Türkise Täter und drei Frauen, die auf unterschiedliche Art zu Opfern geworden sind – so steht es in der Affäre „Pilnacek“. Alle drei Frauen könnten entscheidend zur Aufklärung des Todesfalls und des Polizeifalls beitragen.
Auf der einen Seite machen die Täter Druck, auf der anderen versuchen sich die Opfer zu schützen. Die Liste der möglichen Täter im Fall „Pilnacek“ liest sich wie ein Adressbuch der ÖVP in Innenministerium, Polizei, Staatsanwaltschaft und Oberstaatsanwaltschaft. Darin stehen verdiente Parteiinspektoren aus St. Pölten neben höchsten Offizieren und politischen Anführern im Innenministerium. Wenn man von BVT bis BMI-Chats die Skandale der letzten Jahre Revue passieren lässt, finden sich von dort bis zu „Pilnacek“ immer dieselben Verdächtigen. Nur ab und zu kommt ein neuer ÖVP-Minister dazu.
Die Liste der Opfer ist ebenso lang. Karin Wurm, Pilnaceks Gefährtin in seinen letzten Lebensmonaten, hat nie an Selbstmord geglaubt. Für ihre Versuche, Licht ins türkise Dunkel zu bringen, ist sie von der Staatsanwaltschaft Krems auf niederträchtige Art und Weise verfolgt und geschädigt worden.
Zwischen den Fronten
Anna P. hat auch nichts von der Selbstmord-Geschichte gehalten. Als persönliche Mitarbeiterin von Wolfgang Sobotka geriet sie schnell unter Druck. Ihr Präsident machte ihr offensichtlich klar, was von ihr erwartet wurde: den Mund halten, aus dem Haus von Karin Wurm ausziehen, den Selbstmord zur Kenntnis nehmen, alle Kontakte zu Wurm abbrechen und Journalisten meiden. Abtauchen, für Partie und Partei.
Das Landeskriminalamt St. Pölten hat bekanntlich hinter dem Rücken der Staatsanwaltschaft Pilnaceks Handy und damit ein Beweismittel aus den Ermittlungen verschwinden lassen und danach hektisch nach dem einzigen noch nicht „gesicherten“ Datenträger gesucht: dem privaten Laptop von Christian Pilnacek.
Anna P. hat ihrerseits den Laptop hinter dem Rücken der türkisen Kriminalpolizisten an sichere Orte gebracht. Einerseits wollte sie bis zum Schluss, dass alles trotz Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft aufgeklärt wird. Andererseits hatte sie vor ihren mächtigen „Freunden“ von Ex-Innenminister Sobotka bis Bundespolizeidirektor Takacs offensichtlich Angst.
Verschwinden lassen
„Lass ihn verschwinden!“ Schon kurz nach Pilnaceks Tod soll Anna P. ihrer Freundin Karin Wurm über diesen Rat des Bundespolizeidirektors zum Laptop berichtet haben. Für ein Treffen am 9. Dezember 2023 bezeugen zwei weitere Personen, dass Anna P. das auch dort gesagt hat.
Wenn sich das weiter erhärtet, hat der Bundespolizeidirektor zugesehen, wie seine Beamten zuerst in Niederösterreich vergeblich nach einem Laptop suchten, und dann trotz besseren Wissens die falschen Leute für dessen Besitz beschuldigt hat.
Von allen Beteiligten ist Anna P. wahrscheinlich unter dem größten Druck gestanden. Wie Karin Wurm glaubte sie nicht an Selbstmord. Der Laptop, den sie geheim weitergab, hat es im Gegensatz zu Handy und Smartwatch als Beweismittel bis zur WKStA geschafft.
Letztlich scheint auch Anna P. ein Opfer der türkisen Polizeimaschine geworden zu sein. Jetzt könnte sie als Beschuldigte der WKStA viel zur Aufklärung beitragen.
Unüberlegt
Am kompliziertesten liegt alles bei Caroline List. Die Pilnacek-Witwe und Gerichtspräsidentin hat persönlich schwer unter dem Geschehen gelitten. Ihre substanzlosen Laptop-Beschuldigungen gegen Krone-Journalist Erich Vogl und mich deuten nicht auf ein kühl kalkuliertes Vorgehen, sondern auf eine ebenso spontane wie unüberlegte Handlung hin.
Immer wieder beteuert List ihre enge Beziehung zu Pilnacek. Ihr kann es nicht egal sein, wenn jetzt Gutachten renommierter Gerichtsmediziner nahelegen, dass Pilnacek getötet worden ist.
List rechtfertigt ihre thermische Vernichtung des Beweismittels „Handy“ mit ihrer Befürchtung, es hätte wieder durch die WKStA mit ähnlichen Folgen wie beim ersten Mal ausgewertet werden können. Als Gerichtspräsidentin musste sie wissen, dass die Vernichtung eines Beweismittels vielleicht persönlich verständlich, aber letztlich inakzeptabel ist.
Caroline List steht noch vor einer Entscheidung, die Karin Wurm längst getroffen hat. Pilnaceks Gefährtin will lückenlose Aufklärung. Anna P. könnte als Beschuldigte der WKStA dazu entscheidend beitragen und zeigen, dass sie zwischen Tätern und Rechtsstaat spät, aber doch eine gute Entscheidung getroffen hat.
Titelbild: Karin Wurm, HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com, EVA MANHART / APA / picturedesk.com, Christopher Glanzl, ERWIN SCHERIAU / APA / picturedesk.com