Pilnacek-Witwe Caroline List hat mich angezeigt, weil sie mich für den „Hehler“ des Pilnaceks-Laptops hält. Doch der Laptop ist durch ganz andere Hände gegangen.
In der ÖVP ist durchgesickert, dass in meinem Pilnacek-Buch Unerfreuliches steht. Entscheidende Spuren führen in die Partei und an die Spitze des Innenministeriums. Es geht um Bundespolizeidirektor Michael Takacs, Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka und dessen Mitarbeiterin Anna P.
Pilnacek-Witwe und Gerichtspräsidention Caroline List hat mit ihrer Falschbehauptung, ich hätte Zugriff zu Pilnaceks privatem Laptop gehabt, erreicht, dass ich gegen alle Fakten Beschuldigter in einem Strafverfahren der Staatsanwaltschaft Krems bin.
Tatsächlich hat der Laptop einen völlig anderen Weg genommen. Sobotkas Anna P., Takacs und Sobotka selbst spielten dabei bemerkenswerte Rollen.
Auszug aus Pilnacek-Buch: „Lass ihn verschwinden!“
Für List „steht Karin W. im Verdacht, sie habe durch die Weitergabe des unterschlagenen Laptops an Dr. Peter Pilz […] mit dem Vorsatz, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, sowie mit der Absicht, Mag. Christian Pilnacek und weitere Personen, darunter Mag. Caroline List und Dr. Wolfgang Brandstetter […] zu schädigen“, ein strafbares Delikt begangen.
Lists Vorwürfe waren nicht neu. Schon bei ihrer ersten Einvernahme durch die WKStA erklärte sie: „Karin W. hat offensichtlich den Inhalt des Laptops zu Geld gemacht.“ Dahinter vermutete List einen Plan: „Aus meiner Sicht war sie angesetzt, sei es von Dr. Pilz oder anderen, meinen Mann auszuspionieren, um an dessen Daten zu gelangen.“
Lists zwanglos vernetzte Betrachtungen haben einen Nachteil: Sie sind falsch. Pilnaceks privater Laptop ist durch ganz andere Hände gegangen.
„Einfach weg“
Wochen nach Pilnaceks Tod traf sich am 9. Dezember 2023 eine Runde in einem Kellerlokal in Wien. An diesem Abend ging es um Christian Pilnacek. Was war in den Morgenstunden des 20. Oktober 2023 am Donau-Altarm wirklich passiert? Keiner der Anwesenden glaubte an Selbstmord, und keiner traute den Ermittlern in Krems und St. Pölten.
Das Gespräch kam schnell auf den privaten Laptop von Christian Pilnacek. Anna P. war sich nicht sicher, was sie mit ihm tun sollte. Im Oktober 2023 wohnte Anna P. bei Karin Wurm. P. hatte Pilnacek in der Nacht des 19. Oktober 2023 nach seiner Führerscheinabnahme in Tulln abgeholt und nach Rossatz gebracht. In einer schwarzen Ledertasche fuhr Pilnaceks privater Laptop mit.
Christian Mattura hatte im Juli 2023 mit seinem Handy Christian Pilnacek in dessen Stammlokal Cavalluccio aufgenommen. Mattura erinnerte sich, wie Anna P. in der Runde erzählte, dass sie sich an „Taki“ – Bundespolizeidirektor Michael Takacs – gewandt hatte.
Anna P. schilderte den Rat, den ihr Takacs zum Pilnacek-Laptop gegeben haben soll: „Ja nicht hergeben. Lass ihn verschwinden. Einfach weg von euch, aussi aus dem Haus“. Andere Teilnehmer der Runde bestätigten die Formulierung.
Anna P. hatte bei ihrer WKStA-Einvernahme nicht erzählt, worüber sie mit Takacs gesprochen hatte: „Ich telefonierte dann in den nächsten Tagen mehrmals privat mit General Takacs, er wollte wissen, wie es mir gehe und ob ich etwas brauchen würde.“
Michael Takacs ließ neun Fragen in diesem Zusammenhang unbeantwortet. An seiner Stelle meldete sich das Innenministerium am 7. Jänner 2025: „Im Übrigen würden die von ihnen formulierten Fragen ein rechtswidriges Verhalten des Herrn Bundespolizeidirektor Michael Takacs implizieren, was entschieden zurückgewiesen wird.“ Anscheinend ist man im Innenministerium unter Führung der ÖVP nicht bereit, Fragen zu diesem Fall zu beantworten.
