Mit Karl Mahrer, Dominik Nepp und Heinz-Christian Strache laufen gegen gleich drei Spitzenkandidaten der Wiener Rathaus-Wahl schwerwiegende Ermittlungen. Auf Bezirksebene ist auch Michael Ludwigs SPÖ nicht unbefleckt.
Bei der am Sonntag anstehenden Wien-Wahl ist es nicht unwahrscheinlich, dass man sein Kreuzerl bei einer Liste macht, deren Spitzenkandidat bald auf der Anklagebank Platz nehmen muss.
Gleich drei der sieben Wien-weit antretenden Spitzenkandidaten sind aktuell Beschuldigte in Strafverfahren: Gegen Karl Mahrer (ÖVP), Dominik Nepp (FPÖ) und Heinz-Christian Strache (Team HC) bestehen in unterschiedlichen Causen Vorwürfe wegen Untreue. Im Fall Mahrer gibt es sogar bereits eine fertige Anklageschrift; bei Strache laufen zudem noch weitere Ermittlungsverfahren, etwa wegen Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit. Auf Bezirksebene klinkt sich auch die SPÖ in den Kreis der Beschuldigten ein: Der Bezirksvorsteher in Wien-Donaustadt, Ernst Nevrivy, ist wie Mahrer ebenfalls angeklagt. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
“Nutzbarmachen” des Karl Mahrer
Es war ein ZackZack-Bericht, der Mitte Februar für einen Knalleffekt im anstehenden Wahlkampf sorgte: Karl Mahrer – Spitzenkandidat der ÖVP – wurde von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen Untreue in der Causa Wienwert angeklagt.
Dem früheren Landespolizeikommandanten und Nationalrat wurden dabei seine dubiosen Nebengeschäfte zum Verhängnis: Die PR-Firma von Mahrers Frau erhielt ab Sommer 2017 von der später pleitegegangenen Immo-Firma Wienwert 84.000 Euro. Gegenleistung? Für die WKStA nicht nachvollziehbar. In Wahrheit, so glauben die Ermittler, soll auch nicht Mahrers Frau, sondern der Politikergatte, die Fäden gezogen haben. “Ein allfälliges Nutzbarmachen der politischen Kontakte des Karl Mahrer”, vermutet die Anklagebehörde die tatsächlichen Hintergründe der Zahlungsflüsse.
Mahrer bestreitet die Vorwürfe vehement, wollte sich in der Vergangenheit im Detail dazu gegenüber ZackZack nicht äußern. Für die Ermittler reichte es jedenfalls aus, eine Anklage zu zimmern – diese ist noch nicht rechtskräftig.
Straches Spesenexzess
„In der Vergangenheit sind viele arme Männer in eine reiche Partei gekommen und haben als reiche Männer eine arme Partei zurückgelassen.“ Das sagte Strache im Jahr 2005, als er die FPÖ übernahm, über den Umgang mit Parteigeldern bei den Freiheitlichen. Zwanzig Jahre später kandidiert Strache als Spitzenkandidat seiner eigenen Liste “Team HC Strache” bei der Wien Wahl. Nicht nur der Spesenskandal der FPÖ belastet sein Verhältnis zu seiner ehemaligen Partei.
Strache steht im Verdacht, sich mit Parteigeld der Freiheitlichen jahrelang private Freuden finanziert zu haben. Wie der Standard berichtet soll der FPÖ-Spesenskandal die Partei um mehr als eine Million Euro geschädigt haben. Parteiförderung (und damit Steuergeld) sowie Mitgliedsbeiträge von einfachen Parteimitgliedern sollen für private Einkäufe und Rechnungen ausgegeben worden sein. Um die Sache nicht auffliegen zu lassen, seien im Gegenzug Rechnungen, zum Beispiel von Restaurants, gefälscht worden – Strache bestreitet die Vorwürfe.
