Freitag, April 18, 2025

Pilnacek-„Selbstmord“: „Kurz hat Ermittlungsstand bekommen“

„Sebastian Kurz hat natürlich Kontakte, und er hat diese Kontakte spielen lassen und hat dann sich natürlich auch erkundigt und hat den Ermittlungsstand de facto bekommen.“ Mit seiner Erklärung, warum Kurz wenige Stunden nach Pilnaceks Tod vor allen anderen wusste, dass es Selbstmord war, bringt Journalist Gernot Rohrhofer den Altkanzler in Schwierigkeiten.

Am 8. April 2025 äußerte Die Presse-Journalist Gernot Rohrhofer in der ZiB 2 einen schwerwiegenden Verdacht gegen Sebastian Kurz.

Armin Wolf fragte: „Woher wusste der Ex Kanzler wenige Stunden nach Auffinden der Leiche, dass es ein Suizid war? Das hat er öffentlich gesagt.“

Gernot Rohrhofer wusste, dass hier etwas seltsam war: „Das hat er gesagt. Das ist richtig. Das hat viele natürlich auch auf den Plan gerufen, die gesagt haben: Da stimmt irgendwas nicht und das geht zu schnell.“

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Quelle: oe24.at 20.10.2023, 18.03 Uhr

Noch heute kann man das Video sehen, das oe24.at am 20. Oktober 2023 um 18.03 Uhr online stellte. Dort erklärte Kurz: „Ich habe gestern Abend noch mit ihm telefoniert, und wenige Stunden später hat er sich das Leben genommen.“ Niemand fragte nach, wann Kurz mit Pilnacek telefoniert hatte, was die beiden miteinander besprochen hatten und vor allem: woher Kurz wusste, dass es Selbstmord war.

Seitdem wundern sich viele, dass der Altkanzler lange vor den ersten öffentlichen Erklärungen von Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt die Todesursache kannte. Heute scheint dreierlei klar:

  1. Die Ermittler der niederösterreichischen Kripo hatten kurz nach Auffinden des Leichnams weder die Obduktion noch die Auswertung von Datenträgern abgewartet und im Schnellverfahren „Selbstmord“ zur Todesursache erklärt;
  2. Niemand von Staatsanwaltschaft Krems bis Landeskriminalamt St. Pölten war damit am 20. Oktober 2023 an die Öffentlichkeit gegangen.
  3. Kurz wusste schon früh etwas, was er zu diesem Zeitpunkt aus den Ermittlungen noch nicht wissen durfte.

Kontakte spielen lassen

Woher wusste Sebastian Kurz als einer der ersten, dass die Weichen auf „Selbstmord“ gestellt waren? Gernot Rohrhofer hatte für sein Pilnacek-Buch Sebastian Kurz ausführlich interviewt. In der ZiB 2 lieferte Rohrhofer die erste Erklärung:

Man darf nicht übersehen: Sebastian Kurz hat natürlich Kontakte, und er hat diese Kontakte spielen lassen und hat dann sich natürlich auch erkundigt und hat den Ermittlungsstand de facto bekommen, wie ihn auch die Witwe von Christian Pilnacek bekommen hat. Und da hieß es von Anfang an Suizid.

Sebastian Kurz habe den Ermittlungsstand bekommen. Damit belastet Rohrhofer den Aktkanzler schwer. Doch was war am Nachmittag des 20. Oktober 2023 der „Ermittlungsstand“?

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Quelle: Anfallsbericht des Bezirkspolizeikommandos Krems-Land an die StA Krems, 20.10.2023

Der einzige schriftliche Bericht des Landeskriminalamts war zu dieser Zeit der „Anfallsbericht“, den Chefinspektor Hannes Fellner als Leiter der Mordkommission des Landeskriminalamts um 12.47 Uhr der Staatsanwaltschaft Krems übermittelt hatte.

