Freitag, April 18, 2025

Fäßler gegen Fässler

Erstmals hat Österreichs zehntgrößte und Vorarlbergs größte Stadt einen SPÖ-Bürgermeister. Markus Fäßler setzte sich in der Stichwahl gegen Julian Fässler eindeutig durch. Eine interessante und in Sachen Infrastrukturpolitik wohl vielsagende Entscheidung, die in der Presse leider rein parteipolitisch abgehandelt wird.

Man kann es nicht oft genug sagen: Die Entwicklung der Kleinstädte ist der wichtigste Indikator für die politische Stimmungslage. Und: Es ist einfach nicht so, dass Kleinstädte, wenn sie ihrer konservativen Regierungen müde sind, automatisch nach rechts driften. Jüngstes Beispiel: Dornbirn.

Dornbirn ist, als zehntgrößte Stadt Österreichs und größte Stadt Vorarlbergs, im Grunde keine Kleinstadt mehr. Ich habe dort jedes meiner Bücher kurz nach Erscheinen präsentiert. Die Stadtbibliothek Dornbirn ist ein europäisches Vorzeigemodell; und das nicht nur, was das Gebäude und das Medienangebot betrifft. Dort kümmert man sich auch vorbildhaft um Literaturvermittlung. Aber auch Infrastruktur, Verkehr, Lokalszene und Wohnbau in Dornbirn können sich sehen lassen. Nun hat sich dort Markus Fäßler (SPÖ) gegen Julian Fässler (ÖVP) bei der Bürgermeisterstichwahl deutlich durchgesetzt. Für Vorarlberg Online eine Sensation (bei leider sehr niedriger Wahlbeteiligung):

Nach einem spannenden Wahlkampf ist die Entscheidung gefallen: Markus Fäßler (SPÖ) wird neuer Bürgermeister von Dornbirn. In der Stichwahl setzte er sich gegen Julian Fässler (ÖVP) durch – und markiert damit einen historischen Moment: Erstmals seit Jahrzehnten übernimmt die SPÖ das Amt in der größten Stadt des Landes. Die Wahlbeteiligung lag bei 43 Prozent.

Verdichtung der Stadtkerne oberstes Gebot

Eine der wichtigsten Botschaften ist wohl, dass die gemeinnützigen und genossenschaftlichen Modelle beim Wohnen zukunftsweisend sind. Wo man lebendige Stadtkerne gestalten will, ist Verdichtung, die sinnlose Mobilität und Zersiedelung eindämmt, oberstes Gebot. Vorarlberg Online weiter:

Der Wahlkampf wurde von drei Kernthemen geprägt: Sicherheit rund um den Bahnhof, leistbares Wohnen und der dringend nötige Neubau der Volksschule Forach. In vielen Punkten lagen Fäßler und Fässler nahe beieinander – etwa bei der Einschätzung zur Schulbauverordnung oder zur Notwendigkeit von Investitionen in die Sicherheit. In der Wohnbaufrage gab es jedoch klare Unterschiede: Fäßler kritisierte die Stagnation im gemeinnützigen Wohnbau und forderte neue Modelle wie Genossenschaftswohnen und mehr Verdichtung bestehender Flächen. Julian Fässler hingegen hob die bestehenden Kooperationen mit Wohnbauträgern hervor.

In der Tageszeitung Der Standard hat angesichts dieser Wahlentscheidung der Chefredakteur Gerold Riedmann selbst zur Feder gegriffen:

In Dornbirn, einst auf Briefmarken als “Gartenstadt Vorarlbergs” beworben, ist das Vertrauen in die ÖVP erstmals seit 1945 verwelkt. Dass Dornbirn vom SPÖ-Kandidaten Markus Fäßler so überwältigend klar erobert werden konnte, spricht Bände über den Zustand der Volkspartei in Vorarlberg. Die ÖVP hatte seit Jahren ein veritables Bürgermeisternachfolgeproblem, das nicht ausreichend adressiert worden ist. Die Landeshauptstadt Bregenz ging schon vor fünf Jahren an Michael Ritsch (SPÖ), dieses Mal konnte nicht einmal der ehemalige ÖVP-Landtagsklubobmann den SPÖ-Bürgermeister in eine Stichwahl zwingen.

Visionslose Volkspartei

Ein bisschen viel Trauerminute und Nostalgie. Denn um ehrlich zu sein: Wenn die Demokratie keimt, wie Riedmann es bezeichnet, können und müssen wir heilfroh sein. Sehr recht hat der Autor damit, dass konservative Politik von heute wenig Visionen und Ideen und wenige positive Statements parat hat – das beginnt im Bund bei Karl Nehammers einistigen Plänen für Österreich 2030, geht über die Landespolitik, wo der nur mehr schwer tragbare Landeshauptmann Vorarlbergs seinem Land und seiner Partei schadet, und endet bei der Volkspartei in den Kommunen:

Die Vorarlberger Ortsvereine der ÖVP haben es ihrem Landeshauptmann gleichgetan: die Stimmenrückgänge akzeptiert, einfach weitergemacht und sich damit auf der Machtbasis der Vergangenheit ausgeruht. Jetzt büßt die ÖVP in Vorarlberg ihre Basis, ihre Verwurzelung, ein. Es keimt die Demokratie aus der schwarzen Verkrustung. Die SPÖ und mit ihr der neue Dornbirner Bürgermeister Markus Fäßler hat nun die Chance, Vorarlbergs größte Stadt zum Blühen zu bringen.

In anderen Medien wie Die Presse, KURIER, Kleine Zeitung und Orf.at finden sich nur nüchterne Wiedergaben der Wahlergebnisse. Das ist interessant, symptomatisch und ein wenig schade. Denn ich glaube, dass die westeuropäischen Städte mit einem durchaus vielschichtigen und breiten politischen Spektrum eine demokratische Lebendigkeit zeigen, die nicht einfach übergangen werden sollte.

Demokratische Lebendigkeit der Städte

In den Städten muss täglich über die Weiterentwicklung von Infrastruktur, Wohnen, Mobilität und die Gestaltung von Bildungseinrichtungen entschieden werden. Schade, dass man über Markus Fäßlers Ideen dazu nichts erfährt. Vorarlberg Online sagt er nur, dass er zunächst einmal ein Bierle trinken wird. Sein Kontrahent von der ÖVP ist bereits zurückgetreten. In einem Posting unter dem Artikel, der diesen Rücktritt auf Vorarlberg Online verkündet, findet sich aber doch ein Hinweis darauf, dass infrastrukturelle Fragen wohl entscheidend waren. Dort schreibt jemand:

100‘000e für Prüfverfahren, Ego-Studien, oder einfach um den politischen Mitbewerber alt aussehen zu lassen, aber Kindergärten die simpelsten Anschaffungen, oder Geld für Verbrauchsmaterial streichen, sofern nicht eh schon die Eltern direkt dafür bezahlen. Damit es mit der „Eigeninitiative“ ja nicht zu sehr ausufert und engagierte Pädagoginnen, auch ohne Mittel ein zu gutes Programm zusammenstellen, Verbote aussprechen. (Nur ein Beispiel)

Ihr wundert Euch, das Euch die Bürger und auch die eigenen Gemeindeangestellten aus dem Rathaus gewählt haben? Was für eine Hybris, was für eine Selbstgefälligkeit, was für eine Überheblichkeit!

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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