Der ehemalige Vizekanzler hat aber noch weitere Verfahren am Hals: Im CASAG-Verfahren rund um eine hochrangige Besetzung bei den Casinos Austria wird gegen Strache trotz Teileinstellungen weiterhin ermittelt. Mögliches Delikt: Bestechlichkeit und Bestechung sowie Vorteilszuwendung zur Beeinflussung. Und dann ist da noch die Causa Inseratenkorruption: Dort soll Strache während der ÖVP-FPÖ Regierungszeit seinen Ministern aufgetragen haben, bei Fellners Mediengruppe Österreich nur gegen gefällige Berichterstattung zu inserieren – das Verfahren läuft.
Nepp und die geschredderte Buchhaltung
Zumindest nach dem bisherigen Ermittlungsstand soll die blaue Spesenaffäre kein alleiniges “System Strache” gewesen sein. Neben dem Ex-Parteichef sind in der Causa auch der Europaabgeordnete Harald Vilimsky beschuldigt – und Wiens Spitzenkandidat Dominik Nepp.
Immerhin wurde Nepp ab 2015 Klubobmann der Freiheitlichen im Wiener Gemeinderat und – wohl noch entscheidender – Finanzreferent der Landespartei. Dass Nepp in dieser Funktion nicht zumindest Mitwisser der überbordenden Spesenausgaben war, halten die Ermittler für unwahrscheinlich. Nepp selbst räumte im September 2019 als neuer Landeschef in Interviews auch ein, dass die Partei Strache für dessen Behausung in Klosterneuburg monatlich 2.500 Euro überwies, weil er dort sporadisch auch Delegationen empfangen hätte.
Hinzu kommt, dass der aktuelle FPÖ-Spitzenkandidat Schritte setzte, die nicht gerade nach Aufklärungsbereitschaft aussehen: Im Jänner 2022 ließ die Wiener Parteiführung Buchhaltungsunterlagen vernichten und achtete dabei nicht auf die übliche Aufbewahrungsfrist von sieben Jahre. Nepp bestreitet die Vorwürfe seinerseits vehement. „Ich warte auf eine Einstellung“, sagte er zuletzt der Presse. Kolportiert wird jedenfalls, dass noch im April ein fertiger Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft Wien auf den Weg gebracht wird. Strache und Nepp, einst Parteifreunde und nun Kontrahenten, müssen weiter zittern.
Nevrivys Grundstücke
Abseits der Rathaus-Wahl geht es am Sonntag auch noch um die 23 Wiener Bezirke. Dem Bezirksvorsteher der Wiener Donaustadt, SPÖ-Politiker Ernst Nevrivy, ist die Strafjustiz ebenfalls auf den Fersen. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien wegen Amtsmissbrauchs in der Causa Kleingärten laufen noch. Der Verdacht: Nevrivy habe sich persönlich bereichert, indem er ein Grundstück im Kleingartenverein Breitenlee im 22. Wiener Gemeindebezirk gekauft habe, bevor dieses durch eine Umwidmung an Wert gewonnen habe. Beim Prozess der Umwidmung, der sich über ein Jahr lang hinzog, konnte laut einem Prüfbericht des Stadtrechnungshofes keine direkte Einflussnahme Nevrivys festgestellt werden.
Brenzlig für den Donaustädter Bezirksboss könnte vor allem die Causa Wienwert werden. Neben Karl Mahrer kam es dabei auch zu einer Anklage gegen Nevrivy wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses, Bestechlichkeit sowie Beitrag zur Untreue. Auch in diesem Verfahren geht es um Grundstücke. Konkret soll Nevrivy dem damaligen Wienwert-Vorsitzenden Stefan Gruze den geplanten Bauort einer Remise für die Wiener Linien verraten haben. Gruze kaufte daraufhin das Grundstück privat – die Wiener Linien mussten es ihm später deutlich teurer abkaufen. Der Stadt entstand demnach ein Schaden von 850.000 Euro. Laut Vorwürfen der WKStA bekam Nevrivy von der Wienwert etwas für seine unerlaubte Offenheit: einige Gratistickets für Fußballspiele im VIP-Bereich und 36.000 Euro für eine Donaustädter Musikgruppe ohne erkennbaren Gegenwert.
Titelbild: HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com, GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com, Christopher Glanzl, Johannes Neumeister / ZackZack