Freitag, Februar 7, 2025

Die Raiffeisen-Regierung

Wie Herbert Kickl den „kleinen Mann“ an den Bankensektor, die Industrielobby und Putins Leute verkauft.

Jetzt wird zügig verhandelt, die österreichischen Wirtschaftsbosse bekommen die Regierung, die sie sich gewünscht haben: einen rechtsextremen Kanzler Herbert Kickl, eine polarisierende Verschärfung, Anschläge auf Pluralismus, freie Medien und kritische Kunst und ein scharfes neoliberales Spar- und Austeritätspaket. Und Freunderln im Amt, die nach ihrer Pfeife tanzen. Es waren ja die Spitzenleute von Bankensektor und Industriellenvereinigung, die vorsätzlich an der Zerstörung der Ampel-Verhandlungen beteiligt waren – um dann ihre Sehnsuchtskoalition einfädeln zu können.

Raiffeisen-Generaldirektor Michael Höllerer, zugleich Spartenobmann der Finanzindustrie in der Wirtschaftskammer, hat schon am 14. Dezember im Ö1 „Journal zu Gast“ in einem bemerkenswerten Befehlston proklamiert, die Budgetkonsolidierung müsse „ohne neue Steuern“ auskommen und höhere Beiträge der Banken seien ein No-Go. Bemerkenswert war dabei weniger, was er sagte, sondern wie er es sagte: Im aufreizenden Selbstbewusstsein eines Bankenmannes, der wie selbstverständlich davon ausgeht, dass er die Regierung und deren Politik bestimmt. Karl Nehammer sendete er eine öffentliche Botschaft: Du hast keinen Spielraum für Kompromisse. Im Grunde sagte er recht unverhohlen: Von uns bekommt ihr keinen Cent.

Ehrenwerte Gesellschaft: Banker, Pleitiers und Putinisten

Clemens Niedrist, Raiffeisen-Generalsekretär, spielte laut Morgenjournal vom 21. Jänner eine Schlüsselrolle beim Untergraben einer antifaschistischen Koalition der Mitte und damit bei der Demontage von Karl Nehammer. Niedrist ist eigentlich ein Politiker, der sich in die Wirtschaft geflüchtet hat. Er war vorher Kabinettchef im Finanzministerium, diente Magnus Brunner und Gernot Blümel, wurde als Träger des legendären Laptops berühmt, der während einer WKStA-Razzia im Kinderwagen herumchauffiert wurde. Er ist ein türkiser Kurz-Boy, der jetzt vom Raiffeisen-Posten aus die Fäden zieht.

Pikant: Als Strippenzieher bei Blümel und Brunner ist er genau für jenes Budgetdesaster mitverantwortlich, das wir jetzt alle ausbaden sollen – und als Bankenlobbyist sorgt er nunmehr dafür, dass die normalen Leute die Suppe auslöffeln und Reiche und Konzerne keinen Beitrag leisten müssen.

Dabei weiß er nicht nur Multifunktionäre wie Harald Mahrer an seiner Seite, sondern noch entschlossenere Blau-Schwarz-Fans wie den Industriellenvereinigungs-Chef Georg Knill und die regionalen IV-Zampanos Karl Ochsner (der IV-Niederösterreich-Chef und Trauzeuge von HC Strache) oder Stefan Pierer. Letzterer ist ja IV-Oberösterreich-Chef und KTM-Boss und hat, wahrscheinlich als Nachweis seiner Wirtschaftskompetenz, gerade eine Milliarden-Insolvenz hingelegt.

Pierer hat bereits kurz nach den Wahlen deutlich gemacht, dass er von einer Dreierkoalition nichts hält, sondern sich eine Regierung unter der FPÖ wünschen würde. Ganz vorne bei den Kickl-Machern mit dabei war laut Oberösterreichischen Nachrichten auch Sigi Wolf, der Industrielle mit Russland-Nähe, der schon mal vom Besuch beim „großen Chef“ spricht, wenn er nach Russland unterwegs ist. Auf die Frage, ob mit „großen Chef“ Putin gemeint ist, entschlug er sich in Untersuchungsausschüssen.

Wie kommen Raiffeisen, die Industriellenlobbys und Putin-Leute eigentlich darauf, dass ihnen zusteht, in Österreich die Regierung zu bestimmen?

Bester Witz: In den Medien lassen die Herrschaften verbreiten, die Koalitionsverhandlungen seien gescheitert, weil Andi Babler gelegentlich bös geschaut hat.

Ja, ganz bestimmt.  

