Während Herbert Kickl in Wien die Generalprobe für die Machtübernahme der AfD in Berlin inszeniert, probt Doskozil in Eisenstadt bereits für die Zeit nach Kickls Sturz.
Wie vor neunzig und vor 25 Jahren blickt man auch jetzt wieder aus Berlin nach Wien. Diesmal ist es Herbert Kickl, der zur deutschen Generalprobe rüstet.
Im Jahr 2000 führte Jörg Haider seine FPÖ in die erste Regierung mit der ÖVP. In der EU war man entsetzt. Bald zeigte sich, dass die Brandmauer gegen die extreme Rechte nach dem österreichischen Einbruch nicht mehr zu halten war. Der politische Mauerfall hatte begonnen.
Später haben rechtsextreme Parteien unter Führern wie Viktor Orbán und Giorgia Meloni in ersten EU-Staaten die Macht übernommen. Dafür brauchten sie keine Vorbilder aus Wien.
Die Kickl-Generalprobe gilt ausschließlich Deutschland. Wie der FPÖ-Führer will jetzt auch die AfD ganz oben an die Spitze der Macht. CDU und CSU sind noch nicht so weit am Boden wie die ÖVP. Aber Friedrich Merz zeigt als AfD-Imitator, dass er schon am österreichischen Weg ist.
In die Zukunft schauen
Wenn man Politik analysiert, muss man eines immer wieder versuchen: auf der Basis von Informationen und Erfahrungen so gut wie möglich in die Zukunft zu blicken. Mich wundert immer wieder, dass das unter den Kommentatoren österreichischer Massenmedien kaum jemand ernsthaft versucht.
Letzten Juli habe ich in meinem Buch „Ostblock – Putin, Kickl und ihre ÖVP“ darauf hingewiesen, dass die Regierung zwischen Kickl und seiner ÖVP vor der Tür steht. Die traditionellen Kommentatoren haben weiter mit der ÖVP geheult.
Jetzt ist es soweit und damit Zeit für den Blick auf die nächste Generalprobe. Sie hat gerade in Eisenstadt begonnen. Hans Peter Doskozil hat seine Wahl gewonnen, FPÖ-Rechtsaußen Norbert Hofer den Sessel vor die Tür gestellt und die Grünen eingeladen, mit ihm zu regieren.
Doskozil sendet ein doppeltes Signal. Das erste lautet: Mit der FPÖ von Hofer und Kickl will ich nicht, mit der in zwei Reste zerfallenen burgenländischen ÖVP kann ich nicht. Nur mit den Grünen ist etwas Sinnvolles für mein Land möglich. Das ist sachlich vernünftig und politisch klug.
Es geht los
Wichtiger noch ist der zweite Teil von Doskozils Botschaft: Weil ich weiß, dass mit FPÖ und ÖVP eine große Welle aus sozialen Einschnitten, Parteibuchwirtschaft und Korruption bevorsteht, weiß ich auch, dass es jetzt, mit dem Start der neuen Rechtsregierung, Zeit für das Gegenmodell ist: für die Allianz aus den Parteien, die auf der anderen Seite stehen. In Eisenstadt und in Wien sind das SPÖ und Grüne und dazu noch als Wackelpartei die NEOS.
Bis dahin ist die Wiese alles andere als „gemaht“. FPÖ und ÖVP werden alles tun, um den ORF zu zerlegen, die Zeitungen an kurze Leinen zu nehmen und die WKStA zu zerschlagen. Es wird gefährlich, für Rechtsstaat, Pressefreiheit, Demokratie und die Menschen, die sie verteidigen.
Zwei Generalproben in Österreich zeigen damit vor allem eines: dass es jetzt richtig losgeht. Dabei sollten wir nie vergessen: Das ist zugewinnen, wie vor sechs Jahren gegen Kurz und sein Regime.
Titelbild: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com, Christopher Glanzl