Das Wirtschaftsministerium will die Russland-Geschäfte der Knill-Gruppe “ordnungsgemäß geprüft” haben, heißt es in einer parlamentarischen Beantwortung. Im Kontrollregime der Sanktionen zeigen sich aber erhebliche Lücken.
Ein halbwegs geübter Umgang mit Suchmaschine und Übersetzungstool – mehr braucht es nicht, um auf die Vielzahl von Verbindungen des russischen Militärapparats mit dem langjährigen Glasfaser-Geschäftspartner der steirischen Knill-Gruppe – “Optic Fiber Systems” – zu stoßen.
ZackZack recherchiert und berichtet zu diesen Verbindungen seit Mitte Jänner: Firmenchefs des Knill-Kunden nahmen mehrfach an Militärforen teil, unterzeichneten Vereinbarungen mit Putins Verteidigungsministerium und sagten öffentlich Sätze wie: “Das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation unterstützte die Verwendung von Glasfaser-Kommunikationskabeln mit Glasfasern, die von unserem Unternehmen hergestellt werden, in den Streitkräften der Russischen Föderation.”
Von den Umtrieben des Geschäftspartners im militärisch-industriellen Komplex Russlands will die Knill-Gruppe trotz ihrer früheren Niederlassung in Moskau nie etwas mitbekommen haben. Auch das zuständige Wirtschaftsministerium (BMAW) schwieg gegenüber ZackZack zur Causa, bis die SPÖ aufgrund der Recherchen Ende Jänner eine parlamentarische Anfrage einbrachte. Die Anfragebeantwortung aus dem Ressort von Martin Kocher liegt nun vor. Und diese offenbart so manche Lücken im Kontrollregime: Was ZackZack mit ein paar Klicks herausfand, blieb der Exportkontrolle jahrelang verborgen. Eine Kontrolle des “Endverbleibs sämtlicher Güter ist gesetzlich nicht vorgesehen”, heißt es etwa.
Ministerium bestätigt Lieferung im Jahr 2018
Anhand von 24 Fragen wollte der SPÖ-Abgeordnete Kai Jan Krainer Licht in das Russlandengagement der Knill-Gruppe bringen. Dieses nahm 2011 mit einem 50 Millionen Euro-Auftrag seinen Anfang. Gebaut wurde ab da die erste staatliche Glasfaserfabrik im russischen Saransk. Die Liefertätigkeit blieb nach dem Kriegs- und Sanktionsbeginn von 2014 weiter bestehen, Ende 2021 wollte Georg Knill das Werk sogar noch ausbauen.
“Einleitend ist festzuhalten, dass vor der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim keine
Russland-spezifischen Einschränkungen vorlagen und daher “Geschäfte” den allgemeinen
Bestimmungen des Außenwirtschaftsgesetzes unterlagen“, teilt das Ministerium zu Beginn der Beantwortung mit. Für die erste Belieferung im Jahr 2011 habe es folglich gar keine Genehmigungsanträge gegeben: “Dem BMAW ist keine Lieferung eines Glasfaserwerks nach Russland bekannt”, heißt es dazu. Bemerkenswert ist das insofern, weil Glasfasern samt Zubehör bereits seit 2009 auf der Dual Use-Liste (Güter mit sowohl zivilen, als auch militärischen Verwendungszweck, Anm.) der EU standen.
Erst im Mai 2015 ließ sich die Knill-Gruppe dann für für die Nutzung der “Allgemeinen Genehmigung EU005 “Telekommunikation” registrieren. Soll heißen: Das Unternehmen benötigte für die Ausfuhr ab da gar keine Einzelanträge, sondern konnte nach Abschluss einer Erstprüfung die Dual Use-Güter einfach exportieren, musste sie nur nachträglich einmelden. Passiert sei das nur einmal, nämlich für das Jahr 2018: “Ausschließlich für das Kalenderjahr 2018 hat die Rosendahl Nextrom GmbH dem BMAW getätigte Ausfuhren von Dual-Use-Gütern nach Russland gemeldet.”
ZackZack hat über diese Lieferung, mehr als vier Jahre nach Sanktionsbeginn, bereits berichtet; laut Ministerium habe es sich dabei um “Herstellungs- und Prüfeinrichtungen für Glasfasern” gehandelt, die “rechtskonform ausgeführt” worden sein.
“Kontrolle des Endverbleibs gesetzlich nicht vorgesehen”
Möglich waren diese Ausfuhren aber nur unter der Bedingung, “sofern die Güter nicht ganz oder teilweise für militärische Zwecke oder für einen militärischen Endnutzer bestimmt waren oder bestimmt sein konnten”, wie das Ministerium in der Anfragebeantwortung selbst festhält.
Wie eingangs erwähnt, gab es damals aber bereits eindeutige, medienöffentliche Berichte über Militärverflechtungen. Der größte innerrussische Kunde des Werks, der Kabelhersteller “Incab LLC”, pries auf einer Messe 2016 etwa den Nutzen militärischer Glasfaserkabel und sprach über die Produktion von “Bordkabel, Feldkabel, Torpedokabel.”
Das Ministerium aber entgegnet: “Das BMAW verfügte damals über keine Hinweise auf eine militärische Endverwendung.” Und bemerkt zur Frage nach weiterführender Überwachung der Geschäfte: “Eine Kontrolle des jeweiligen Endverbleibs sämtlicher Güter ist gesetzlich nicht vorgesehen. Sofern Hinweise auf eine Verletzung von Exportvorschriften
auftauchen, erstattet das BMAW entsprechend Anzeige an die zuständigen Ermittlungsbehörden.” Ob dies angesichts der vielfältigen, von ZackZack vorgelegten Hinweise passiert ist, bleibt offen – das Ministerium ließ eine Anfrage abermals unbeantwortet.
“Sensibilisierungsgespräch” Ende 2021
Dass die Knill-Geschäfte mehrere Jahre nach Einführung der Sanktionen manchen Beobachtern merkwürdig vorkamen, zeigte sich im Dezember 2021. Das Medium Radio Free Europe fragte damals beim österreichischen Wirtschaftsministerium nach. Georg Knill – damals bereits Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung – hatte kurz zuvor den Standort in Saransk besucht, um mit einem Putin-treuen Politiker einen weiteren Werksausbau zu besprechen.
Zur damaligen Journalisten-Anfrage nahm das BMAW in der Anfragebeantwortung ebenfalls Stellung: “Es wurde mit der Rosendahl Nextrom GmbH Kontakt aufgenommen und in einem Sensibilisierungsgespräch auf die bestehenden Vorschriften, insbesondere auf die Notwendigkeit der Einhaltung der geltenden Embargomaßnahmen gegenüber Russland, hingewiesen. Nach aktuellem Wissensstand des BMAW wurde das Projekt nicht mehr weiterverfolgt.“
Von ZackZack mit offenen Fragen konfrontiert, teilt ein Unternehmenssprecher der Knill-Gruppe lediglich mit: “Unsere Exporte sind und waren immer rechtskonform. Wir haben uns aus dem Russland Markt gänzlich zurückgezogen.” Von namhaften Experten war die Geschäftstätigkeit der steirischen Unternehmensgruppe, besonders nach 2014, scharf kritisiert worden. Als “grob fahrlässig” bezeichnete etwa der deutsche Sicherheitsexperte Fabian Hoffmann den für das Militär “unfassbar wichtigen” Technologie-Transfer aus der Steiermark.
Hier gibt es die gesamte Anfragebeantwortung des Ministeriums:
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