In dem Bericht ist weder von „Selbstmord“ noch von „Suizid“ die Rede. Eine einzige Passage über das Einschreiten der Notärztin behandelt die Todesursache: Fr. Dr. W. regte durch Durchführung einer gerichtlichen Obduktion, da ein Fremdverschulden nicht auszuschließen ist bzw. eine Todesursache für die Ärztin nicht feststellbar war.“

In seinem Versuch, sich ein halbes Jahr später vor der WKStA zu rechtfertigen, gab Hannes Fellner in seiner Beschuldigtenvernehmung am 25. April 2024 an: Wir gingen mit 99,9 % Sicherheit davon aus, dass es sich um einen Suizid gehandelt hat. Wir gingen auf Grund der vorliegenden Ergebnisse der Tatortermittlungen und der Vernehmung davon aus.“ Doch davon findet sich am 20. Oktober 2023 nichts im Akt der Staatsanwaltschaft Krems.

Am Nachmittag des 20. Oktober gab es keinen detaillierten Bericht über den behaupteten Suizid und kein Ergebnis der Obduktion, die erst sechs Tage später stattfand. Es gab keine Information an die Staatsanwaltschaft, dass Suizid als Todesursache feststünde. Das Einzige, was es gab, waren unzureichend begründete Vermutungen von Polizeibeamten, die noch keinen Eingang in den Akt gefunden hatten. Das war der „Ermittlungsstand“ am Nachmittag des 20. Oktober 2023.

Interner Ermittlungsstand

Sebastian Kurz „hat den Ermittlungsstand de facto bekommen“ – damit behauptet Rohrhofer offensichtlich, dass Kurz interne Informationen aus den Ermittlungen der Kriminalpolizei mündlich erhalten habe. Aber wer hat Kurz hier etwas verraten? Ein Ermittler aus St. Pölten? Ein Vorgesetzter aus dem Innenministerium? Oder ein Ex-Innenminister, der auch in dieser Affäre eine Schlüsselrolle spielte?

ZackZack richtete sechs Fragen an Redakteur Rohrhofer:

  1. Welche „Kontakte“ hat Kurz im Zusammenhang mit der Klärung der Todesursache von Christian Pilnacek am 20.10.2023 genützt oder, wie Sie es formulieren „spielen lassen“?
  2. Bei wem hat er sich „erkundigt“?
  3. Von wem hat er den „Ermittlungsstand“, also die Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen, bekommen?
  4. Zu diesem Zeitpunkt gab es nur im LKA NÖ den „Ermittlungsstand“ Suizid. Hat Kurz diese Information direkt aus dem LKA NÖ, dem BMI oder aus der ÖVP erhalten?
  5. Wann hat Ihnen das Kurz berichtet?
  6. Da diese Schilderung ein mögliches Delikt nach § 310 StGB belegt – wann haben Sie die WKStA über Ihr Wissen informiert?

Gernot Rohrhofer bestritt nichts von dem, was er in der ZiB 2 gesagt hatte. Trotzdem beantwortete er keine der sechs Fragen: „Ich bitte Sie höflich, Ihre Fragen direkt an Sebastian Kurz zu richten.

Sebastian Kurz erhielt fünf gleichlautende Fragen. Der Altkanzler antwortete nicht.

Ermittlungen gegen Kurz?

Mit seinen Aussagen in der ZiB 2 begründet Redakteur Rohrhofer einen möglichen Verdacht nach § 310 des Strafgesetzbuches: den Bruch des Amtsgeheimnisses. Es ist Aufgabe der WKStA, jetzt neben dem Verdacht des Amtsmissbrauchs durch Fellner und seinen Stellvertreter und dem Verdacht der falschen Zeugenaussage durch Sobotka-Mitarbeiterin Anna P. auch diesem Verdacht nachzugehen. Für Kurz und alle anderen gilt auch in diesem Fall die Unschuldsvermutung.

Wer Gernot Rohrhofer derzeit Fragen an seine Die Presse-Mailadresse stellt, bekommt übrigens eine neue Antwort: „Ich bin nicht mehr für die „Presse“ tätig, weshalb dieses E-Mail-Postfach schon in den nächsten Tagen geschlossen wird.“


Titelbild: HELMUT FOHRINGER / apa / picturedesk.com, Screenshot Video https://www.oe24.at/oesterreich/politik/affaeren/pilnacek-tod-kurz-gibt-justiz-die-schuld/572957930

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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