Mit allen Mitteln soll der Pilnacek-U-Ausschuss verhindert werden. Aber einiges deutet darauf hin, dass die Mittel der ÖVP diesmal nicht reichen.
Zur Zeit ist schlechter Rat billig. Das erfährt gerade die FPÖ.
Kaum waren die Verhandlungen geplatzt und Herbert Kickl von der Bürde der Volkskanzlerschaft befreit, hatten Abgesandte der ÖVP ihren freiheitlichen Kollegen etwas zu sagen: „Klar wissen wir, dass ihr jetzt einen U-Ausschuss einsetzt. Klar, dass ihr „Corona“ macht, das sind eure Leute. Ihr wisst ja eh, dass das mit dem toten Sektionschef überhaupt nichts bringt.“
Der Rat ist nicht ohne Eigennutz. Die Impfgegner hat Kickl längst im blauen Boot. Mit einem neuerlichen COVID-Ausschuss würde er viele, die ihm aus völlig anderen Gründen den Wahlsieg beschert haben, vor die Köpfe stoßen. Die ÖVP hätte etwas zu lachen.
Beim toten Sektionschef ist das anders. Da gibt es für die ÖVP nichts zu lachen und viel zu befürchten. Christian Stocker wird längst wissen, dass es im Pilnacek-Ausschuss nicht nur um türkise Polizisten und Staatsanwälte in Niederösterreich geht; nicht nur um Sebastian Kurz und Wolfgang Sobotka; sondern auch um Karl Nehammer und ihn selbst. Diese Geschichten kennt Kickl noch nicht. Stocker muss sie kennen, aus einem einfachen Grund: Er war selbst dabei.
Peinlich für SPÖ und NEOS
Es scheint unwahrscheinlich, dass Kickl in die simple ÖVP-Falle tappt. Aber was passiert, wenn die FPÖ den U-Ausschuss spätestens am 24. April eingesetzt hat? Zuerst wird es für SPÖ und Neos unangenehm.
Ohne Not haben sich beide von der ÖVP eine Räuberleiterklausel ins gemeinsame Regierungsprogramm drücken lassen. Wenn die ÖVP im Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats beantragt, den Gegenstand des U-Ausschusses für gesetzwidrig zu erklären und dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung vorzulegen, sind SPÖ und NEOS verpflichtet, mit der ÖVP mitzustimmen. Beate Meinl-Reisinger und Andreas Babler werden sich zum ersten Mal öffentlich winden müssen.
Außer der Blamage der Partner gewinnt die ÖVP damit nicht viel. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet in einem Schnellverfahren. Eine Woche später ist der Ausschuss wieder auf Kurs.
Letzte Kanzler der ÖVP
Dann kommen die Akten und mit ihnen einige große Überraschungen. Etliche der Spuren, die als verwischt gelten, werden wahrscheinlich wieder sichtbar werden. Einiges wird dazukommen, von dem die ÖVP nie dachte, dass es ans Tageslicht kommt. Inmitten vieler spannender Termine stehen die Höhepunkte schon heute fest: die Befragungen der beiden letzten Kanzler der ÖVP.
Für Kanzler Stocker kommt das alles zur falschen Zeit. Anders als Kurz und Nehammer versucht er als letzter Anwalt der ÖVP nur noch zu retten, was zu retten ist. Seine beiden Vorgänger hielten ihre Partner an kurzen Leinen. Stocker sind sogar die Leinen ausgegangen. Seine Koalition ist nicht mehr das Beste aus inzwischen drei Welten, sondern das Eingeständnis, dass die drei nur eines zusammenhält: gemeinsam über die nächste Runde zu kommen.
Nirgends verspricht Stockers Kanzlerschaft Aufbruch und Neubeginn. Nur die SPÖ hat mit Anna Sporrer und Markus Marterbauer neue personelle Akzente gesetzt. Sonst ist alles beim türkisen Alten.
Ein Bekenntnis ersetzt das Reformprogramm: Jeder bekommt sein Stück. Christian Stocker führt keine Regierung. Er teilt nur den Kuchen auf.
Abrechnung mit ÖVP-Regime
In dieser Situation ist der U-Ausschuss das Schlechteste, was der ÖVP zustoßen kann. Mit den öffentlichen Befragungen im September beginnt für die ÖVP eine Zeit, in der mit ihrem 25-jährigen Regime in Polizei und Justiz abgerechnet wird. Staatsanwältinnen und Oberstaatsanwälte werden ebenso gegen ihren Willen zur Aufklärung beitragen wie Polizisten und Polizeigeneräle, die sich bei der Aufklärung der Tötung eines Sektionschefs so verhielten, dass die Spuren zur ÖVP plötzlich nicht mehr sichtbar waren.
Viele in der FPÖ werden dann zum ersten Mal verstehen, warum Herbert Kickl der ÖVP das Innenministerium nicht einmal um den Preis der Kanzlerschaft überlassen wollte. Um Kickls Ministerschaft geht es in diesem Ausschuss ja nicht.
p.s.: Die Vogelgrippe, die gerade die Hühnerpopulationen in den USA vernichtet, verschafft der EU einen überraschenden Trumpf gegen Trump. Der US-Präsident braucht Millionen Eier, um die Osternester seiner Wähler zu füllen. Kurzfristig kann ihm nur Europa aus der Eierfalle helfen. Die passenden Zölle könnten im Eierfall auf unserer Seite des Atlantik eingehoben werden. Trump wird wahrscheinlich erklären, dass ihn Europa bei den Eiern hätte. Das wäre geschmacklos, aber treffend.