Freitag, Februar 7, 2025

Knill-Deal: Neue Details zur russischen Militär-Connection

Causa Knill: Der IV-Präsident behauptet, die für Russland gelieferte Glasfaser-Technologie könne nicht für militärische Zwecke genutzt werden. Eine Vielzahl von Informationen zeigt jedoch das Gegenteil.

Seit wann ist Georg Knill bewusst, dass sein russischer Geschäftspartner – ein mehrheitlich staatliches Unternehmen in Saransk – offen mit Putins Verteidigungsministerium kooperiert? Warum wollte der Industrielle noch Ende 2021, als Russland bereits an der Grenze der Ukraine aufmarschierte und mit Sanktionen belegt war, ein für das Regime wichtiges Glasfaserwerk weiter ausbauen? Diesen Fragen weicht der Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung seit vergangener Woche aus.

Nach tagelanger Funkstille meldete sich Knill gegenüber ZackZack am Dienstag mit einem Statement, in dem er den militärischen Nutzen seiner gelieferten Technologie lediglich pauschal in Abrede stellt: “Es handelte sich dabei um Ziehtürme die Glasfasern ziehen – aus Vorformen/Preforms die aus Japan/China importiert werden. Die entstandenen Fasern können ausschließlich zu klassischen Telekommunikationskabeln weiterverarbeitet werden.” Und Knill beteuert: “Der Kunde hat einen militärischen Einsatz vertraglich auch ausgeschlossen.” Das gelieferte Werk “diente ausschließlich der Herstellung von Zivilen Telekomfasern.” Man betont, den “brutalen Angriffskrieg auf die Ukraine zu verurteilen und Sanktionen vollumfänglich zu unterstützen.”

Kritische Nachfragen bleiben unbeantwortet

Das Statement lässt erhebliche Zweifel aufkommen. Warum soll es unmöglich sein, die gezogenen Glasfasern in militärischen Kommunikationskabeln weiterzuverarbeiten? Wann genau sei vertraglich zugesichert worden, dass die Technologie nicht im militärischen Kontext zum Einsatz kommen würde? Mehrere Militär-Insider erklären im Hintergrundgespräch, sich auf die Äußerungen des IV-Präsidenten keinen wirklichen Reim machen zu können. Der Einsatzzweck der Glasfasern sei bei zivilen und militärischen Kabeln grundsätzlich derselbe, nur bei der Weiterverarbeitung, allen voran der Ummantelung, bestehen Unterschiede. ZackZack stellte Georg Knill dazu am Mittwoch eine Reihe von Nachfragen, die jedoch nicht beantwortet wurden.

Laut Website produziert das von der Knill-Gruppe gebaute Werk in Saransk etwa Fasern des Standards G657A1 oder G657A2. Auf Seiten von chinesischen oder tschechischen Händlern werden militärisch-taktische Kabel zur Schau gestellt, in denen eben dieser Typus verarbeitet ist. Knill lässt diesen Vorhalt, wie auch die weiteren Nachfragen, unkommentiert.

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Information von “Optical Fiber Systems”, das von der Knill-Gruppe belieferte Werk.
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Tschechische und chinesische Händler stellen militärische Glasfaserkabel mit dem selben Fasertyp aus.

Offen bleibt vor allem auch die Frage, warum über viele Jahre hinweg nie jemand aus der Knill-Gruppe bemerkt haben will, dass sich der russische Geschäftspartner ganz klar dem militärisch-industriellen Komplex andiente und mit ihm kooperierte (siehe unten). Immerhin hatte die steirische Holding selbst eine Zweigstelle in Moskau, beobachtete die Entwicklungen im Land genau und verfügte laut Knill angeblich über eine vertragliche Vereinbarung, die militärische Verwendung ausschließen würde. Die Geschäftsbeziehung blieb jedoch ungetrübt – man wollte das Werk Ende 2021 sogar noch weiter ausbauen.

