Samstag, April 26, 2025

Nicht kooperieren! Nicht kaufen!

US-amerikanische Betriebe und Produkte zu boykottieren, ist eine sinnvolle Form des Widerstands gegen die Oligarchie und die Zerschlagung der Demokratie, die von den USA heute ausgehen. Wir können als Konsumentinnen und Konsumenten den Trumpismus entscheidend schwächen – auf friedliche Art und Weise.

Im Jahr 1919 rief Mohandas Kharamchand Gandhi das non-cooperation movement aus; die Aufforderung, die damalige Britische Kolonialmacht zu boykottieren, in dem man britische Produkte nicht kaufte und britische Betriebe nicht durch seine Arbeitskraft unterstützte. Gandhi war sein Leben lang von friedlichen Formen des Widerstands beseelt und überzeugt. Seine Ideen sind bis heute wichtig, weil sie auf klaren Grundsätzen basieren und auf passivem Widerstand als wichtigster demokratischer Oppositionsform beharren.

Heute sollte man seine Idee wieder aufgreifen. Eine Nicht-Kooperation mit den USA, der Nicht-Konsum US-amerikanischer Produkte ist in der jetzigen Lage eine sinnvolle und für jede und jeden machbare Form des Widerstands. So kann man die Oligarchie entscheidend schwächen.

Boykott der Oligarchie

Ich werde jetzt nicht auf die Diskussionen eingehen, die seit Tagen und Wochen die europäischen Feuilletons blockieren: ob Trump, Musk, Bezos, Thiel und andere Faschisten sind oder nicht. Die Terminologie ist reine Ablenkung. Wie man sie auch etikettiert: Trump, Musk, Bezos, Thiel u.a. sind Rassisten, gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau, sie unterstützen Rechtsextreme und Demokratiefeinde in aller Welt mit hohen Geldsummen, sie bekämpfen Menschenrechte und Meinungsfreiheit und zerstören Sozialstaat, Kultur und Wissenschaft. Sie sind Feinde des Volks. Und der Kampf unserer Zeit ist der Kampf gegen die beginnende Oligarchie und für die Volksherrschaft.

Nun gibt es gegen Boykott immer zahlreiche Einwände, aber meist nur ein einziges Hindernis: die eigene Bequemlichkeit. Das Leben in der Oligarchie wird aber noch viel unbequemer sein. Ich bitte auch zu bedenken, dass solche Boykotte, auch wenn sie nicht lückenlos sein können, schon dann Wirkung erzielen, wenn sie einen sichtbaren Effekt auf Verkaufszahlen und Wirtschaft in den USA haben. Daher möchte ich, nach vielen Gesprächen darüber, im Folgenden die Argumente entkräften, die einem solchen Boykott oft entgegengehalten werden.

Argument 1: Der Boykott trifft die falschen, nämlich die sogenannten kleinen Leute

Wäre dieses Argument valide, könnte man nie etwas gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse tun. Wenn z.B. Amazon wieder ein Logistikzentrum schließt, weil sich dort eine Arbeitnehmervertretung formiert hat und die Einhaltung legaler Beschäftigungsverhältnisse fordert, so erfahren das die meisten Kundinnen und Kunden gar nicht.

Über Jahrzehnte haben wir zugelassen, dass Konzerne, die von der Produktion über die Logistik bis zur Zustellung in jedem Bereich Gesetze nicht einhalten, jährlich, monatlich und täglich ihre Gewinne steigern. Hier muss die demokratische Gesellschaft umkehren und sich dem entgegenstellen. Wer US-Konzerne heute boykottiert, fordert von den Oligarchen vor allem eines: die Einhaltung von Gesetzen. Eine Forderung, die eine Selbstverständlichkeit sein sollte – es aber leider längst nicht mehr ist.

