Freitag, Februar 7, 2025

Nach Generalprobe in Wien: Deutschland verkurzt und verkickelt

In Wien findet gerade die Generalprobe für die rechte Machtübernahme in Berlin statt. Der Wiener Machtwechsel gefährdet Rechtsstaat und Pressefreiheit. Der Machtwechsel in Berlin bedroht die EU.

Selten ist ein finaler Umfaller hübscher beschrieben worden: „Wie die Krone erfuhr, geht die Volkspartei bei der heiklen Bankenabgabe auf die Freiheitlichen zu.“ Nach dem „Niemals Kickl“ ist jetzt auch das „niemals Bankenabgabe“ Lügengeschichte.

Der wichtigste Punkt in den Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP ist noch offen: die Verteilung der Posten. Sonst ist man sich bis auf „Kleinigkeiten“ wie Details der Säuberung im ORF einig. Das war nicht schwierig, weil man sich schon seit Jahren von Ausländerverfolgung bis Reichenschutz in fast allen wichtigen Fragen einig war.

Sebastian Kurz hat aus einer christdemokratischen ÖVP eine freiheitliche Staatspartei gemacht. Dabei hat er nur zwei Dinge übersehen: dass er über sich selbst vom Gipfel am Ballhausplatz abstürzen könnte; und dass die FPÖ ohne ihn im neuen Rechtsblock die Führung übernehmen würde.

Verwesungsgeruch

Jetzt versucht der gescheiterte Kanzler in der Bild-Zeitung eine Fährte von sich weg zu legen: „Die falsche Migrationspolitik zu betreiben, ist der Garant dafür, dass die AfD weiter wächst“. Kurz ist sein eigener Gegenbeweis: Seit die ÖVP die Politik der FPÖ kopiert, verliert sie die Führung an die Freiheitlichen, gestern in Graz, heute in Wien und morgen dort, wo es am meisten schmerzt: in St. Pölten.

Als politische Kraft ist die ÖVP tot. Dort, wo es jahrzehntelang nach Korruption geduftet hat, riecht es erstmals nach politischer Verwesung. Kein Personal, keine Strategie, keine Hoffnung – die ÖVP scheint nur noch eine Aufgabe zu haben: ihre Schwesterparteien in Berlin und München auf den letzten Weg mitzunehmen.

Sebastian Kurz ist das fast gelungen. Die Bild Zeitung schrieb ihn so groß, dass viele in der CDU begonnen hatten, auf seinen Kurs einzuschwenken. Der Fall des ÖVP-Führers entschied noch einmal für Merkel und den Rest, die in der CDU am traditionellen Kurs festhalten wollten.

Wie Sebastian Kurz will auch Friedrich Merz um jeden Preis Kanzler werden. Aber er kommt bereits zu spät. Sein Schwenk saugt der AfD nicht die Wähler ab, sondern treibt sie ihr zu. Merz ist drauf und dran, Deutschlands Nehammer zu werden. Er ist, wie Der Spiegel schreibt, ein beschädigter Kandidat in einem beschädigten Land.

Generalprobe

Von Hitler bis Haider und Kurz war Österreich das Land der deutschen Generalproben. Mit Stocker und Merz hat wahrscheinlich der letzte Akt der ÖVP und der vorletzte der CDU begonnen. Beide schaffen es nicht mehr, sich als bessere rechte Staatspartei ganz oben zu halten. Beide werden von den Straßenparteien vorgeführt und hergerichtet.

Wenn die alte CDU stirbt, ist die EU in Gefahr. Kickl wird dann bereits sein verlogenes Gelöbnis auf Europa abgelegt haben. Spätestens wenn auch die AfD nach ganz oben schwimmt, wird er wissen, dass Brüssel endlich reif ist. Orbán, Meloni, Wilders, Le Pen, Kickl und Alice Weidel haben es dann in der Hand. Alles spricht dafür, dass bei der nächsten großen europäischen Entscheidung ihre sechs Finger nach unten zeigen.

In Wien wird Christian Stocker als Vizekanzler überrascht und enttäuscht sein. Beate Meinl-Reisinger wird ihre Schuld am Platzen der letzten Koalition ohne Kickl noch einmal leugnen.

Dann wird ein neues Berlin den Takt angeben. Die erfolgreiche Generalprobe in Österreich wird dann wie vor 90 Jahren bereits Fußnote der Geschichte sein.

Dann zerbricht die EU unter dem Druck der beiden großen Blöcke in Nordamerika und Ostasien. Dann können wir uns auf etwas gefasst machen.

Unsere Mehrheit

Ob es so kommt, hängt von uns ab. Wenn wir mit Kerzen in den Händen und Antifa-Tränen im Gesicht die ÖVP zur Umkehr bitten, haben wir verloren. Heute gibt es eine rechte Mehrheit, und sie wird regieren, auch, weil sie das demokratische Recht dazu hat.

Bei der nächsten Wahl müssen wir die Mehrheit gewinnen, nach den kommenden Korruptionsaffären und den unverschämten Griffen in die Taschen der Wählerinnen und Wähler der FPÖ. Die ÖVP ist dann längst hin, und mit dem freiheitlichen Pendel, das jetzt besonders weit nach oben ausgeschlagen hat, kann Kickls gieriger Trupp auch wieder auf zehn Prozent hinunterstürzen.

Klar geht das, und wenn SPÖ und Grüne dazu zu schwach sind, machen wir etwas Neues. Es kann nur besser werden.

p.s.: Mit “Pilnacek” steht die erste Affäre der neuen Regierung bereits fest. Diese Woche bringen wir das nächste Kapitel aus meinem neuen Buch PILNACEK – der Tod des Sektionschefs. Es geht um die Obduktion. Dann kommen wir zur Todesursache – und zu ersten Antworten auf die Frage, wer von der ÖVP die Finger im Selbstmord-Spiel hatte.

Das Buch könnt ihr jetzt schon hier bestellen. Und die Karten für die beiden Buchpräsentationen mit meinem berühmten Moderator Michael Nikbakhsh gibt es hier.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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