Wenn Trump Grönland und damit Dänemark militärisch angreift, steht Europa vor neuen Fragen – und Österreich vor neuen Panzerkäufen.
Ich schreibe heute über ein Thema, von dem die ÖVP nicht mehr viel versteht: über Sicherheit. Die „innere Sicherheit“ lasse ich dabei aus, auch, weil der politische Zustand der Polizei demnächst wahrscheinlich einen Untersuchungsausschuss beschäftigen wird.
Mir geht es um die äußere Sicherheit und damit um die einzige militärische Gefahr, die Europa und mit ihm Österreich derzeit droht. Nein, es geht ausnahmsweise nicht um das russische Heer, das nicht einmal in der Lage scheint, die militärisch schwache Ukraine erfolgreich zu überfallen. Es geht um die USA.
US-Angriff auf Dänemark
Niemand weiß, ob und wann Donald Trump den Befehl zum militärischen Angriff auf Grönland und damit auf Dänemark geben wird. Aber mit der ebenso unangemeldeten wie unerwünschten Inspektion der US-Truppen auf Grönland hat dessen Vizepräsident klargemacht, dass es jederzeit losgehen kann.
Wenn US-Truppen in Grönland Dänemark und damit ein NATO-Mitglied militärisch angreifen, tritt automatisch Artikel 5 des NATO-Vertrags in Kraft.
300.000 Soldaten
Was dann passiert, beschreibt das deutsche Verteidigungsministerium: „Um zügig auf einen möglichen Angriff auf das Bündnisgebiet reagieren zu können, verfügt die NATO über schnelle Einfreifkräfte zu Land, zu Wasser und in der Luft. Alle Mitgliedstaaten stellen Truppen zur Verfügung.” Beim NATO-Gipfel in Madrid wurde 2022 die Aufstockung dieser schnellen Eingreifkräfte auf rund 300.000 Soldatinnen und Soldaten beschlossen.
Wie funktioniert jetzt eine „alliierte Reaktion“, wenn es gegen die USA geht? Der Wurm liegt in letzten Satz des Zitats: „Alle Mitgliedstaaten stellen Truppen zur Verfügung.“ Die meisten davon kommen aus den USA.
US-General gegen USA?
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wurde aus der NATO-Response Force die „Allied Reaction Force“. Ihr neues Hauptquartier liegt im italienischen Solbiate Olona in der Lombardei. Ihr Kommandeur ist ein italienischer Generalleutnant. Dessen Chef ist der SACEUR, der Militärkommandant der NATO in Europa. Bevor Christopher Cavoli das Kommando übernahm, war er Kommandierender General des US-Großverbands United States Army Europe and Africa.
In Bulgarien, Deutschland, Griechenland, Italien, dem Kosovo, Polen, Rumänien und Spanien halten die USA militärische Stützpunkte, allein 19 davon in Deutschland und zehn in Italien. 37.000 US-Soldaten warten in Deutschland auf ihre Einsätze. Im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz sind geschätzt rund 20 taktische US-Atomwaffen stationiert. Wenn Trump den Befehl zum militärischen Angriff auf das dänische Grönland gibt, steht ein US-General als SACEUR vor der Frage, welchen Befehl er den NATO-Truppen gibt.
Neiche Paunza?
Jetzt mache ich einen großen Sprung nach Wien ins Verteidigungsministerium. Dort sitzt mit Claudia Tanner eine ÖVP-Funktionärin, die ihr Handwerk beim Bauernbund in Niederösterreich gelernt hat. Ich befürchte, dass die Fragen der Ministerin an ihre Generäle derzeit etwa so klingen: „Wos brauch ma denn jetzt? Neiche Paunza? Oda Fliega?“
Bevor sie sich diesen kostspieligen Fragen widmet, müsste die Verteidigungsministerin gemeinsam mit dem Bundeskanzler und der Außenministerin zuerst
- die neue Bedrohung erkennen
- darauf eine politische und militärische Antwort finden
- klären, was hier unser Bundesheer tun kann und
- dann Finanzminister und Nationalrat im Detail erläutern, in was sie hier investieren will und was das kostet.
Eines ist jedenfalls klar: Eine Antwort auf die doppelte Gefahr, die Europa von Moskau und Washington droht, kann nur von der EU kommen. Egal, was jetzt schnell und planlos in das Bundesheer investiert wird – unser Heer kann weder Putin noch Trump ernsthaft etwas militärisch entgegenstellen. In Wien geht es zu Land und in der Luft um bloße sicherheitspolitische Kosmetik. In Zeiten, in denen das Geld für Bildung, Forschung, Gesundheit und Infrastruktur fehlt, sollte Sicherheitskosmetik auf der Prioritätenliste schnell ganz nach unten gereiht werden.
Die Frage, die Tanner, Stocker und Meinl-Reisinger zuerst beantworten müssen, lautet: Wenn eine fremde Macht ein Mitglied der EU angreift – was tut Österreich? Auf diese Frage ist von Wien bis Brüssel niemand vorbereitet.
US-Abzug
Mittelfristig lautet die Antwort wohl „eine gemeinsame europäische Verteidigung“ ohne Truppen der USA. Kurzfristig scheint es keine geeignete militärischen Antwort auf eine amerikanische Aggression zu geben.
Genau in solchen Situationen haben nicht paktgebundene, neutrale Staaten wie Österreich besondere Möglichkeiten und damit besondere Verpflichtungen. Ein Kanzler wie Bruno Kreisky hätte die Gefahr und in ihr auch die Chancen für etwas Neues erkannt. Er hätte festgestellt, dass die Nachkriegszeit jetzt auch in Westeuropa zu Ende geht und nach den russischen auch die amerikanischen Truppen aus Europa abziehen werden. Dann hätte er Vorschläge gemacht.
Aber vielleicht überrascht Christian Stocker gemeinsam mit Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger uns alle.
p.s.: (Ergänzung um 10.00 Uhr) Wenn Trump Grönland ohne großen internationalen Widerstand überfallen und annektieren kann, hat Putin nicht nur in der Ukraine gewonnen. Als nächstes ist dann Taiwan an der Reihe. Und dann…