Donnerstag, Mai 22, 2025

Michael Ludwig: Kniefall vor Erdoğan

Unter Michael Ludwig kuschelt die Wiener SPÖ immer offener mit Erdoğans Vertretern in Wien. Das ist vielen ein Dorn im Auge. Verzockt sich die Stadtpartei bei ihrem offenen Werben für konservative türkische Stimmen?

Über 220.000 Österreicher und Österreicherinnen mit ausländischer Herkunft sind in Wien wahlberechtigt, viele davon mit türkischem Hintergrund. Um deren Stimmen kämpft die Wiener SPÖ schon immer. Seit Michael Ludwig am Steuer sitzt, geht die Reise allerdings woanders hin als noch unter Michael Häupl: in die Arme des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und dessen Partei AKP. Das merkt man besonders am lauten Schweigen Ludwigs zur Verhaftung von Erdoğans größten politischen Widersacher Ekrem İmamoğlu, Präsidentschaftskandidat der CHP-Partei, die international zu den Sozialdemokraten gehört. Anders als andere europäische Sozialdemokraten hat Ludwig bislang nicht öffentlich dessen Freilassung gefordert.

Schweigen zu İmamoğlu

Zahlreichen Bürgermeistern Europas ist klar: İmamoğlu wurde nicht, wie von der türkischen Staatsanwaltschaft behauptet, wegen Korruption und Terrorunterstützung festgenommen, sondern weil der beliebte Istanbuler Bürgermeister Präsident Erdoğan bei den nächsten Präsidentschaftswahlen politisch gefährlich werden könnte. Sie forderten deshalb öffentlich die Freilassung İmamoğlus.

Anders der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig. Er schwieg bislang zu der Verhaftung. In einem ORF-Interview auf seine Zurückhaltung angesprochen, redete er der Version der türkischen AKP-Medien das Wort, sprach von Korruptionsvorwürfen, in die er sich nicht einmischen wolle. Ludwig drückte sich davor, das auszusprechen, was für andere Sozialdemokraten quer durch Europa klar war: Dass der Willkürjustiz Erdoğans ein Riegel vorgeschoben werden musste.

Antrag im Gemeinderat abgeschwächt

Im ORF-Interview verwies Ludwig lieber auf einen Antrag der SPÖ im Gemeinderat. Dort wurde zwar „die sofortige Freilassung aller aus politischen Gründen inhaftierten Amtsträger*innen“ gefordert. Was Ludwig aber nicht dazusagte: Der SPÖ-Antrag war die Kopie eines Antrags, den zuvor die Grünen und die ÖVP eingebracht hatten und der sich auf İmamoğlu und die Lage in der Türkei bezog. Einzige Änderung: Jede Erwähnung der Türkei oder von İmamoğlu wurden komplett aus dem Antragstext gestrichen. Der Antrag hatte damit gar nichts mehr mit der Türkei zu tun.

SPÖ-AKP-Kandidatin Bozatemur

Am besten lässt sich der Kurs der Wiener SPÖ an ihrer Gemeinderätin Aslıhan Bozatemur ablesen. Diese hat es geschafft, konservative türkische Wählerkreise für sich und Ludwig zu mobilisieren. Über 3.700 Vorzugsstimmen bei der letzten Wien-Wahl haben die Position der ehemaligen Büromitarbeiterin Ludwigs gestärkt. Seither ist Bozatemur unermüdlich in türkischen Vereinen und Organisationen unterwegs, die oft eine eindeutige AKP-Nähe aufweisen. Am 12. April war die gesamte hiesige AKP-Prominenz mit Bozatemur vereint. In einem Restaurant im 10. Wiener Gemeindebezirk Favoriten traf die SPÖ-Politikerin auf den politischen Arm Erdoğans in Wien: den türkischen Botschafter Gürsel Dönmez und die Generalkonsulin Ece Öztürk, UID-Präsidenten Mahmut Koç sowie MÜSIAD-Präsident Oktay Koçaslan. Laut der Zeitung Virgül gab die Wiener AKP-Spitze zudem öffentlich eine Wahlempfehlung für Bozatemur ab.

