Donnerstag, April 24, 2025

Die Hasskultur und ihre Folgen

Rechtsextreme Gewalt geht immer mehr in Terror über. Aber die Kriminellen kommen nicht aus dem Nichts.

Unlängst ist eine mutmaßliche rechtsextreme Terrororganisation aufgeflogen, die perfide Jagd auf schwule Männer machte. Sie erschlich sich unter falschen Angaben auf Partnerschafts-Plattformen Dates mit Männern, um sie dann zu überfallen, zu misshandeln, zu demütigen. Es sind besonders ekelerregende Verbrechen. In einem Fall wird wegen Mordversuch ermittelt. Die kriminellen Taten wurden in mehreren Bundesländern begangen, aber offenbar vornehmlich in der Steiermark. Ein FPÖ-Berater hat dann sogar die Terroropfer als „potentielle Kinderschänder“ beleidigt und die Taten mindestens entschuldigt, wenn nicht sogar gutgeheißen. Mittlerweile hat er sich für diesen Tweet entschuldigt, immerhin. Auch die „Kronen Zeitung“ hat die Truppe als „Pädophilen-Jäger“ verniedlicht.

In Deutschland ist eine rechte Terrorgruppe aufgeflogen, die sich „sächsische Separatisten“ nennt, was sich schön mit SS abkürzen lässt. Die Gruppe hat Anschläge und ethnische Säuberungen geplant, einige der mutmaßlichen Protagonisten sind Funktionäre der AfD. Ein anderer Teil ist in einer bekannten österreichischen Rechtsextremisten-Familie verwurzelt. An der Meldeadresse des damaligen Büroleiters des FPÖ-Nationalratspräsidenten kam es danach zu einer Hausdurchsuchung. Später sind Mails aufgetaucht, die den Herrn mit Teilen der Szene in Verbindung bringen sollen. Erst danach hat er seinen Parlamentsjob verloren, aber als Stadtrat der FPÖ wurde er dennoch angelobt.

Und solche Leute haben Zugang zum Präsidenten unseres Parlamentes, des Parlamentes eines demokratischen Rechtsstaates, der 1945 aus dem Geist des Antifaschismus gegründet wurde.  

Die rasante Radikalisierung der Rechtsextremen

Das sind ganz bestimmt alles nur dumme Zufälle. Alles nur bedauerliche Einzelfälle, unglückliche Fäden an Verbindungen, in die die Leute nur durch Pech hineingeraten sind. Ganz bestimmt.

Reden wir Klartext: Die Selbstradikalisierung der FPÖ in den vergangenen Jahren ist unübersehbar. Die Partei selbst hat sich unter Kickl immer mehr in den rechtsextremen Irrwitz hineingeschraubt. Radikale geben den Ton an. Leute, die weniger radikal waren, haben sich mit der Zeit selbst radikalisiert, entweder weil sie in den Sog dieser Brutalisierung geraten sind, oder weil sie sich an den Zeitgeist in der Partei anpassen. Man kann in der FPÖ aus Opportunismus zum Extremisten werden. Eigentlich irre. Andererseits: Man kennt das von früher. Von vor 1945.

Fakt ist, die FPÖ schafft nicht einmal mehr die Abgrenzung zur rechtsextremen Gewaltszene, und Fakt ist ebenfalls, dass solche Szenen auch immer gefährlicher werden. Nehmen wir nur die mutmaßliche kriminelle oder terroristische Vereinigung – die Ermittlungen sind hier in Gang, 15 Personen sitzen Informationen zufolge in Untersuchungshaft. Seit Jahren wird im ultrarechten FPÖ-Milieu gegen „Woke“, gegen die Schwulen- und Lesbenbewegung, und besonders gegen Minderheiten mit abweichender Geschlechteridentität Stimmung gemacht. Mini-Minderheiten werden zum Feindbild erklärt, getrommelt „es gibt nur zwei Geschlechter“, und um diese Frage, die außer ein paar wenige Betroffene niemanden wirklich berührt, ein irrwitziger Kulturkampf angeheizt. Der wird aus den USA aufgepeitscht, nicht zuletzt von Elon Musk, der vom „Woke-Mind-Virus“ („Woker Gehirnvirus“) labert. Auch im deutschsprachigen Internet hat sich eine regelrechte Medienszene gebildet, die mit Hingabe gegen „Trans“ oder anderer Minoritäten hetzt, die auf perfide Weise sogar zur Gefahr für Kinder erklärt wird. Sogar Demnächst-Kanzler Friedrich Merz hat für einen Skandal gesorgt, indem er Homosexualität und Pädophilie verbunden hat. Es wird hier oft perfide, manchmal sogar nur durch bloße Dummheit eine Stimmung geschürt, die Hate-Crimes dann als Folge hat.

