Freitag, Februar 7, 2025

Führt der Weg nach rechts?

Daniel Wisser über Pressestimmen zum heutigen CDU-Parteitag in Berlin, auf dem Friedrich Merz sein sogenanntes Sonderprogramm verabschiedet haben möchte.

Am Donnerstag schrieb ich hier in meiner Kolumne über Friedrich Merz und seine Machtdemonstration im Bundestag, die nur mit den Stimmen der AfD möglich war:

Die vormals bürgerliche oder konservative CDU ist nun den Schritt gegangen, der ihre Selbstauflösung, vor allem aber ihren Abschied vom demokratischen Konsens bedeutet.

Auch Heribert Prantl äußert sich in der Süddeutschen Zeitung in einem Gespräch mit Lars Langenau in diese Richtung. Das Gespräch kann dort nachgehört werden. Die Zusammenfassung:

Merz habe damit den demokratischen Konsens aufs Spiel gesetzt, sagt der langjährige Leiter der SZ-Innenpolitik, Heribert Prantl. Er äußert seine Enttäuschung darüber, dass die demokratischen Parteien zu zögerlich auf den Aufstieg der AfD reagieren und zu immer mehr Zugeständnissen an rechtsextreme Positionen bereit waren und sind.

Merkels Entsetzen

Das Entsetzen auf konservativer Seite war groß. Angela Merkel stellte sich öffentlich gegen Merz’ Position und Michel Friedmann, früherer CDU-Bundesvorstand und stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden, trat aus der CDU aus. Es gibt aber auch Stimmen für Merz. Justus Bender und Oliver Georgi fassen die Stimmen aus der Partei in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zusammen. Dort heißt es unter anderem:

Ein einflussreicher CDU-Mann sagt, er glaube nicht, dass die Empörung über Merz lange anhalten werde. Der müsse jetzt drei, vier Wochen standhaft bleiben und beweisen, dass er entschlossen Kurs halte. Das sei jetzt das „Momentum“, mit dem er gewinnen könne. Auch ein anderer Merz-Vertrauter hält das Risiko für überschaubar. Wird Merz von den Wählern abgestraft, kann er trotzdem Kanzler werden. Geht seine Rechnung hingegen auf und die Wähler belohnen ihn, hätte er mehr Durchsetzungskraft, könnte das Migrationsproblem lösen und die AfD kleiner machen.

Sprechender könnte keine Stellungnahme sein, denn die Abstimmung brachte ja realpolitisch nichts ein. Hier geht es einfach um Populismus, sich die Zeilen »Wir sind gegen Migration« auf die Fahnen zu heften, um mehr Stimmen zu bekommen. Der Satz »kann er trotzdem Kanzler werden«, sagt ja schon, worum es geht. »Das Migrationsproblem lösen« kann und will die CDU gar nicht und auch nicht die AfD. Davon, sich überhaupt mit der Ursache für Migration auseinanderzusetzen und zuzugeben, dass waffenproduzierende und waffenexportierende Staaten und die fossile Gesellschaft wesentliche Auslöser dafür sind, ist Deutschland weit entfernt – und vor allem AfD und CDU.

Kurz schaltet sich ein

Die BILD-Zeitung, die sonst keine österreichischen Ex-Kanzler interviewt, brachte dazu am Freitag Statements von Sebastian Kurz, der einst ein Meister darin war, mit Populismus und reiner Ankündigungspolitik auf Stimmenfang zu gehen. Dort heißt es:

Jetzt schaltet sich Österreichs Alt-Kanzler in die deutsche Debatte um die Asyl-Wende, Friedrich Merz und die AfD ein. Er stützt den Kurs des Unions-Kanzlerkandidaten und warnt davor, auf seine gute Bekannte, Alt-Kanzlerin Angela Merkel, zu hören: Ihre Politik habe die Rechtsextremen erst stark gemacht!

Nun wissen wir also, warum die FPÖ in Österreich stimmenstärkste Partei ist. Angela Merkel ist schuld. Friedrich Merz ist im Rausch des Ankündigens inzwischen schon einen Schritt weiter gegangen; Caspar Schwietering Dennis Pohl berichten im Tagesspiegel:

Um die Sicherheit für die Menschen rasch zu erhöhen, will Merz demnach das Zustrombegrenzungsgesetz doch noch verabschieden, das der Bundestag am Freitag abgelehnt hat. Damit würden der Familiennachzug für subsidiär schutzberechtigte Flüchtlinge abgeschafft und die Befugnisse der Bundespolizei erweitert. Auch sein Fünf-Punkte-Plan zur Begrenzung der irregulären Migration will Merz unverzüglich umsetzen.

Heutige Nagelprobe für CDU

Das sind nun klar Töne wie man sie aus der Brexit-Bewegung in Großbritannien kannte. Eine EU-feindliche CDU/CDU ist nicht unvorstellbar. Sieht man sich Großbritannien heute an, stellt sich die berechtigte Frage, ob sein Weg der Königsweg war. Zu Merz‘ regelrechter Plan-Wut werden auch kritische Stimmen laut. Der Tagesspiegel weiter:

Der Migrationsforscher Gerald Knaus hält das für einen schweren Fehler. „Der Plan war weniger gut vorbereitet als ein normaler Kindergeburtstag“, sagt er dem Tagesspiegel. Er werde vor Gerichten in Europa scheitern, „was nur die AfD freuen kann“.

Konkret warnt Knaus Merz davor, mit einer nationalen Notlage dauerhafte Grenzkontrollen zu begründen. Der Europäische Gerichtshof werde das nie als Grund für eine Aussetzung des Schengen-Abkommens zulassen, sagt er. Die Hoffnung auf eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung sei „magisches Denken“, so Knaus. Ein solcher Vorstoß könne in Europa Schule machen und „letztlich das Ende des europäischen Projekts bedeuten“, warnt er.

Nun, am Montag, 3. Februar 2025, findet in Berlin ein Sonderparteitag der CDU mit 1.001 Delegierten statt. Dort soll ein »Sofortprogramm« beschlossen werden. Es wird eine Nagelprobe für die CDU. Führt der Weg der CDU nach rechts und zu verfassungsrechtlich fragwürdigen Ankündigungen? Dann kann sie ja an der ÖVP studieren, wie ihre Zukunft aussieht.

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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