Montag, März 17, 2025

Raiffeisen steckt mit hunderten Millionen in Putins Kriegswirtschaft

Eine Recherche der Organisation “BankTrack” enthüllt anhaltende Investitionen der russischen Raiffeisentochter in sanktionierte Unternehmen. Nach Kriegsbeginn 2022 pumpte die Bank zudem 28 Millionen Euro in russische Staatsanleihen. 

Auswertungen von BankTrack, einer niederländischen Organisation, die seit über 20 Jahren Aktivitäten führender Banken untersucht, und B4Ukraine zeigen, dass der von Raiffeisen gebetsmühlenartig beschworene Ausstieg aus Russland noch in weiter Ferne liegt. So hat die Raiffeisentochter “OOO Upravlyayushchaya kompaniya Rayffayzen Kapital“ in etwa 335 Millionen Euro in staatsnahe russische Betriebe investiert, die meist direkt oder indirekt mit der russischen Kriegswirtschaft verflochten sind. Sanktionen muss der Raiffeisenkonzern dennoch kaum befürchten.

Skandalöse Geschäfte

Russischen Finanzdokumenten zufolge, die von BankTrack ausgewertet wurden, bietet “Raiffeisen Capital” russischen Privat- und Firmenkunden ein umfassendes Angebot an Investitionsdienstleistungen. Der russische Asset-Manager verwaltet über zehn Fonds ein Gesamtvermögen von etwa 70.9 Milliarden Rubel (stand: Januar 2025). Davon sind etwa 45% in Anleihen und Aktien russischer Unternehmen und Staatsorgane investiert, die wegen ihrer Beteiligung am Ukraine-Krieg unter europäischen oder US-amerikanischen Sanktionen stehen.

Zu den Investitionen der Raiffeisen Capital gehören u.a. Aktien der russischen Öl- und Gasunternehmen Lukoil (2,5 Milliarden Rubel), Gazprom (2,2 Milliarden Rubel) und Rosneft (1 Milliarde Rubel), die zu den wichtigsten Unternehmen der russischen Kriegswirtschaft gehören; Gazprom wurde im Januar vom US-Sanktionsorgan OFAC sanktioniert. 1,6 Milliarden Rubel hat der Asset-Manager ins mehrheitlich staatseigene Finanzinstitut Sberbank investiert, welche seit 2022 unter europäischen Sanktionen steht; die Aktien der russischen Leasinggesellschaft GTLK, welche ebenfalls 2022 zur EU-Sanktionsliste hinzugefügt wurde, haben einen Wert von circa 400 Millionen Rubel.

Beachtlich ist vor allem, dass “Raiffeisen Capital” rund 2,7 Milliarden Rubel (28 Millionen Euro) in russische Staatsanleihen investiert hat, die nach dem 9. März 2022 ausgestellt wurden. Die EU verbietet europäischen Unternehmen explizit den Handel mit Wertpapieren, die nach diesem Datum von der russischen Regierung begeben wurden. Europäische Unternehmen müssen „nach besten Kräften“ sicherstellen, dass ihre nichteuropäischen Töchter diese Regelung einhalten. Insgesamt halten die Fonds von „Raiffeisen Capital“ über 16 Milliarden Rubel an russischen Staatsanleihen.

Bei der Gestaltung seiner Fonds orientiert sich Raiffeisen Capital laut seiner Website „an der Expertise [seiner] österreichischen Kollegen “. Wenn die Muttergesellschaft “Raiffeisenbank International” (RBI) aber immer wieder beteuert, sie pflege rigorose Compliance-Prozesse zum Einhalten europäischer Sanktionsverordnungen, scheint diese Expertise bei der russischen Tochter noch nicht angekommen zu sein.

Raiffeisen in Russland

Die Raiffeisenbank ist die größte in Russland verbliebene westliche Bank, gilt dort als systemrelevant und spült über Steuern rund 400 Millionen Euro jährlich in die russische Staatskassa. Noch im Jahr 2024 erwirtschaftete die RBI mehr als die Hälfte ihres Gewinns in Russland; trotz einer Rückstellung von 840 Millionen Euro dank eines Rechtsstreits mit einem Unternehmen um den Oligarchen Oleg Deripaska konnte RBI in Russland in etwa eine Milliarde Euro einnehmen.

„Man weiß nie hundertprozentig, wer jetzt welche Rüstungs-… also, wir finanzieren ewig schon keine Rüstungsindustrie”, hieß es Anfang Februar von RBI-CEO Johann Strobl in einer Pressekonferenz.

raiffeisen organigramm mit ru capital
Die russische Raiffeisen Capital gehört zur RBI. Bild: ZackZack

Seit über einem Jahr betont die RBI, das Russlandgeschäft drastisch zu reduzieren. Aber Kreditabschreibungen für russische Soldaten, Werbung für “Expansionspläne” in Moskau oder Kundenbeziehungen mit Zulieferern der russischen Rüstungsindustrie werfen Fragen auf. Die Kluft zwischen Wort und Tat scheint bei der RBI in punkto Russland Tradition zu haben.

