Donnerstag, April 24, 2025

Vor dem Pilnacek-U-Ausschuss: Anpatzer mit Schmuddelpartei

Der türkise Damm hat Risse. Die ÖVP sitzt dahinter und weiß, was mit dem Pilnacek-U-Ausschuss droht.

Was haben sie nicht alles probiert? Man meine es ja nur gut mit der FPÖ, sie solle sich nicht auf die Pilnacek-Verschwörungstheorien einlassen, ein zweiter COVID-U-Ausschuss, das wäre doch die Sache… Nach den Freunden aus der ÖVP kamen deren Journalisten. Erst vor wenigen Tagen erklärte Klaus Hermann noch in der Kronen Zeitung: „So reift nun die Idee, die Schuld am Finanzdesaster in einem parlamentarischen U-Ausschuss zu ergründen. „Krone“-Innenpolitik-Leiterin Ida Metzger kommentiert das heute, es müsse in so einem Ausschuss untersucht werden, „wo und warum beim Controlling der Staatsfinanzen versagt wurde“. Und vor allem auch: Wer versagt hat.“

Die Idee ist nicht weit über die ÖVP und ihre Familienjournalisten hinausgereift. Es hat nichts genützt. Jetzt steht der Pilnacek-Untersuchungsausschuss kurz bevor. Plötzlich herrscht Aufregung. Sie hat drei Seiten.

Die eine vertritt der langjährige Standard-Redakteur Thomas Mayer. Wer dafür ist, dass die FPÖ den Ausschuss einsetzt, landet seiner Ansicht nach in „schmuddeliger Gesellschaft“.

grafik

Von der anderen Seite hallt es so zurück:

grafik

Eine rechte Schmuddelpartei setzt also wegen des Buches eines linken Anpatzers einen Untersuchungsausschuss ein. Das geht klarerweise gar nicht, weil erstens nur Parteien, die jeden Anstandstest bestehen, U-Ausschüsse einsetzen dürfen und zweitens Linke nicht mit Rechten dürfen und Rechte nicht mit Linken – außer, die Rechten heißen „ÖVP“.

Ich sehe das anders, aus mehreren Gründen.

Grund 1: Warum jetzt?

Der Fall „Pilnacek“ hätte bereits 2023 geklärt werden können. Damals ging es „nur“ um eine Todesursache. Hätten Staatsanwaltschaft Krems und Landeskriminalamt St. Pölten ernsthaft ermittelt und dazu alle Spuren verfolgt, wüssten wir heute mehr:

  • über die Todesursache;
  • über Pilnaceks letzte Kontakte;
  • und über ein Treffen mit ihm mitten in der Nacht zum 20. Oktober 2023 unmittelbar vor seinem Tod.

Wir wüssten, dass es nicht Selbstmord war, und vielleicht wüssten wir längst wesentlich mehr.

In Krems und in St. Pölten hat man sich anders entschieden. Dort werden seither statt möglicher Täter Aufdecker verfolgt.

Die WKStA steht wie bei Ibiza als einzige auf der Seite von Rechtsstaat und Korruptionsbekämpfung. Seit einem Jahr verfolgt sie erste Pilnacek-„Ermittler“ wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs. Wie bei Ibiza weiß man auch jetzt in der WKStA, dass man den Rücken nicht frei hat.

Der Kriminalfall „Pilnacek“ hat sich längst zu einer politischen Affäre ausgewachsen. Von den Hauptakteuren bis zu den Nebeln, die geworfen werden, ist alles türkis. Nach wie vor wird dort vertuscht, behindert und „daschlogn“. Der Innenminister schaut auf seine Familie. Die Justizministerin bereitet ihre Entscheidung wohl noch vor.

Im Fall „Pilnacek“ scheint die Regierung gelähmt. Was hier passiert ist, kann nur das Parlament untersuchen.

Grund 2: Aufklärung oder nichts

Ein Viertel der Abgeordneten, das schreibt der Artikel 53 der Bundesverfassung für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses vor. NEOS und SPÖ haben sich für kommende U-Ausschüsse im Regierungsprogramm an die ÖVP fesseln lassen. Die Grünen sind zu klein. Nur die FPÖ kann aus eigener Kraft den Pilnacek-Ausschuss einsetzen.

Die Entscheidung lautet also: Pilnacek-Untersuchung mit den Stimmen der FPÖ – oder keine Untersuchung. Mir fällt sie leicht: ja, her mit dem Ausschuss, weil wir ihn brauchen. Es stimmt, Herbert Kickl war als Innenminister genau das Gegenteil des politischen Unschuldslamms. In seinen zwei Ministerjahren hat er einiges angerichtet.

Doch der Vergleich mit den 22 Jahren der ÖVP macht mich sicher. Seit der Wende im Jahr 2000 haben acht Innenminister der ÖVP Polizei und Ministerium umgefärbt und aus einer Kriminalpolizei, die Verbrecher verfolgt hat, einen politischen Putztrupp der ÖVP gemacht.

Neben der Volkspartei sind es gut organisierte Oligarchen und Kriminelle, die von der parteipolitischen Beschädigung der inneren Sicherheit profitieren.

Vor fast vierzig Jahren hat die parlamentarische Untersuchung des Falls „Lucona“ ein rotes Netzwerk aus Ministern, Gerichtspräsidenten und Spitzenpolizisten ans Tageslicht gebracht. Es ist in der Folge zerschlagen worden. Vierzig Jahre später bietet die Untersuchung der Affäre „Pilnacek“ eine vergleichbare Chance in türkis.

Damals hat niemand in der SPÖ verstehen wollen, warum ich, was die parlamentarische Kontrolle anlagt, ein bekennender Farbenblinder bin. Heute entrüstet man sich im Umfeld der ÖVP. Damit lebe ich gut.

 Grund 3: die Angst der ÖVP

„Der Kloibmüller sagt immer, wenn der Pilnacek auspackt, haben wir ein Problem.“ Der Satz über Michael Kloibmüller, Wolfgang Sobotkas mächtigen Kabinettschef im Innenministerium, war am berühmten Pilnacek-Tape gut zu hören.

Das Problem, das die Partei der Parteipolizisten, Parteistaatsanwälte und Parteijournalisten mit Pilnaceks Nachlass bekommt, scheint noch größer. In der ÖVP weiß man, dass der Damm, der die Partei seit 25 Jahren schützt, tiefe Risse hat. Von Wolfgang Sobotka und Sebastian Kurz bis Christian Stocker und Caroline List droht eine Zeugenliste mit Dammbruchpotential.

Das sind gute Nachrichten. Also werde ich das tun, was ich am liebsten tue: die parlamentarische Aufklärung unterstützen.

Zum Abschluss erlaube ich mir noch einen Hinweis: SPÖ und NEOS müssen der ÖVP ja nicht die Mauer machen. Ein Wort von Beate Meinl-Reisinger und Andreas Babler würde reichen, um etwas zu bekräftigen, was in der Bundesverfassung steht: dass die Abgeordnete frei sind, zumindest, wenn es um die Kontrolle von Korruption, Parteibuchwirtschaft und den Missbrauch der Polizei für eine Partei geht.

p.s.: Polizei-General Takacs und Kripo-Chef Pfandler wollen mein Pilnacek-Buch beschlagnahmen lassen. Bei uns im Zack-Shop gibt es nur noch 53 Stück.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

LESEN SIE AUCH
webseite banner 2000x400

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

66 Kommentare

66 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Swarovski in Russland

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!

buch werbebanner 600x1200 sidebar