Es gibt nur: Antifaschisten und Faschisten

Ich würde ja sagen: Ja, es gibt nur zwei Geschlechter, nämlich Antifaschisten und Faschisten. Ansonsten soll jeder sein Leben so führen, wie die jeweilige Person am besten glücklich wird. Wie schon Friedrich der Große sagte: „Jeder soll nach seiner eigenen Fasson glücklich werden.“

Zweifelsohne gibt es in den sogenannten woken Szenen die eine oder andere Überspanntheit, und auch ein paar Spinner und Nervensägen. Aber das ist nicht der Punkt.

Erschütternd ist vielmehr: Wenn über Jahre hinweg die niedrigsten Instinkte geschürt werden, der Hass auf Woke, auf Schwule, auf Lesben, wenn eine Stimmung gegen jene angeheizt  wird, die von der Mehrheit abweichende Lebensformen haben, wenn sich nicht einmal mehr die ÖVP zu schade ist, mit dem dümmlichen Slogan der „Normalen“ Stimmung zu machen, also die Differenz der „Normalen“ und „Anormalen“ wieder als Begrifflichkeit von Polemik einzuführen, dann braucht man sich nicht wundern, wenn verrückte Extremisten auch zur Gewalt aufgeganselt werden. Nicht jeder, der in den Sog der Hass-Ideologie gerät, wird zum Terroristen, aber jeder Terrorist ist von dieser Hass-Ideologie inspiriert.

Es beginnt mit Diffamierung, geht über in Hass und endet mit Gewalt und Terror. Es ist immer so. Genauso in diesem Fall. Der Terror kommt nicht aus dem Nichts, sondern aus einem Klima, das erst Hass legitimiert und dann zu Gewalt führt.

Auffällig ist freilich: Wenn eine Islamistenzelle auffliegt, dann gibt es immer gleich Sondersendungen und TV-Berichte in Endlosschleife und der Innenminister wirft sich in Szene und gibt eine aufgeregte Pressekonferenz. Bei rechten Terrorgruppen ist die Aufregung und Aufmerksamkeit aber endenwollend.

Wenn alles auf die schiefe Bahn gerät

In den USA geht heute schon ein eiserner Vorhang der Unfreiheit herab. Eine lange Liste von Begriffen wurde von der Trump-Regierung aufgesetzt, die nicht benützt werden dürfen. Darunter Worte wie „Rassismus“ und „Vielfalt“. Selbst auf den Universitäten dürfen die unerwünschten Worte nicht mehr benützt werden, ansonsten gibt es Probleme mit der Forschungs-Finanzierung. Es wird immer verrückter: In einzelnen US-Bundesstaaten versuchen rechte Republikaner schon eine Frisur-Diktatur durchzusetzen. Jungen dürfen keine Mädchenfrisuren mehr tragen, Mädchen keine Jungenfrisuren, so ein Gesetzesentwurf in Arkansas. Wer einem Mädchen kurze Haare schneidet, soll verklagt werden können. Wie lang braucht es noch, bis der Bubikopf bei Frauen verboten wird – und Audrey Hepburn-Filme nicht mehr gezeigt werden dürfen, weil sie eine unfeminine Frisur hatte?

Die radikalen Rechtsparteien gehören rigoros isoliert, das wird auch an dieser gefährlichen Entwicklung deutlich. Denn die Grenzen zur Gewaltszene verschwimmen immer mehr. Die FPÖ hat sich bekanntlich schon vor Jahren den Identitären geöffnet – und das nicht einmal heimlich und verschämt, sondern mit großem Tamtam.

Jeder mit Augen im Kopf sieht, wohin es führt, wenn man einmal auf der schiefen Bahn ist.

Das Ziel muss für die nächste und mittlere Frist sein, die FPÖ wieder aus allen Landesregierungen zu bringen. Die ÖVP koaliert immerhin in fünf Bundesländern mit dieser Partei.

Zieht endlich eine Grenze zur rechtsextremen Hasskultur. Wir müssen das Land vom Gift des Hasses befreien und letztendlich auch die rechten Radikalen von ihrem Hass.


Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Robert Misik

    Robert Misik ist einer der schärfsten Beobachter einer Politik, die nach links schimpft und nach rechts abrutscht.

LESEN SIE AUCH
webseite banner 2000x400

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

35 Kommentare

35 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Swarovski in Russland

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!

buch werbebanner 600x1200 sidebar