Argument 2: Man kann nicht sagen, was ein US-amerikanisches Produkt ist und was nicht

Das ist natürlich ein valider Punkt: Niemand weiß, ob Tesla ein chinesisches, südafrikanisches oder US-amerikanisches Fahrzeug ist. Bei vielen Produkten wird eine zu hundert Prozent eindeutige Herkunft nicht feststellbar sein. Es wäre aber Unsinn, das Kind mit dem Bad auszuschütten und deshalb das naheliegende Ziel aufzugeben: Vor allem die Brown-Noser, die Donald Trump umgeben und die erstmals in der Geschichte der USA als nicht vom Volk Gewählte und somit ohne politisches Mandat Politik machen, müssen das Ziel klaren Boykotts werden. Die demokratische Gesellschaft muss ihnen klar machen, dass ihr Reichtum kein politisches Amt impliziert.

Begonnen hat der Widerstand hier ja schon mit der Abwanderung von Twitter (und man verlange von mir nicht, jetzt einen Buchstaben des Alphabets durch Nennung in Klammer zu beleidigen). Twitter ist ein Propagandamedium und kein Nachrichtendienst. Der sofortige Ausschluss der Opposition in der Türkei nach der Verhaftung von Ekrem İmamoğlu zeigt, dass der Betreiber von Twitter von free speech redet und das Gegenteil betreibt: Zensur und Manipulation. Bitte löscht Euren Twitter-Account! Das Argument, man dürfe das Medium nicht alleine den Rechten überlassen, zieht nicht. Denn die Rechten sperren einen ohnehin, wenn man unliebsam wird. Zweitens wird Twitter völlig uninteressant: Es ist nur mehr ein Tummelplatz von Rechtsextremen und Idioten und verliert jeden Wert und jede Bedeutung. Helft mit, dass es noch viel unbedeutender wird!

Argument 3: Die anderen sind nicht besser

Auch hier ist natürlich ein wichtiger Punkt angesprochen. Viele befürchten, die chinesische Wirtschaft könnte durch US-Boykott enorm gestärkt werden. Wenn es Produkte betrifft, die in Österreich oder in Europa nicht erzeugt werden, ist natürlich auch die Alternative zum US-Produkt zu hinterfragen. Vielleicht öffnet das aber auch ein wenig unsere Augen: Warum haben wir uns so abhängig gemacht? Setzt die Selbstverteidigung Europas nicht auch massive Investitionen und das Neu-Erstehen vieler in Europa erzeugter Produkte voraus?

Wer Österreichs Kleinstädte heute ansieht, muss entsetzt sein: In Stadtzentren mit dem einst blühendem Handel reiht sich ein leerstehendes Geschäft an das andere. Aber auch die Riesenkaufhäuser außerhalb der Städte rotten vor sich hin. Vielen Betrieben sind die Mieten zu hoch. Der Onlinehandel macht ihnen zu schaffen. Hässliche Ruinen säumen die Einzugsgebiete. Hier kann die Politik etwas tun: Die Selbstaufgabe der Region verhindern.

Argument 4: Amazon ist so praktisch

»Amazon ist so praktisch«, sagte jüngst jemand zu mir. Leider ist mir eine Antwort darauf erst zu spät eingefallen: »Ja, Sklaverei ist praktisch. Bis man selbst Sklave ist.«

Die Frage nach einer ethischen und dem Gemeinwohl förderlichen Wirtschaft ist heute schwer konsumentenseitig zu entscheiden. Man muss nachlesen oder in Dokus erfahren, wie es den Arbeiterinnen und Arbeitern, den Zustellern, Frächtern u.v.a. wirklich geht. Man muss nachlesen, welche riesigen Industrie- und Produktionszweige vom Online-Versand ausradiert wurden. Wo auch durch immer größere Kumulation und Liberalisierung Arbeitslosigkeit entsteht, müssen die Staaten stützend eingreifen – oder die Menschen rutschen in die Armut ab. Erst wenn die Großkonzerne die Gesetze einhalten und wenn die Kostenwahrheit ihrer Geschäftspraktiken offenliegt, kann man diskutieren, wie effizient und praktisch sie wirklich sind. Heute finanzieren Steuerzahlende mit ihren Steuern die Aushöhlung der Demokratie. Das ist das Bittere. Da läuft etwas falsch. Das gilt es zu beenden und den Spieß umzudrehen.


Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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