Dienstag, März 25, 2025

Die 10 wichtigsten Fragen und Antworten zur Causa Pilnacek

War es wirklich Selbstmord? Ein Unfall? Oder Fremdverschulden? Was spricht für und gegen welche Version? ZackZack hat die Antworten auf die drängendsten Fragen zur Causa Pilnacek übersichtlich zusammengefasst.

Spätestens seit dem dieswöchigen Erscheinen des Buchs “Pilnacek – Der Tod des Sektionschefs” schlagen die Recherchen von ZackZack-Herausgeber Peter Pilz hohe Wellen. Um bei all dem Wirbel nicht den Überblick zu verlieren und Neueinsteigern eine Orientierung zu liefern, haben wir zehn wichtige Fragen und Antworten in der Causa gesammelt:

Auf welche Quellen und Informationen greift Peter Pilz zurück?

Ein knappes Jahr lang hat Pilz recherchiert. Dafür besuchte er viele Male den Tatort in Rossatz, sprach mit Pilnaceks Freundin Karin Wurm, der Gemeindeärztin Dagmar W. und vielen Bewohnern des Ortes in der Wachau. Pilz bekam Zugang zu Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Krems und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Auch die Daten des privaten Pilnacek-Laptops liegen dem ZackZack-Herausgeber vor. Befragt wurde der Unfallchirurg Wolfgang Schaden; zudem gaben zwei externe, rechtsmedizinische Sachverständige – der deutsche Michael Tsokos und der Tiroler Stefano Longato – unabhängig voneinander Gutachten zum Fall ab.

Was spricht gegen einen Selbstmord?

Der Innsbrucker Sachverständige Stefano Longato hat auf Basis des Akts der Staatsanwaltschaft Krems ein gerichtsmedizinisches Gutachten erstellt. Er kommt zu folgendem Schluss: „Der kolportierte Suizid erscheint aus gerichtsmedizinischer Sicht als wenig wahrscheinlich.“ Auch Professor Michael Tsokos, der von 2007 bis 2023 die rechtsmedizinische Abteilung der Berliner Charité leitete, findet keine Indizien für Suizid. Selbst das offizielle, beauftragte Gutachten der Staatsanwaltschaft Krems erwähnt das Wort “Suizid” kein einziges Mal. Für Longato, wie auch für den langjährigen Unfallchirurgen des Meidlinger Unfallkrankenhauses Dr. Wolfgang Schaden, sind die zwanzig Verletzungen von Pilnacek zudem mit einem einzigen Sturzgeschehen – etwa über die steinige Uferböschung – nicht erklärbar.

Was spricht für Fremdverschulden?

Für Gutachter Michael Tsokos stellt sich hinsichtlich der Todesursache Ertrinken eine zentrale Frage: “Wie gelangte Christian Pilnacek ins Wasser?” Zu den Todesumständen hält er fest:
„Könnte nicht doch ein Kampf am Ufer, verbunden mit Flucht des CP am Ufer und anschließendem Hineinspringen (zur Selbstrettung), Hineinfallen (aufgrund der Dunkelheit und widrigen örtlichen Gegebenheiten am Ufer?) oder Hineingestoßen werden, für die Vielzahl von Verletzungen ursächlich sein?“ Die Äußerung des offiziellen Gerichtsmediziners –
Eindeutige Hinweise auf eine grobe Gewalteinwirkung durch fremde Hand ergaben sich nicht” – hält Tsokos für eine “gravierende Fehleinschätzung.” Bemerkenswert ist, dass im Abschlussbericht des Landeskriminalamtes Niederösterreich die Wörter “eindeutig” und “grob” entfernt wurden.

Hat Pilnacek in den Stunden vor seinem Tod noch jemanden getroffen?