Empörung über Ludwigs Kurs

Grünen-Politikerin Berivan Aslan sprach im Gespräch mit ZackZack von einem „demokratiepolitischen Skandal“. Obwohl die Grünen vom SPÖ-Kurs profitieren könnten zeigte sich Aslan besorgt über die hohe Toleranz für autoritäre türkische Kräfte in Wien. Das sei „gegen sozialdemokratische Werte“.

Doch der AKP-Schwenk von Ludwig birgt ein immenses Risiko für die Wiener SPÖ. Nicht wenige österreichische Staatsbürger mit türkischem Hintergrund sind Aleviten oder Kurden – und ausgewiesene Gegner Erdoğans.

Das weiß auch Ali Gedik. Der gut vernetzte politische Kopf ist selbst Kurde und lebt bereits seit über 30 Jahren in Wien. „Die Kurden, Aleviten und türkischen Oppositionellen in Wien sind extrem angefressen. Traditionell wählen die seit 30, 40 Jahren die SPÖ”, so Gedik im Gespräch mit ZackZack. Jetzt kenne er keinen mehr, der die Ludwig-SPÖ noch wählen würde. Viele würden zur KPÖ oder den Grünen wandern. Zurecht verweist Gedik auf die Unruhe in der SPÖ. „Viele SPÖler sind mit der Politik von Bozatemur und Ludwig überhaupt nicht glücklich”, sagt er.

Recht dürfte ihm dabei SPÖ-Chef Andreas Babler geben. Dieser schrieb nur wenige Tage nach der Verhaftung İmamoğlus auf Sozialen Medien: „Autokratie und politische Willkür dürfen nicht über die Zukunft der Menschen in der Türkei entscheiden. Die SPÖ steht solidarisch und Seite an Seite mit unserer türkischen Schwesterpartei.”

Sorgen macht sich Gedik auch über das politische Klima in Wien. Kritiker von Erdoğan würden in Wien immer öfter verstummen. Der Grund: „Durch Ludwig fühlt sich eine Seite stärker, die andere schwächer. Sie fühlen sich im Stich gelassen.“

Kniefall in Istanbul

Im Juni 2022 traf der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig in Istanbul auf den türkischen Machthaber Recep Tayyip Erdoğan. Damals waren die Kontakte zwischen der Wiener SPÖ und der türkischen AKP – der Partei Erdoğans – bereits gut. Mittlerweile kann man bei den Beziehungen zwischen den türkischen Autokraten und den Wiener Demokraten von einer Allianz sprechen.

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Quelle: Facebook/Arian Shaddadi

Denn während die Gegner von Erdoğan von Istanbul bis Wien gegen die Inhaftierung des größten Erdoğan-Konkurrenten Ekrem İmamoğlu kämpfen, spazieren in Wien AKP-Bürgermeister auf Einladung der Wiener SPÖ durchs Rathaus.

Update 12:55:

Das Büro von Ludwig wiederholte auf ZackZack-Anfrage die AKP-Vorwürfe gegen İmamoğlu: „Zusammenfassend sei gesagt, dass Herr Bürgermeister den klaren Grundsatz vertritt, sich im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen nicht in die innenpolitischen Angelegenheiten anderer Länder einzumischen.” Der Besuch der AKP-Bürgermeister sei laut Ludwigs Pressebüro mit dessen Rolle als Präsident des Städtebundes erklärbar: „So besuchen auch fortlaufend Delegationen und auch Bürgermeister aus anderen Städten die Stadt Wien.”


Titelbild: https://x.com/BgmLudwig/status/1535324570932203520

Autor

  • Daniel Pilz

    Redakteur bei ZackZack. Studierte Philosophie an der Uni Wien und schreckt auch vor komplexen Themen nicht zurück.

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