Montag, März 24, 2025

Affäre „Pilnacek“: der Auftragsselbstmord

Der doppelte Verdacht lautet: Christian Pilnacek ist getötet worden. Und: Statt der Todesursache wurden Datenträger gesucht und entsorgt.

Im Fall „Pilnacek“ geht es um zwei große Fragen:

1. Hat Pilnacek – wie Landeskriminalamt Niederösterreich und Staatsanwaltschaft Krems bis heute behaupten – Selbstmord begangen?

2. Hat nach Pilnaceks Tod statt ernsthafter Ermittlungen eine große Vertuschung begonnen?

Die Antwort auf die erste Frage lautet „Nein“. Nach den gerichtsmedizinischen Gutachten aus Innsbruck und Berlin ist Selbstmord als Todesursache wohl auszuschließen. Ein 1,90 Meter großer Mann zieht sich nicht beim Abstieg über eine zwei Meter hohe Böschung zwanzig zum Teil schwere Verletzungen von einer Hirnschwellung bis zu einem knochentiefen Hämatom zu, raucht dann am Ufer seine letzten Camel und ertränkt sich dann in einem ruhigen Wasser, das ihm nur bis zum Hals reicht.

Die Antwort auf die zweite Frage lautet mit großer Wahrscheinlichkeit „Ja“. Der Tatort wurde nicht gesichert. Polizisten versuchten, die Obduktion zu verhindern. Der handschriftliche Bericht der Notärztin an die Staatsanwältin, in dem sie ihren Verdacht auf mögliches Fremdverschulden niederschrieb, verschwand im Polizeiakt.

Selbstmordkommission

Von Anfang an wurden alle Weichen auf „Selbstmord“ gestellt. Dann kam die Weisung aus St. Pölten, dass die Mordkommission des Landeskriminalamts die Selbstmord-Ermittlungen übernimmt. Aus der Mordkommission wurde eine Selbstmordkommission.

Als ihr Chef erfuhr, dass Pilnaceks privates Handy im Haus in Rossatz, in dem er jeden zweiten Tag bei seiner Freundin übernachtete, lag, ließ er es sofort „sicherstellen“. Das Handy wurde hinter dem Rücken der fallführenden Staatsanwaltschaft ohne gesetzliche Grundlage Pilnaceks Witwe, der Grazer Gerichtspräsidentin Caroline List, „vererbt“. Kurze Zeit später griff die Präsidentin zum Bunsenbrenner.

Oben am Akt der Staatsanwaltschaft stand der Gegenstand der Ermittlungen: „fahrlässige Tötung“. Im Normalfall unternimmt die Polizei bei einem Tötungsdelikt alles, um die letzten Stunden zu erforschen. Rufdaten des Handys werden gesichert, um Kontakte und Wege des Opfers zu dokumentieren. Das Handy selbst wird ausgewertet, um die letzten Nachrichten zu lesen: Wen hat Pilnacek mitten in der Nacht um Hilfe wegen des drohenden Verfahrens wegen Gemeingefährdung durch seine alkoholisierte Geisterfahrt gebeten? Mit wem hat er ein Treffen mitten in der Nacht vereinbart?

Eine Partei

Der „Selbstmord“ lieferte die Begründung, das alles nicht zu tun. Man musste so nicht wissen, wen Pilnacek kontaktiert, vielleicht bedroht und dann getroffen hatte.

Wenige Stunden vor seinem Tod musste Pilnacek wissen, dass die Anzeige der niederösterreichischen Polizei bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten nur noch vor Beginn der Amtsstunden am Morgen nach der Geisterfahrt verhindert werden konnte. Wer konnte die drohende Anzeige „daschlogn“? Wer verfügte über den dazu notwendigen Einfluss im Innenministerium? An wen aus diesem Personenkreis hatte sich Pilnacek gewandt?

Es sind nicht viele, die hier infrage kommen. Und es ist nur eine Partei, der diese Personen angehören. Das war wohl auch bei der Entscheidung, dass es „Selbstmord“ sein musste, klar.

Inzwischen wissen wir, dass der Kernsatz des offiziellen gerichtsmedizinischen Gutachtens aus dem November 2023 von der Polizei so verändert wurde, dass er zum Selbstmord passte. Dank der neuen gerichtsmedizinischen Gutachten scheint klar, dass es kein Selbstmord war. Jetzt lautet der Verdacht: Der „Selbstmord“ war etwas, was nicht im Strafgesetzbuch steht: ein Auftragsselbstmord.

Befehlskette

Wer konnte einen möglichen Auftrag geben? Die Befehlskette führt vom Leiter der „Mordkommission“ über den Direktor des Landeskriminalamts und den Landespolizeidirektor in St. Pölten zum Bundespolizeidirektor in Wien. Von dort geht es über den Generaldirektor für öffentliche Sicherheit zum Minister. Über, neben oder hinter ihm ist nur noch Wolfgang Sobotka.

Hinter türkisen Nebeln zeichnet sich immer deutlicher ab: Christian Pilnacek ist getötet worden. Das und der vielfache Verdacht auf Amtsmissbrauch sind Fälle für Strafjustiz und Parlament. Im Nationalrat gibt es vier Parteien, denen ich Aufklärung über die fünfte und ihre Polizei zutraue. Aber wer übernimmt den Fall in der Justiz?

Zu Lebzeiten war Christian Pilnacek für mich ein gewichtiger Gegner. Damals ging es mir um die Kontrolle der Staatsanwaltschaften durch das Parlament. Heute geht es mir um etwas anderes: Ich will nicht in einem Land leben, in dem ein Sektionschef getötet werden kann und nicht alles unternommen wird, um das aufzuklären.

Das Buch mit meiner persönlichen Widmung gibt es HIER.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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