FPÖ zieht ihren Wählern das Geld aus der Tasche

Jetzt verhandelt Raiffeisen-Generalsekretär Niedrist gleich in vier Untergruppen das Blau-Schwarze-Regierungsprogramm. Da darf er dann mit IV-Leuten verhandeln, die ebenfalls mit am Tisch sitzen. Kein Wunder, dass sich die Herrschaften eher schnell einig werden. Kapital und Rechtsextremismus, hier finden sie sich in trauter Einigkeit, als wollten sie alles daran setzen, die antiquierten alten Lieder der Schmetterlinge aus der „Proletenpassion“ wieder zu entstauben, wo es schon heißt: „Wer zum Faschismus nein sagt / Und ja zum Kapital / Dass der das nur zum Schein sagt / ist ein klarer Fall.“ Es ist also, wie es immer schon war: Wenn es um ein paar Millionen geht, die man an Steuern sparen kann, dann nimmt man gerne bei einem autokratischen Führer Zuflucht. Und die Rechtsextremen erledigen wiederum gerne die Aufträge des Kapitals, gemäß dem Motto, „es wird unser Schaden nicht sein“.

Jetzt wird von der Regierung der Geldsäcke und Wichtigtuer also ein 6,3 Milliarden-Kürzungsprogramm geschnürt, dessen Details noch nicht in allen Punkten klar sind, aber wichtige Eckpunkte sind weitgehend fix: Viele Milliarden kommen an neuen Massensteuern herein, die Unterprivilegierte signifikant stärker belasten als Wohlhabendere – wie etwa die Umwandlung von CO2-Abgabe und Klimabonus in eine reine Massensteuer, die Haushalte in ländlichen Gebieten schnell über 1000 Euro jährlich aus der Tasche zieht. Dazu höhere Abgaben da, höhere Steuern hier. Pensionskürzungen wird es auf irgendeine Weise auch geben, seien es jetzt doch „nur“ höhere Sozialabgaben auf die Rente. Und flächendeckend sollen Subventionen gekürzt werden, die auch den Haushalten zugutekamen oder zumindest indirekt den normalen Erwerbstätigen nützten, indem sie etwa Arbeitsplätze schufen und sicherten. In Summe also werden 6,3 Milliarden Euro an Einkommen der Bevölkerung und damit auch dem Konsum und dem Wirtschaftskreislauf entzogen. Davon wohl in erheblichem Umfang Gelder, die ökologische Transformation und Investitionen in Zukunftstechnologien zugutekamen. Das ist dreifach dumm: Erstens schadet es dem Klima, zweitens bremst es die österreichische Wirtschaft aus und behindert deren Modernisierung und drittens ist es, sollten wir damit die Klimaziele verfehlen, auch noch mit künftigen Milliardenkosten verbunden.

Skurril: Firmen warnen vor radikalem Sparpaket

Zu den eher skurrilen Pointen dieser Geschichte zählt, dass jetzt schon Wirtschaftsvertreter panisch vor dem Sparpaket warnen, etwa die Autoindustrie oder die Vertreter der Heizungsbranche. In dramatischen Pressekonferenzen geben sie sich alarmiert – ulkigerweise mit dem Logo der Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung im Hintergrund. Wäre es nicht so traurig, wäre es extrem lustig.

5000 Arbeitsplätze könnten in der Branche wegfallen, wenn Förderungen für den Heizungstausch gestrichen werden, wird gewarnt. Dass die Autobranche endgültig den Anschluss an die Konkurrenz aus China verlieren wird, beklagt wiederum der Mobilitätssektor.

Man ist versucht zu sagen: Das hättet ihr Euch vielleicht etwas früher überlegen können.

Besonders grotesk: IV-Niederösterreich-Boss Ochsner macht sein Geschäft mit Wärmepumpen, kann also leicht wegen seiner verbissenen neoliberalen Ideologie seine Branche zerstören.

Austerität funktioniert nie

Ganz zu Ende gedacht scheinen die Herrschaften ihre Pro-Kickl-Strategie also nicht zu haben. Zumal das brutale Kürzungsprogramm ja das angebliche Ziel hat, das Budget zu konsolidieren. Würgt man die Konjunktur aber brutal ab, führt das zu Arbeitsplatzverlusten, Firmeninsolvenzen und allgemein zu einem schlechteren Geschäftsgang – was dann wiederum niedrigere Steuereinnahmen und höhere Kosten für die Sozialsysteme bedeutet. So wird nicht einmal das erstrebte Ziel erreicht: die Konsolidierung der Staatsfinanzen.  


Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Robert Misik

    Robert Misik ist einer der schärfsten Beobachter einer Politik, die nach links schimpft und nach rechts abrutscht.

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