern die ÖVP überholt; in der Steiermark und im Burgenland. Und auch das schwer rechtslastige Niederösterreich wird wohl diesen Weg nehmen. Das Selbstbewusstsein der FPÖ in den Ländern ist entsprechend angeschwollen. In einem beachtenswerten Kommentar im Standard analysiert der österreichische Schriftsteller Karl-Markus Gauß diese Entwicklung in seinem Heimatland Salzburg.
Dort hatte Karoline Edtstadler – die nun in der ÖVP-Salzburg Nummer 1 wird, da die Familie Haslauer offensichtlich nicht über einen Wilfried III. verfügt – behauptet, ein freundschaftliches Verhältnis mit FPÖ-Chefin und Landeshauptmannstellvertreterin Marlene Svazek zu pflegen. Gauß dazu:
So höflich, doch wahrheitswidrig umworben, konterte Svazek drei Tage später mit der eisig vorgetragenen Richtigstellung, die Edtstadler nebenbei der Lüge bezichtigte: “Zu behaupten, mit mir existiere ein freundschaftliches Verhältnis (…) ist anmaßend. Ich habe mit Karoline Edtstadler ein Nichtverhältnis, das sich auf Zusammentreffen bei einer Handvoll Veranstaltungen beschränkt.” Zur finalen Demütigung gehört die Erniedrigung, für die sich Svazek den beispiellosen Urteilsspruch einfallen ließ: “Eine Karoline Edtstadler ist es nicht wert, etwas Funktionierendes aufzukündigen”, also werde man ein “bedingtes Ja” zu ihrer Wahl abgeben.
Demütigung mit Demut
Die ÖVP, so Gauß, nimmt die Demütigung mit Demut hin:
Wie reagierte die ÖVP auf diese in Verachtung verpackte Zusage, Edtstadler zur Landeshauptfrau zu machen? Nun, sie lobte, dass die FPÖ zur Vernunft zurückgekehrt sei und die Koalition fortsetzen werde. Auf ihren rüden Ton angesprochen, meinte der abtretende Wilfried Haslauer, mit dieser Schärfe habe Svazek ohnedies nur die eigenen Leute ansprechen wollen. Das ist tröstlich, auch Viktor Orbán hat bei der Abschaffung der Demokratie in Ungarn ja nichts anderes vorgehabt, als seine eigenen Leute zu beschwichtigen.
Angesichts solch freundlicher Feindseligkeit haben es die Burgenländerinnen und Burgenländer deutlich besser. Die FPÖ-ÖVP-Politik von Sozialabbau und sozialer und infrastruktureller Verelendung hat dort keine Mehrheit. Im Land der Sonne kann nichts Böses geschehen. Zumindest noch nicht.
Titelbild: ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com