In Niederösterreich entscheidet die Bevölkerung, wer ihren Ort die nächsten fünf Jahre leiten soll. ZackZack hat sich angesehen, wo die Wahl besonders brisant oder spannend ist.
In 568 niederösterreichischen Gemeinden sind Wählerinnen und Wähler am Sonntag zur Wahl des Gemeinderates aufgerufen. In fünf Orten wird nicht gewählt: neben der Hauptstadt St. Pölten findet auch in Krems, Vösendorf, St. Pölten, Waidhofen an der Ybbs und Pernersdorf keine Wahl statt.
Als wahrscheinlich gilt: Die ÖVP von Landeshauptfrau Mikl-Leitner wird wohl Verluste einfahren. Den Höhenflug im Bund will vor allem die FPÖ ausnutzen. Noch nie gab es in Niederösterreich einen blauen Bürgermeister, der eine gesamte Periode lang im Amt war. Für viele gelten diese Wahlen als Generalprobe für eine blaue Machtübernahme auch in Niederösterreich.
Besonders brisant oder spannend wird die Wahl in folgenden Orten:
Kinder „daschlogn“ in Wiener Neustadt
Klaus Schneeberger hat etwas geschafft, das für die ÖVP lange undenkbar schien: Er ist der erste ÖVP-Bürgermeister in Niederösterreichs zweitgrößter Stadt Wiener Neustadt. Seine Gegner werfen ihm vor, sich 2015 in das Bürgermeisteramt „geputscht“ zu haben. Denn 2015 gewann eigentlich die langzeitregierende SPÖ die Wahl in Wiener Neustadt. Schneeberger schaffte es aber, eine „bunte Koalition“ aus ÖVP, FPÖ, Grünen und zwei unabhängigen Listen an der SPÖ vorbei zu bilden.
Laut dem Investigativmedium Dossier war an der Eroberung Wiener Neustadts der damalige Finanzlandesrat nicht unbeteiligt. Sein Name: Wolfgang Sobotka. Dieser habe, gibt Dossier den Eindruck von Wiener Neustädter SPÖ-Politikern wieder, rote Projekte abgelehnt und Ideen des wahlkämpfenden Klaus Schneeberger dagegen großzügig unterstützt. Die Wahl 2020 gewann Schneebergers ÖVP.
In seiner letzten Amtszeit hat Schneeberger zweimal deutlich gemacht, dass er nicht allen Bürgern seiner Stadt den gleichen Respekt entgegenbringt. Ende 2020 hatte er für die erfolglosen Corona-Massentests in Wiener Neustadt schnell die Schuldigen gefunden. Schuld an der schlechten Testquote sei der „riesengroße Migrationsanteil“, sagte Schneeberger damals.
Dass das kein einzelner Ausrutscher war, beweist ein Podcast, den Schneeberger unlängst mit dem Wiener Neustädter Jugendmagazin „Die Klette“ aufnahm. Dort sagte der ÖVP-Bürgermeister über Schulkinder, die zu Hause nicht Deutsch sprechen: „Was soll der Bürgermeister machen? I konns jo net daschlogn“.
Wiener Neustadt ist auch politische Heimat von ÖVP-Chef Christian Stocker. Schneeberger huldigte seinem Parteichef auf dem sozialen Netzwerk “X”:
Großdeutsches Reich in Tulln
Einen großdeutschen Kandidaten gibt es in Tulln. Dort steht der FPÖ-Mann Andreas Bors als Spitzenkandidat auf Platz eins der freiheitlichen Liste. Der 35-Jährige ist vor allem für sein Foto mit Hitlergruß bekannt:
Für den Niederösterreicher sei kein Hitlergruß auf dem Bild zu sehen, sondern ein Fangesang des Fußballklub Rapid Wien. Der Sportverein ließ dies nicht auf sich sitzen und wies die Erklärung zurück. Wegen des Fotos geriet Bors’ Politkarriere kurz ins Stocken. Langfristig war das Bekenntnis zum Deutschen Reich aber kein Fallstrick für die FPÖ: Bei den Landtagswahlen 2023 wurde Bors auf Platz 16 der Landesliste gereiht und schaffte den Einzug in den niederösterreichischen Landtag.
Gloggnitz: “Bums Dame” als Landeshauptfrau
Auch in der Gemeinde Gloggnitz steht mit Thomas Hardteck ein Kandidat auf Platz eins der FPÖ, der immer wieder mit seinen Meldungen überrascht hat. So hat der Freiheitliche etwa faschistische Gedichte auf Facebook gepostet, Ausländer als Parasiten beschimpft und Mikl-Leitner als “Bums Dame” bezeichnet.
Unvergessen ist sein Posting zu seinem eigenen Parteichef:
Grundstücksdeals in Leobersdorf
Spannend wird die Wahl vor allem in Leobersdorf. Dort hat Bürgermeister Andreas Ramharter von der Liste “Zukunft Leobersdorf” Geld mit umgewidmeten Grundstücken verdient – noch dazu auf dem Gelände eines ehemaligen Frauenkonzentrationslagers. Ramharters Firma hatte die Liegenschaft gekauft und an ein Unternehmen verkauft, das dort einen Gewerbepark errichten soll, wie unter anderem der Falter berichtete.
Die Opposition übte deswegen heftige Kritik. Ramharter betonte hingegen, dass alles ordnungsgemäß abgelaufen sei. Bei den letzten Gemeinderatswahlen 2020 holte Ramharters Liste mit über 53 Prozent die absolute Mehrheit. Diese könnte diesmal außer Reichweite liegen.
Stalin-Fußstapfen in Schwechat
Keine leichte Aufgabe hat Schwechats SPÖ-Bürgermeisterin Karin Baier. Die Sozialdemokratin übernahm den Bürgermeistersessel im Jahr 2015 und ist im Ort auch über Parteigrenzen hinweg beliebt. Einen Strich durch die Rechnung könnte ihr Ex-Stadtparteichef David Stockinger gemacht haben. Dieser musste im April 2023 das Handtuch werfen, weil er 2019 in Belarus mit einer UdSSR-Uniform aus der Stalin-Ära herumgelaufen war.
Ob die SPÖ die Mandatsmehrheit in Schwechat halten kann, ist offen. Bei den letzten Gemeinderatswahlen 2020 erreichte die Stadtpartei 49 Prozent der Stimmen.
Bauprojekt in Breitenfurt
Auf dem Prüfstand steht auch ÖVP-Bürgermeister Thomas Schredl in Breitenfurt bei Wien. ZackZack berichtete über das Bauprojekt auf einer Wiese, im Zuge dessen auch Armin Assinger für einen vielbeachteten Ausrutscher sorgte.
Schredl wollte das Bauprojekt entgegen vorheriger Zusagen plötzlich doch durchboxen, verlor aber erst kürzlich eine entsprechende Volksbefragung. Gute Chancen auf Wahlerfolge hat deshalb die Liste “Zukunft Breitenfurt – gemeinsam gestalten”. Listenvorsitzende Larissa Putz und ihre Mitstreiter hatten neben den Grünen in Breitenfurt als einzige gegen das mehrheitlich unbeliebte Projekt mobil gemacht.
Titelbild: HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com