Mit den Investments konfrontiert gibt ein Sprecher der RBI an: „Die RBI hat klargestellt, dass sie sich mit dem Verkauf ihrer russischen Tochtergesellschaft AO Raiffeisenbank, einschließlich Raiffeisen Capital Russia, aus dem russischen Markt zurückziehen will. Während die RBI an diesem Ausstieg arbeitet, reduziert sie das Russlandgeschäft in Übereinstimmung mit den Anforderungen der österreichischen und europäischen Bankenaufsicht. Weiters weisen wir darauf hin, dass die RBI Richtlinien und Verfahren unterhält, um alle anwendbaren EU-, US- und UK-Sanktionen einzuhalten.“

Regime der Straflosigkeit

Sanktionsverstöße wären nun ein neuer Tiefpunkt, aber nicht sonderlich überraschend. Denn bisher konnte die Bank stets darauf vertrauen, keine ernsthaften Konsequenzen für ihre Russland-Skandale zu fürchten. Wiederholt gab es Rügen von der US-Sanktionsbehörde OFAC, die das internationale Zahlungsgeschäft der russischen Raiffeisen-Tochter schon Anfang 2023 in Frage stellte und im Mai 2024 sogar warnte, die Bank könnte wegen ihres Russland-Geschäftes vom US-Finanzsystem abgeschnitten werden. Strafen blieben aber weitestgehend aus.

Das enge Verhältnis zwischen der ÖVP-dominierten Regierung in Wien und dem ÖVP-nahen Raiffeisenverband erlaubt der RBI großen Spielraum. Der damalige Außenminister Alexander Schallenberg sprach sich schon Anfang 2023, nach der ersten von vielen Verzögerungen in der RBI-Russlandausstiegssaga, gegen ein “ungerechtes” Behandeln der Bankengruppe aus. Bundeskanzler Nehammer fand anderthalb Jahre später ähnliche Worte.

Spätestens als die österreichische Regierung drohte, ein Veto gegen ein EU-Sanktionspaket gegen Russland einzulegen, sollte die Ukraine die RBI nicht von der staatlichen “Liste der Kriegssponsoren” entfernen, war klar, dass den zahlreichen Raiffeisen-Skandalen zumindest in Österreich eher mit Augenzwinkern begegnet wird.  

EU-Samthandschuhe


Auch auf europäischer Ebene ging man bisher eher zurückhaltend mit der RBI um. Privaten Aussagen von EZB-Aufsichtspersonen an Reuters zufolge betrachtet man das Raiffeisen-Geschäft zwar schon lange als hochproblematisch und intransparent, detaillierte Untersuchungen musste die RBI aber noch immer keine befürchten. Sogar als die RBI dubiose Geschäfte mit dem sanktionierten Oligarchen Oleg Deripaska eingehen wollte, um Milliardensummen aus Russland zu holen, hielt sich die EZB zurück. Letztlich scheiterte der Deal nur an der US-Finanzaufsicht.

Zwar erteilte die EZB im April 2024 der RBI die Anordnung, ihr Russlandgeschäft bis 2026 um 65 Prozent herunterzufahren, aber einen dezidierten Plan für den Abzug aus Russland musste die RBI noch immer nicht vorlegen. Stattdessen warnt man immer wieder, ohne dass es zu wirklichen Konsequenzen kommt. Währenddessen rollen die Skandale munter weiter. Kein Wunder: solange sich Wien schützend davorstellt und Brüssel und Frankfurt die Samthandschuhe anbehalten, gibt es für die RBI keinen Grund, Verantwortung zu zeigen.

Es muss Europa sein


Jetzt scheint die RBI politisches Glück zu haben. Kaum liegen handfeste Beweise für die Verstrickung der RBI mit dem russischen militärisch-industriellen Komplex vor, kann Raiffeisen auf die Russland-Nähe der neuen US-Führung hoffen. Selbst wenn sich Friedensverhandlungen in die Länge ziehen, wird das US-Finanzministerium und damit auch die Sanktionsbehörde derzeit von Elon Musk demoliert. Damit zerfällt die einzige Behörde, die der RBI bisher wirklich die Stirn bieten konnte.

Auch wenn der erste Versuch des Raiffeisenverbandes, sich in Österreich mit FPÖ und ÖVP eine prorussische, bankenfreundliche Regierung zu schaffen, scheiterte: Solange die ÖVP an der Regierung beteiligt ist, wird Raiffeisen auch daheim keine Probleme befürchten müssen.


Titelbild: PAVEL BEDNYAKOV / AFP / picturedesk.com, ZackZack, Montage

Autor

  • Max Hammer

    Max Hammer hat Politik und internationale Beziehungen an der London School of Economics studiert, sowie politische- und Wirtschaftssoziologie an der Universität Cambridge. Für BankTrack recherchiert er regelmäßig zu den Geschäftsbeziehungen internationaler Banken.

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

18 Kommentare

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
18 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Pilnacek-Gefährtin Karin Wurm packt aus

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!

buch werbebanner 600x1200 sidebar