Für Peter Pilz gibt es dafür einen Beweis: Die gerichtsmedizinische Feststellung über den Alkoholabbau. Wenn Pilnacek, wie es die eintreffende Notärztin beurteilte, erst früh am Morgen des 20. Oktober 2023 gestorben ist, wirft sein hoher Blutalkoholwert ungeklärte Fragen auf. Die ähnlich hohe Blutalkoholkonzentration zum Todeszeitpunkt wie zum Zeitpunkt seiner alkoholisierten Verkehrskontrolle Stunden zuvor sei nur erklärbar durch zusätzlichen Alkoholkonsum. Pilnacek hatte keinen Autoschlüssel, kein Handy und keine Flasche bei sich. In Rossatz waren alle Geschäfte geschlossen. Folglich wäre es plausibel, dass Pilnacek noch jemanden getroffen hat.

Warum konnte das Handy nie ausgewertet werden?

Nachdem die Notärztin Dagmar W. gegen den Willen der anwesenden Polizeibeamten eine Obduktion forderte, ermittelte die Staatsanwaltschaft Krems wegen fahrlässiger Tötung. Wenn man ein Tötungsdelikt klärt, gilt es herausfinden, mit wem der Verstorbene zuletzt Kontakt- oder mögliche Treffen vereinbart hatte. Die Informationen dazu fanden sich am Handy, damit war es ein Beweismittel. Das Handy wurde jedoch noch am selben Tag der Witwe Caroline List übergeben und nie sichergestellt. List vernichtete es laut eigener Aussage mit einem Bunsenbrenner. Demnach sind die Daten wohl verloren.

Warum “musste” es “Selbstmord” sein?

Nur bei einem Selbstmord ist es nicht notwendig, Handy und Rufdaten auszuwerten. Damit war es möglich, das Telefon verschwinden zu lassen. Die erste Person, die öffentlich von einem Selbstmord sprach, war übrigens Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, der just am Tag des Todes wegen Falschaussage vor Gericht stand. Woher er seine Informationen darüber hatte, ist unklar.

Was sind die eklatantesten Versäumnisse der Behörden?

Der Tatort wurde nicht gesichert, fremden Fußspuren wurde nicht nachgegangen, Zigarettenstummel nicht sichergestellt. Polizisten wollten die anwesende Notärztin laut deren protokollierter Aussage daran hindern, eine Obduktion zu veranlassen – dabei ist laut Tatortleitfaden bei Wasserleichen eine Obduktion zwingend notwendig. Eine handschriftliche Nachricht der Ärztin an die Staatsanwaltschaft wurde nicht weitergegeben, das Handy hat man nicht sichergestellt, Daten der Smartwatch nicht ausgewertet.

Wer ermittelt im Fall Pilnacek?

Staatsanwaltschaft Krems und das Landeskriminalamt Niederösterreich ermittelten kurzzeitig – und nur nach Drängen der Notärztin – wegen fahrlässiger Tötung, stellten aber das Verfahren ein. Seit Frühjahr 2024 ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen möglichem Fehlverhalten der Ermittler. Beschuldigte sind hier der Leiter der Mordkommission, dessen Stellvertreter und unbekannte Personen im Landeskriminalamt/Innenministerium wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs.

Wohin in Innenministerium und ÖVP führen die Pilnacek-Spuren?

Sie führen laut Peter Pilz zum Bundespolizeidirektor Michael Takacs, zu Altkanzler Sebastian Kurz und ins Büro von Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka. Eines fällt hier auf: Im Fall Pilnacek sind alle Spuren türkis.

Wird der Fall Pilnacek noch weiter aufgeklärt?

Die Ermittlungen der WKStA können das Fehlverhalten der Behörden strafrechtlich aufklären, die Erhebungen laufen. Politische Aufklärung könnte dagegen ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss bringen. Klarheit besteht darüber wohl frühestens, sobald eine Regierung steht. Ein Viertel der Abgeordneten wäre nötig – allein die Mandatare der FPÖ kämen auf genügend Stimmen.


Titelbild: HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com, pixabay

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