In der Runde am 9. Dezember 2023 war man sich schnell einig, dass der Laptop auf kürzestem Weg zur WKStA gebracht werden sollte. Aus guten Gründen befürchteten einige der Anwesenden, dass die WKStA den Laptop an die fallführende Staatsanwaltschaft Krems abgeben würde und damit das Verschwinden des Gerätes und der Verlust der Daten drohte.
Daher sollten die Daten kopiert und danach ein Weg zur Übergabe an eine vertrauenswürdige Staatsanwaltschaft gesucht werden. Das wurde zur Aufgabe von Christian Mattura und Kronen Zeitung-Redakteur Erich Vogl.
Wenige Wochen nach Pilnaceks Tod hatte sich Anna P. über Vermittlung von Wolfgang Rauball am 7. November 2023 mit Christian Mattura in einem Wiener Kaffeehaus getroffen. Am frühen Abend gingen beide in die Tiefgarage am Neuen Markt. Dort legte Anna P. eine Stofftasche mit dem Pilnacek-Laptop in den Kofferraum von Matturas Wagen.
Der Laptop war durch kein Passwort geschützt. Die Dokumente konnten problemlos auf einen Server heruntergeladen werden. Auf ihn bekamen mehrere Journalisten Zugriff. Wie einige andere erhielt auch ich Zugang zu dieser Kopie. Den Laptop selbst habe ich nie gesehen.
Später wurde Pilnaceks Laptop an Kronen Zeitung-Redakteur Erich Vogl übergeben. Vogl wusste, was mit Mattura und den anderen Personen der Dezemberrunde vereinbart war, und brachte den Laptop zu Martin Kreutner, dem Vorsitzenden der Pilnacek-Kommission mit der Bitte, ihn an die WKStA weiterzuleiten.
Anna P. und Takacs
Warum übergab Sobotkas Mitarbeiterin Anna P. Pilnaceks Laptop an Personen, die der Politik der ÖVP kritisch gegenüberstanden? Was bewog die Rossatzer ÖVP-Funktionärin, Interessen der eigenen Partei zu verletzen? Auch darauf fand sich in der Fünferrunde eine Antwort.
Wie die anderen scheint Anna P. von Anfang an nicht an Selbstmord geglaubt zu haben.
Gemeinsam mit Karin Wurm befürchtete sie, dass Christian Pilnacek in den Morgenstunden des 20. Oktober 2023 Opfer eines Angriffs geworden war. Den Rat des Bundespolizeidirektors ignorierte sie wohl deshalb, weil sie wollte, dass der „Todesfall Pilnacek“ aufgeklärt würde.
In der Runde im Dezember 2023 erzählte Anna P., wie sie ihrem Chef Wolfgang Sobotka über ihre Zweifel berichtet hatte und von diesem in bestimmtem Ton darauf hingewiesen wurde, dass es Selbstmord gewesen sei: „Mich hat am 30. Oktober dann der Wolfgang angerufen. Das erste Obduktionsergebnis, dass er wirklich ertrunken ist. Ich hab gesagt, das geht ja nicht in meinen Schädel.“ Sobotka sei sehr bestimmt gewesen: „Da hat er ins Telefon hineingeplärrt, ´Nein, das war kein Unfall, das war Ertrinken ohne Fremdverschulden, das ist festgestellt worden!´“
P. berichtete weiter: „Ein paar Tage später hat er mich wieder angerufen und sagt, ´Du, ich höre, dass deine Freundin mit Journalisten redet, halte sie zurück, sie soll mit keinem reden´.“ Anna P. wohnte nicht mehr lange bei Karin Wurm in Rossatz. Wurm erinnerte sich, wie ihr ihre Mitbewohnerin plötzlich mitteilte: „Der Wolfgang hat gesagt, ich muss mich von dir fernhalten.“ Laut Wurm zog Anna P. einen Tag später aus.
Keine Antworten
Weder Sobotka noch Anna P. beantworteten in diesem Zusammenhang meine Fragen. Damit trugen sie auch nicht zur Klärung einer Frage bei: Warum haben sie die Ermittler in St. Pölten und Krems nicht informiert, wer den Laptop hatte und wer nicht? Warum haben sie möglicherweise zugesehen, dass gegen die Falschen ermittelt wurde?
Mehr dazu gibt es heute, wenn Michael Nikbakhsh und ich mein Buch in der Wiener Kulisse präsentieren. Für Nikbakhsh ist mein Bericht über das Treffen aus einem Grund nicht neu: Er war selbst dabei.
Titelbild: EVA MANHART / APA / picturedesk.com, Christopher Glanzl, HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com