Derzeit tut die Regierung eher nichts. Nur im Innenministerium hat man Fahrt aufgenommen: Bundespolizeidirektor Michael Takacs will mein Pilnacek-Buch beschlagnahmen lassen.
„Ja, Martin, wer gibt das Tempo vor? Wer ist der Pacemaker? – Ja, heute noch ich, morgen du, dann gibst du das Tempo vor! – Dann geh ma´s an!“ Das hat Schwung, wie sich der neue Wirtschaftsminister mit einem dünnen Mann in kurzer roter Hose und grünen Schuhen am Anfang der Prater Hauptallee ausmacht, wer demnächst Herzschrittmacher sein soll. Dann laufen beide davon. Bald verdeckt sie ein Insert: „Stay tuned!“
Aus einem Grund, den ich nicht kenne, hat Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer das spontane Treffen als Video auf Instagramm gestellt. Ich befürchte, dass der neue Minister damit die Richtung der neuen Regierung vorgegeben hat. Solange eine Regierung unter Herbert Kickls Führung drohte, haben wir befürchtet, was sie tun. Jetzt geht es eher wieder um Gewohntes: was sie nicht tun.
Ohne Portefeuille
Die Außenministerin nimmt sich nicht die russischen Spionageringe in Wien vor; die Verteidigungsministerin überlegt sich nicht, wo Österreichs Platz in einer gemeinsamen europäischen Verteidigung ist; der Wirtschaftsminister lässt Putins Wirtschaftstrojaner von Industriellen-Präsident Georg Knill und Putin-Spezi Sigi Wolf bis Raiffeisen ungestört weitermachen; der Umweltminister, wer immer das jetzt ist, überlegt sich nicht, gemeinsam mit dem – leider unzuständigen – Staatssekretär im Außenministerium, wie Österreichs Fremdenverkehr durch die drohenden schneelosen Zeiten kommen soll; der Bildungsminister will Handys, aber nicht Religion an den Schulen verbieten.
Wie keine andere verkörpert eine Ministerin das neue Prinzip „Stocker“. Bis heute stellt sie der Kanzler auf der Homepage des Bundeskanzleramts so vor: „Claudia Plakolm wurde am 3. März 2025 von Bundespräsident Alexander Van der Bellen als Bundesministerin ohne Portefeuille angelobt.“
Inzwischen ist Plakolm für Familie, EU und Integration zuständig. Aus ÖVP-Sicht ist das logisch. Die Familie ist der zentrale Baustein von allem, die EU ist auch eine Familie, und bei Integration geht es darum, dass Familien nicht mehr zusammenkommen.
Ein bisschen blöd
Am Währinger Gürtel ist gerade eine Hassprediger-Moschee verboten worden, wie Thomas Hoisl bei uns berichtete. Sie kann als Verein weitermachen, vielleicht ist sie auch eine Art Familie. Plakolm hat dafür jedenfalls noch keine Zeit gehabt, auch, weil sie, wie Christian Nusser in seiner neuen Kopfnuss berichtet, gerade eine Lego-Vespa für ihren Kanzler zusammengebaut hat.
Das klingt alles ein bisschen blöd, und das ist es auch. Beängstigend wird es erst bei zwei Schlüsselministerien: dem für Inneres und dem für Justiz. Damit komme ich zu uns und zu einer heiklen Situation.
Takacs schlägt zu
Michael Takacs war im Kabinett von Innenminister Wolfgang Sobotka der Mann fürs besonders Grobe. „Brauche dich zur Eskalation…wir wissen beide, dass sowas wieder passieren wird… nur dann müssen wir wirklich einen köpfen.“ So erklärte BMI-Kabinettsmitarbeiter Takacs seinem damaligen Kabinettschef Michael Kloibmüller im Dezember 2016, wie er sich Beamte, die bei der Zerschlagung eines Drogenringes Sobotka nicht in den Mittelpunkt gerückt hatten, vornehmen werde.
Jetzt schlägt Takacs wieder zu. Diesmal geht es um unseren Kopf. Michael Takacs ist inzwischen Bundespolizeidirektor. Am 7. Jänner 2025 habe ich ihn ersucht, neun Fragen zu Wolfgang Sobotkas persönlicher Referentin Anna P. zu beantworten:
- Haben Sie mit Anna P. bezüglich des privaten Laptops von Christian Pilnacek gesprochen?
