Immer noch gibt es Stimmen dafür, Trump mit Appeasement zu begegnen. Doch nichts wäre verkehrter, als dem Faschisten im Weißen Haus noch mehr Raum für seine Selbstdarstellung und Beleidigungen zu geben.
Es ist eine seltsame Koinzidenz, dass die Bildung einer Regierung ohne die russland-freundliche FPÖ in Österreich mit jenem Eklat zusammenfällt, der nun wohl auch den Konservativen, die sich der Realität nicht verschließen, zeigt, wohin der zügellose Kapitalismus führt. In den USA hat Donald Trump nicht nur jeden diplomatischen Usus und die Grundsätze der Gastfreundschaft verworfen; er hat ganz bewusst den Präsidenten eines souveränen Staates für seine Inszenierung missbraucht. Was vorgefallen ist, war geplant.
NATO-Generalsekretär Rutte schlägt Wolodymyr Selenskyj vor, ein weiteres Gespräch mit Trump zu führen. Lass dich ein zweites Mal beleidigen, sagt er ihm damit. Man sieht, dass die NATO am Ende ist. Ihre inneren Widersprüche, die immer da waren, sind nun so augenscheinlich geworden, dass sie jeder sehen muss. Immer noch gibt es aber Stimmen dafür, einem verbrecherischen Faschisten im Weißen Haus mit Appeasement zu begegnen. Thomas Mayer im Standard:
Das naheliegende Ziel muss sein: Die beiden so rasch wie möglich wieder an einen Tisch bringen, damit sie das von beiden Seiten vorbereitete Abkommen zur gemeinsamen Rohstoffgewinnung unterzeichnen. Das könnte geschäftlicher und politischer Auftakt sein für den nächsten Schritt: Gespräche über einen Waffenstillstand. Und in der Folge naturgemäß auch über Sicherheitsgarantien.
Nicht noch mehr Raum für Trump
Nichts wäre verkehrter, als Trump noch mehr Raum für seine Selbstdarstellung und die Beleidigung anderer zu geben. Auch Mayers Einschätzung des Treffens ist unglaublich naiv:
Es lief durchaus freundlich, scheinbar konstruktiv. Eskaliert ist das Treffen erst ganz am Schluss, nachdem US-Vizepräsident J.D. Vance sich eingemischt und den hohen Gast aus der Ukraine maßgeregelt und als “undankbar” beschimpft hatte. […] Die Folgen waren fatal: Anstatt den Vize zu ignorieren, stieg Selenskyj auf die Provokationen von Vance ein.
Die Forderung, ein eingeladener Gast solle seinen Gastgeber ignorieren, ist schon an sich bizarr. War Diplomatie nicht mal was anderes? Ganz verkehrt ist aber vor allem die Auffassung, dass alles sei passiert. Es gibt keinen Zweifel daran, dass nichts von dem, was vorgefallen ist, ungeplant war oder unterlaufen ist. Wir haben es mit einer demokratiefeindlichen, menschensrechtsfeindlichen Regierung der USA zu tun, die Fakten ignoriert und lügt. (Und Lügen impliziert immer das bewusste Aussprechen der Unwahrheit.) Mit solchen Menschen kann man nicht diskutieren und schon gar keine Abkommen treffen. Robert Treichler im profil:
Wenn russische Streitkräfte die benachbarte Ukraine überfallen, sollte außer Frage stehen, auf wessen Seite die USA stehen. Trump hingegen rät der ukrainischen Führung zynisch, sie hätte „den Krieg nicht beginnen“ sollen, und beschuldigt sie zudem, ihn „nicht beendet“ zu haben.
Europas Grundsätze
Viele beginnen nun wieder die Ideen einer Europäischen Sicherheitspolitik zu diskutieren. Vollkommen richtig. Aber klar muss sein, dass Europa damit auch seine Grundsätze verteidigt: Demokratie, Menschenrechte, Völkerrecht. Treichler weiter:
Zu den nicht verhandelbaren roten Linien der freien Welt gehören die Menschenrechte, auch wenn die Liste der Verfehlungen auf diesem Gebiet lang ist. Donald Trumps Ankündigung, die Bevölkerung von Gaza „umzusiedeln“, stellt jedoch eine unverhüllte Androhung eines Verbrechens dar, aus der eine prinzipielle Missachtung der grundlegenden Regeln des Völkerrechts spricht.
Bevor es ein Europäisches Sicherheitsbündnis gibt, müssen die heutigen europäischen NATO-Staaten die NATO verlassen, denn sie haben einen Loyalitätskonflikt mit Ländern wie den USA, Ungarn und der Türkei, die Putins Russland dienen. Das geht nicht. Man kann nicht auf beiden Seiten sein.
Vor allem aber müssen die westlichen Demokratien sich selbst schützen, denn in ihnen brodeln putin-freundliche und trump-freundliche Kräfte; sie heißen z.B. AfD und FPÖ. Die USA werden Westeuropa nicht militärisch angreifen. Sie werden es wirtschaftlich angreifen und sie werden es angreifen, in dem sie seine faschistischen Parteien finanzieren. Beides passiert de facto schon. Auch Norbert Rief sieht die Lage in seinem Leitartikel in der Presse klar:
Auf die Vereinigten Staaten kann man heute nicht mehr bauen, Washington ist kein verlässlicher Partner der westlichen Welt mehr. Wer diese Hoffnung nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten noch gehabt hat, der musste sie spätestens am Freitag nach dem Eklat im Oval Office mit Ukraines Präsident, Selenskij, begraben. Was wir hier erlebt haben, ist der Anfang vom Ende des Westens wie wir ihn kennen.
Feige und schwach
Man darf die Lage nicht schönreden. Trumps Politik ist nicht nur feige. Er ist auch schwach. Alles, was er tut, dient einem einzigen Zweck: es sich mit den Rohstofflieferanten nicht verscherzen. Vor allem geht es in seiner Politik darum, worum es in der Außenpolitik der USA seit vielen Jahrzehnten geht: billiges Rohöl zu bekommen. Dafür haben die USA erbitterte Kriege geführt, ganze Völker gemordet (z.B. die Ogoni in Nigeria), Islamisten und Terroristen bis an die Zähne bewaffnet (z.B. Taliban und IS), Demokratien gestürzt, um Monarchien oder Diktaturen einzusetzen (z.B. 1953 im Iran), von ihnen selbst eingesetzte Diktatoren wieder weggebombt (z.B. Saddam Hussein). Mit Trump ist diese mörderische Energie völlig entfesselt: Er tut nicht einmal mehr so, als würden ihm Menschenrechte, Umweltschutz, und Demokratie etwas bedeuten.
Aber Europa müssen diese Werte etwas bedeuten. Auch seine Konservativen müssen endlich einsehen: Wer Trump mit Appeasement begegnet, wird von ihm genauso beschimpft, beleidigt und hinausgeworfen werden, wenn er kein Erdöl hat. Und man muss auch erkennen, wie schwach Putins Russland ist. Da man offensichtlich mit der Situation gar nicht zurecht kommt, braucht man nun einen mächtigen Verbündeten. Trump zeigt nur, wie rückständig die USA sind. Sie werden sich für weitere Jahre der Realität verweigern. Ihr Abstieg ist eher als freier Fall zu bezeichnen.
Titelbild: ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com