Zahlreiche Hinweise zur Militär-Connection

ZackZack hat jedenfalls eine ganze Reihe russischer Berichte und Quellen aus einem Zeitraum von über zehn Jahren zusammengetragen. Daraus geht eindeutig hervor, dass Firmenvertreter von “Optical Fiber Systems” schon 2011, bei Unterzeichnung des ersten Deals mit den Steirern, den Nutzen der Glasfasern für die Rüstungsindustrie offen ansprachen. 2019 schloss man sogar eine Vereinbarung mit dem russischen Verteidigungsministerium.

  • Am 16. Februar 2011 berichtete das russische Regionalmedium Nachrichten aus Mordwinien über den soeben beschlossenen, russisch-österreichischen Deal und erwähnte bereits damals die militärische Bedeutung des Projekts: “Glasfasern werden in unserem Land nicht in Massenproduktion hergestellt und zu 100 % importiert, einschließlich der Käufe für das Verteidigungsministerium und Sonderbehörden.” Putin, so heißt es im Bericht, habe sich persönlich für das Projekt stark gemacht.

  • Am 20. Oktober 2011 schrieb die bekannte, russische Tageszeitung Kommersant über den anstehenden Baubeginn. Dabei zitierte das Medium Aussagen des damaligen Firmenchef von “Optical Fiber Systems”, Evgeny Bukaev: “Es wird erwartet, dass die Anlage auf Nanotechnologie basierende Glasfasern für Kommunikationskabel, Unternehmen der Rüstungsindustrie, Unternehmen, die komplexe technische Strukturen (Brücken, Pipelines, Überführungen), die Förderung und den Transport von Öl und Gas sowie für die Medizin betreiben, produzieren wird.

  • Am 15. Dezember 2014 wiederholte die staatliche Medienseite der mordwinischen Teilrepublik die bekannten Informationen: “Die Anlage wird auf Nanotechnologie basierende Glasfasern für Kommunikationskabel, Verteidigungsunternehmen, Unternehmen, die komplexe technische Strukturen (Brücken, Pipelines, Überführungen usw.) betreiben, Medizin sowie Unternehmen, die Öl und Gas fördern und transportieren, produzieren.
  • Am 25. September 2015 schrieb das auf Bauprojekte ausgerichtete Medium sdelanounas: “Das Werk in Saransk wird Telekommunikations- und technische Glasfasern für Kommunikationskabel herstellen, die Medizin, die Verteidigungsindustrie, Unternehmen, die Öl und Gas fördern und transportieren, sowie Betreiber komplexer technischer Bauwerke
  • Am 1. Juli 2019 berichtete das russische Nachrichtenportal comnews über eine unterzeichnete Vereinbarung zwischen “Technopolis Era” – einer staatlichen Forschungseinrichtung des Verteidigungsministeriums, welche auch bei der Entwicklung von neuer Waffen tätig ist – und dem Knill-Geschäftspartner “Optical Fiber Systems.” Die Vereinbarung erfolgte auf dem vom russischen Verteidigungsministerium ausgetragenen Militärforum “Armee 2019”. “Technopolis Era” wurde im Frühjahr 2021 auf die US-Sanktionsliste gesetzt.

  • Auf dem Militärforum “Armee 2019” kam auch der nunmehrige Chef von “Optical Fiber Systems”, Andrey Nikolaev, zu Wort und erklärte: „Das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation hat den Einsatz von Glasfaser-Kommunikationskabeln mit von unserem Unternehmen hergestellten, optischen Fasern in den Streitkräften der Russischen Föderation unterstützt.“ 
  • Am 8. Juli 2021 berichtete das Medium regnum über einen Besuch des stellvertretenden Vorsitzenden der militärisch-industriellen Kommission Russlands, Oleg Bochkarev, in Saransk und titelte: “Mordwinische Unternehmen sind bereit, Produkte für den Bedarf des russischen Verteidigungsminsisteriums zu liefern.” Im Bericht wird dezidiert das Werk von “Optical Fiber Systems” angesprochen, das Bochkarev damals besuchte.
  • Im August 2021 nahmen Vertreter von “Optical Fiber Systems” – wie schon in den beiden Vorjahren – erneut am Militärforum “Armee 2021” des Verteidigungsministeriums teil. Diesmal erschien dort zum gemeinsamen Austausch der Präsident der Teilrepublik Mordwinien, Artyom Zdunov. Dieser sollte drei Monate später mit Georg Knill auch den Ausbau der Werks besprechen und vorantreiben (ZackZack berichtete).
  • Im Oktober 2021 erschien seitens der staatlichen Universität in Pensa ein wissenschaftlicher Beitrag, der sich eigens dem Thema “Glasfasersysteme für militärische Zwecke und ihre Elemente” widmete. In dem Papier heißt es zu Beginn: “Die Situation in der modernen Weltordnung unterliegt erheblichen Veränderungen. Militärische Konflikte berühren auch die nationalen Interessen Russlands. Unter den gegenwärtigen Umständen sind qualitativ neue Waffentypen und militärische Ausrüstung für Russland eine objektive Notwendigkeit geworden.” Und weiter: “Faseroptische Geräte und Systeme, die in verschiedene funkelektronische Objekte integriert oder mit diesen kompatibel sind, werden in den Dienst der Streitkräfte der Russischen Föderation gestellt.” Anschließend wird unter dem Punkt “Material und Methodik” ausdrücklich das Glasfaserwerk in Saransk als einziger russischer Produzent vorgestellt.