- Wenn ja, wann hat dieses Gespräch stattgefunden?
- Haben Sie ihr einen Ratschlag zum Umgang mit dem Laptop gegeben?
- Haben Sie ihr geraten, den Laptop „verschwinden“ zu lassen?
- Haben Sie Anna P. angeboten, Karin Wurm Einblick in den Pilnacek-Ermittlungsakt des LKA Niederösterreich zu ermöglichen?
- Wer im LKA Niederösterreich hat Sie über Ergebnisse der Pilnacek-Ermittlungen informiert?
- Hatten Sie Zugang zu diesem Akt?
- Haben Sie Wolfgang Sobotka über Ergebnisse der Pilnacek-Ermittlungen des LKA Niederösterreich informiert?
- Haben Sie Sobotka über die Ergebnisse der Pilnacek-Obduktion informiert?
Takacs hat nie geantwortet. Jetzt will er mein Pilnacek-Buch, in dem er als Spitze der Polizei-Befehlskette vorkommt und von Sobotkas Anna P. schwer belastet wird, verbieten und beschlagnahmen lassen.
Post vom Gericht
Lästige Fragen nicht beantworten; lästige Medien mundtot klagen; lästige Bücher beschlagnahmen lassen – das ist die Medienpolitik, die gerade von Ungarn nach Österreich übersiedelt. Wir sind nicht die einzigen, die den neuen Wind spüren. Mit Florian Scheuba hat es einen Kabarettisten erwischt. Der Standard gerät immer öfter ins Visier. Bundeskanzler intervenieren persönlich und völlig offen in ORF und Kronen Zeitung.
Wer brav ist, bekommt legale Inserate. Wer sehr brav ist, bekommt noch ein paar illegale dazu. Wer schlimm ist, bekommt Post vom Gericht. Da waren wir bis jetzt.
Der Versuch, ein Buch zu verbieten, ist der nächste Schritt. Wenn das funktioniert, kann sich der türkise Trupp die erste Zeitung vornehmen.
Die organisierte türkise Polizei verlässt sich dabei wie zu Pilnaceks Zeiten auf ihre Justiz. Unter der Führung der Oberstaatsanwaltschaft Wien bekämpfen Staatsanwälte von Eisenstadt bis Krems statt Korruption Korruptionsbekämpfer. Richter über sich als Zensoren und stellen fest, dass der „durchschnittliche Leser“ das genauso verstehen müsse wie Takacs und seine Weisungskette.
Früher spielte der Paragraf 301 des Strafgesetzbuches mit der „verbotenen Veröffentlichung“ keine Rolle. Er war totes Recht. Jetzt wird mit ihm verfolgt und verurteilt.
Der öffentliche Aufschrei ist kaum hörbar. Wer schnaufend am Inseratentropf hängt, wartet still auf die nächste Flasche.
Die Pilnacek-Runde
Sebastian Kurz verfolgte einen klaren Plan: zuerst die Polizei, dann die Justiz; dann die Medien und erst dann das Parlament. Die Polizei hat die ÖVP geschafft. Über die Affäre „Pilnacek“ ist in der Justiz der Endkampf zwischen den Korruptionsbekämpfern der WKStA und den Aufdeckerbekämpfern der Gegenseite in die nächste Runde gegangen. Innenminister Gerhard Karner steht auf der einen Seite. Justizministerin Anna Sporrer hat sich öffentlich noch nicht entschieden.
Am kommenden Dienstag stehen wir jedenfalls wieder vor Gericht. Pilnacek-Chefinspektor Hannes Fellner versucht, ZackZack mit einer absurden Klage zum Schweigen zu bringen. Diesmal wird er selbst aussagen müssen, und mit ihm die Grazer Gerichtspräsidentin Caroline List.
Beide stehen unter Wahrheitspflicht. Zumindest das ist gut.
p.s.: Mein Pilnacek-Buch, das Polizeichef Takacs verbieten lassen will, gibt es HIER.