Donnerstag, Mai 22, 2025

Wien-Wahl: Strache klammert sich an dubiose und uralte Umfragen

Heinz-Christian Strache wirbt im Wiener Wahlkampf-Finish mit angeblich überraschend guten Umfragewerten. Diese stammen jedoch aus fragwürdiger Quelle – oder sind gleich mehrere Jahre alt.

Satte 21 Prozent, die Heinz-Christian Strache “am ehesten” eine “konsequente Ausländer-Politik” zutrauen – ein vermeintlicher Topwert im Rathaus-Kandidatenfeld. Stolz postete der Ex-FPÖ-Langzeitobmann, der nun mit eigener Liste antritt, am Dienstag eine solche Umfrage-Grafik zur anstehenden Wien-Wahl. Und kommentierte euphorisch: “Ganz kommen sie an uns doch nicht vorbei, obwohl das Österreich-Medienkartell uns massiv bekämpft.”

Bloß: Auf dem von Strache beworbenen Sujet waren neben den Kontrahenten Michael Ludwig und Dominik Nepp auch ein gewisser Gernot Blümel, eine Birgit Hebein und ein Christoph Wiederkehr zu erkennen. Letztere sind freilich längst aus der Politik ausgeschieden oder in anderer Position tätig – die von Strache gefeierte Umfrage ist nämlich uralt, stammt vom September 2020 und betraf zwar eine Wien-Wahl, allerdings jene vor fünf Jahren. Ein Missgeschick, das dem Team HC Strache erst nach einigen Stunden dämmerte – das Jubel-Posting wurde inzwischen gelöscht.

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Strache träumt von besseren Zeiten. Der mittlerweile gelöschte Beitrag. Screenshot via Facebook.

Fragwürdiges Institut gibt Strache fünf Prozent

Allzu verwunderlich ist es ja nicht, dass Strache gern in der Zeit zurückreisen möchte. Vor 10 Jahren räumte er als FPÖ-Chef bei Wien-Wahlen noch über 30 Prozent ab – Werte, von denen die Wiener Blauen unter Dominik Nepp aktuell weit entfernt scheinen. Später führte Strache die Partei in die Bundesregierung und wurde Vizekanzler, bis der Ibiza-Hauptdarsteller bekanntlich völlig abstürzte.

Im aktuellen Wahlkampf grundelte Strache in Umfragewerten bislang unterhalb der Wahrnehmungsgrenze herum. Sichtlich bemüht ringt der Rechtspopulist auf seinen Social Media-Kanälen um Aufmerksamkeit. Nach der eingangs erwähnten Uralt-Umfrage zauberte Strache am Mittwoch dann eine neuerliche “Sensation” aus dem Hut: eine Grafik, in der das Team HC Strache tatsächlich auf fünf Prozent kommt und damit den Einzug in den Gemeinderat schaffen würde.

Bei näherer Betrachtung des Beitrags sind jedoch erhebliche Zweifel angebracht. Quelle der Erhebung sei ein in London ansässiges Institut namens “Citizens for Transparency, Democracy and Against Fake Polls“, das im April 1.500 Menschen befragt haben will. Schwankungsbreite findet sich keine, auch die grafische Darstellung wirkt schräg – der kolportierte Prozentwert reicht etwa gar nicht an den dargestellten Schwellenwert heran. Vor allem aber sucht man zum erwähnten Umfrageinstitut per Suchmaschine vergebliche nähere Informationen oder irgendwelche Referenzen. Auch Kommentatoren auf Facebook sind skeptisch: “Wer dir was glaubt, ist selber schuld”, schreibt einer.

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Die fragwürdige Umfrage mit 5 Prozent – die allerdings grafisch gar nicht an die 5-Prozent-Hürde reicht.

VMÖ: Umfrage “entspricht nicht unseren Richtlinien”

ZackZack bat das Team HC Strache daher um detailliertere Informationen zur Umfrage und dem vermeintlichen Institut – Antwort gab es keine. Dafür warf man beim Verband der Marktforschung Österreich (VMÖ) für ZackZack einen Blick auf den Beitrag. Auch dort hat man vom Institut “Citizens for Transparency, Democracy and Against Fake Polls“ noch nie etwas gehört.

“Ich kenne das Institut nicht und möchte es daher nicht per se diskreditieren. Man muss aber schon sagen, dass diese Umfrage anhand des Beitrags nicht unseren Richtlinien entspricht”, sagt VMÖ-Sprecher Robert Sobotka zu ZackZack. Für Sobotka scheint die Methodik der Befragung unklar, auch die fehlende Schwankungsbreite sei äußerst fragwürdig. Irritierend sei auch, dass ein bislang unbekanntes Londoner Institut plötzlich zu einer österreichischen Lokalwahl publiziere. “Alle uns derzeit bekannten und veröffentlichten Umfragen sehen die Liste Strache in keiner Weise in so einer Größenordnung”, hält der Sprecher des Verbands fest.

Bei der Liste HC Strache klammert man sich jedenfalls an die zweifelhaften Werte – gleich fünfmal postete die Partei das Sujet in den letzten Tagen. Sollte es dem Spitzenkandidaten am Sonntag nicht gelingen, ins Rathaus einzuziehen, wird er wohl weiterhin sporadisch für Schlagzeilen sorgen. Mit der Spesenaffäre, der Inseratencausa und den Casag-Ermittlungen hat er noch allerhand Strafverfahren am Hals. Die Unschuldsvermutung gilt.


Titelbild: ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

Autor

  • Thomas Hoisl

    Ist seit April 2024 bei ZackZack. Arbeitete zuvor u.a. für "profil". Widmet sich oft Sicherheitsthemen oder Korruptionsfällen.

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