Ministerium stand mit Knill-Gruppe in Kontakt

Schon Ende 2021 sahen sich die Knill-Gruppe, aber auch die österreichischen Behörden, mit unangenehmen Fragen des Portals Radio Free Europe konfrontiert. Das Medium wollte wissen, inwiefern der sich damals anbahnende, erneute Deal mit den damaligen Sanktionen vereinbar war. Die Knill-Gruppe verwies auf geschäftliche Geheimhaltungsvereinbarungen; seitens des Wirtschaftsministeriums hieß es: “Wir werden die Aktionen von Rosendahl Nextrom (Unternehmen der Knill-Gruppe, Anm.) sorgfältig überprüfen. (…) Die zuständige Abteilung wird sich mit Rosendahl Nextrom in Verbindung setzen und sie über die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen informieren, insbesondere über die Embargomaßnahmen gegen Russland.”

ZackZack wollte nun vom Wirtschaftsministerium wissen, was aus dem damaligen Austausch wurde und inwiefern der potenzielle Deal gegen die Sanktionen beziehungsweise die verbotene Ausfuhr von Dual Use-Güter verstoßen hätte. Damit sind Güter gemeint, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können. Auf mehrmalige Nachfragen, schriftlich wie telefonisch, gab das Ministerium bislang keine Stellungnahme ab.

“Nutzen für Streitkräfte liegt auf der Hand”

Für den Militärexperten Gerald Karner scheint dagegen “ziemlich klar, dass es sich dabei um Dual Use-Produkte handelt”, wie er gegenüber ZackZack bemerkt. “Selbstverständlich war und ist diese ausländische Technologie, die Russland selbst zuvor nicht hatte, hochwillkommen für Projekte von strategischem Interesse des Putin-Regimes”, so der Experte. “Jeder, der sich ein bisschen mit Russland auskennt, weiß, dass dieses strategische Interesse in erster Linie in Richtung Militär geht – der Nutzen für die Streitkräfte liegt auf der Hand.” Knills Aktivität in Russland nach 2014 nennt Karner “zumindest grob fahrlässig.”

Ähnlich hatte gegenüber ZackZack zuvor auch der deutsche Sicherheitsexperte Fabian Hoffmann argumentiert und Knills Rusland-Engagement kritisch mit den Worten kommentiert: “Das geht gar nicht.” Auch in den sozialen Medien sorgten die ZackZack-Recherchen bislang für viel Wirbel, Rufe nach Aufklärung wurden laut: “Da Herr Präsident Knill so aktiv bei den Regierungsverhandlungen war, haben wir wohl einen Anspruch darauf zu erfahren, ob das stimmt”, schrieb etwa der EU-Abgeordnete der Neos, Helmut Brandstätter, auf der Plattform X.


Titelbild: Max Slovencik / APA / picturedesk.com

Autor

  • Thomas Hoisl

    Ist seit April 2024 bei ZackZack. Arbeitete zuvor u.a. für "profil". Widmet sich oft Sicherheitsthemen oder Korruptionsfällen.

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