In seinen ersten Wochen an der Spitze des Finanzministeriums hat Markus Marterbauer mit fachlicher Kompetenz beeindruckt. Jetzt zeigt er, dass er auch Parteibuchwirtschaft kann.
Versuchen wir uns Folgendes gemeinsam vorzustellen: Im geheimen Sideletter der Regierung wird vereinbart, dass die Leitung der Herzchirurgie am Wiener AKH der ÖVP zusteht. Der ÖVP-Obmann lässt die Gesundheits-Staatsekretärin der SPÖ wissen, dass die Wahl der Partei auf Karl Nehammer gefallen ist. Am 1. April bestätigt die SPÖ-Politikerin, dass Nehammer übernimmt.
Ab 1. Mai will Nehammer operieren. Die Entscheidung, ob er auch Transplantationen durchführt, ist noch nicht gefallen.
Natürlich ist das eine Aprilgeschichte, weil sogar Karl Nehammer klar ist, dass er das nicht kann. Gestern, am 1. April 2025, ist er wohl auch deshalb nicht zum Chef der Chirurgie, sondern zum Vizepräsidenten der Europäischen Investitionsbank bestimmt worden. Markus Marterbauer hat als Finanzminister genau gewusst, dass Nehammer das nicht kann. Er ist für einen führenden Job in einer Bank ebenso wenig qualifiziert wie für einen Platz am OP-Tisch.
Altlast Nehammer
Der Altkanzler ist eine Altlast. Für seinen geräuschlosen Rückzug im Jänner schuldet ihm seine Partei einen Posten. Der Finanzminister übernimmt die Position der ÖVP, dass das Direktorium der EIB kein Leitungsgremium, sondern eine Deponie ist.
Warum verhält sich der neue Finanzminister schon wenige Wochen nach seiner Angelobung wie ein Altpolitiker? Die Antwort findet sich im Sideletter, den ÖVP, SPÖ und NEOS im Gegensatz zu ihren Vorgängern teilweise öffentlich ausgehandelt haben. Dort steht, welcher Posten welcher Partei zusteht. Damit bleibt die Grundregel der Regierungsposten bestehen: Das Parteibuch ersetzt die Qualifikation. Punkt, aus.
Geforderte Qualifikationen
Aber was steht im Regierungsprogramm? „Als Koalitionspartner vereinbaren wir, dass diese
Besetzungen transparent, objektiv aufgrund der gesetzlich geforderten
Qualifikationen und frei von Diskriminierung jedweder Art im Interesse der
betreffenden Organisation und des Landes erfolgen.“ Die „geforderten Qualifikationen“ finden sich auf der Homepage der EIB.
Das erste Kriterium betrifft die „Staatsangehörigkeit“. Hier hat auch Finanzminister Marterbauer festgestellt, dass es von Nehammer erfüllt wird:
Das zweite Kriterium betrifft „Sprachen“. Hier fällt Nehammer glatt durch:
Doch vielleicht hat sich Nehammer als Bundeskanzler besondere Qualifikationen in den Hauptbereichen der EIB erworben? Ein großer Teil der EIB-Mittel fließt in „grüne“ Investitionen. „Seit 2021 hat die EIB-Gruppe grüne Investitionen von 563 Milliarden Euro auf den Weg gebracht.“ Nehammers Kernkompetenz als Bundeskanzler lag genau in der Verhinderung dieser Investitionen. Auch sachlich gibt es für die EIB kaum eine schlechtere Wahl als den Altkanzler der ÖVP.
Alles wurscht
Aber da steht noch etwas im Koalitionsabkommen: Im Vorfeld der jeweiligen Entscheidung durch die Eigentümervertreterin bzw. den Eigentümervertreter streben wir in der Koalition wechselseitig einen aktiven Austausch über die Besetzung an.
Wahrscheinlich muss man sich das so vorstellen:
ÖVP: Wir wollen den Nehammer.
Finanzminister (FM): Aber das ist eine Bank.
ÖVP: Wurscht.
FM: Aber er hat keine Ahnung vom Bankwesen.
ÖVP: Wurscht.
FM: Aber er kann nur schlecht Englisch und Französisch überhaupt nicht.
ÖVP: Wurscht.
FM: Wie soll ich das erklären?
ÖVP: Wurscht.
Damit, nehme ich an, war der „aktive Austausch über die Besetzung“ beendet und Nehammer Vizepräsident einer Bank, in der er keine Chance auf einen Posten auf der Vorstandsebene hätte.
Aber das scheint, wie gesagt, wurscht. Auch für Markus Marterbauer, der zu seinen hohen Qualifikationen in Finanzen, Budget und Volkswirtschaft seit dem 1. April auch praktische Kenntnisse in Parteibuchwirtschaft nachweisen kann.
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