Donnerstag, Mai 22, 2025

Rot-Pink in Wien “wackelt massivst”

Nach der Wien-Wahl am kommenden Sonntag könnte die Koalition aus SPÖ und NEOS unfreiwillig beendet werden. Ob Rot und Pink zusammen noch genügend Sitze im Gemeinderat haben, hängt auch vom Abschneiden der KPÖ ab, wie Meinungsforscher Christoph Haselmayer betont.

Geht es nach Michael Ludwigs SPÖ in Wien, steht einer Fortsetzung der rot-pinken Koalition in der Bundeshauptstadt wohl nichts im Weg. Einzig das Wahlergebnis am Sonntag könnte dem Zweierbund aus SPÖ und NEOS ein vorzeitiges Ende bereiten. Die große Unbekanntheit der NEOS-Spitzenkandidatin, sowie der mögliche Einzug der KPÖ in den Gemeinderat sind das Zünglein an der Waage.

Lieber Pink statt Grün oder ÖVP

Eines ist klar: An der SPÖ führt bei der nächsten Wiener Koalition kein Weg vorbei. Am liebsten würde die SPÖ die Koalition mit den NEOS fortsetzen. Zwar betonte Ludwig vor der Wahl, nur mit der FPÖ auf keinen Fall regieren zu wollen. Ein Blick auf die Themensetzungen im Wahlkampf zeigt aber klar, mit wem eine Zusammenarbeit naheliegt und mit welchen Parteien es inhaltliche Konfliktpunkte gibt. Das beste Beispiel dafür ist der geplante Bau des Lobautunnels. Die Wiener Grünen machen seit Jahren gegen das Herzensprojekt der SPÖ mobil, obwohl der Tunnel ohnehin Angelegenheit des Bundes ist, wie auch Grünen-Spitzenkandidatin Judith Pühringer zugibt.

Die ÖVP fiel beim Thema Sicherheit und Migration mit einem Anti-SPÖ-Wahlkampf auf. Für eine Zusammenarbeit mit der SPÖ müssten sich nach der Wahl wohl andere Kräfte in der ÖVP durchsetzen als der bisherige Parteichef Karl Mahrer, dem bald ein Gerichtsprozess droht. Dass sich Ludwig gut mit dem Wiener Wirtschaftskammervorsitzender Walter Ruck versteht ist ein offenes Geheimnis.

Die NEOS setzten in Wien hingegen auf einen verbindenden Wahlkampf. “Wien ist Vielfalt, nicht Einfalt” plakatierte man etwa. Die Koalition der letzten fünf Jahre lief auffallend harmonisch ab, wobei die Wiener NEOS – ganz im Sinne der SPÖ – der Stadtpolitik keinen gewichtigen Stempel aufdrücken konnten.

Unauffällig ist bei dieser Wahl auch die Spitzenkandidatin der NEOS. Nach dem spontanen Wechsel vom bisherigen Wiener NEOS-Chef Christoph Wiederkehr ins Bildungsministerium springt mit Selma Arapović eine Kandidatin in den Ring, die bisher nur äußersten Politkennern ein Begriff war. Die NEOS stagnieren seither in den Umfragen oder verlieren leicht. Für Michael Ludwigs SPÖ eine Gefahr: Denn die Zukunft der für die SPÖ bequemen Rot-Pinken Allianz steht auf Messers Schneide.

Meinungsforscher Haselmayer sieht SPÖ-NEOS wackeln

Unwahrscheinlicher ist die Fortsetzung der Koalition auch für den Meinungsforscher Christoph Haselmayer geworden. Der ehemalige Kärntner NEOS-Politiker leitet das Institut für Demoskopie und Datenanalyse (IFDD) – eines der führenden Umfrageinstitute in Österreich. Im Gespräch mit ZackZack betont Haselmayer, die Koalition aus SPÖ und NEOS würde “massivst wackeln”. Überraschend: Auch ohne Einzug der KPÖ in den Gemeinderat schätzt der Demoskop die Wahrscheinlichkeit, dass die SPÖ einen neuen Koalitionspartner braucht, höher ein als die Fortsetzung der rot-pinken Zusammenarbeit. Denn: Die NEOS seien laut Haselmayer „Umfragekaiser aber Wahltagszwerge. Sie sind meistens leicht überbewertet.” Sollte auch die SPÖ nicht gut abschneiden, würde sich SPÖ-NEOS auch ohne Erfolg der KPÖ nicht ausgehen.

Derzeit sind die Erfolgschancen der rot-pinken Allianz schwer einzuschätzen: Laut IFDD-Umfrage kommt die SPÖ am Sonntag auf 38 Prozent, die NEOS auf 9. Die gemeinsamen 47 Prozent könnten reichen, wenn Stimmen für die KPÖ und das Team HC Strache auf die anderen Parteien aufgeteilt werden. Vom Nichteinzug kleiner Parteien profitiert in Wien traditionell die SPÖ.

Die Chancen der KPÖ auf den Einzug in den Wiener Gemeinderat bewertet Haselmayer als „äußerst gering. Das sei zwar innerhalb der Schwankungsbreite möglich, aber die KPÖ müsste ihr volles Potenzial ausschöpfen”. Zu kämpfen hätte das Bündnis aus Kommunistischer Partei und Links laut Haselmayer mit der Erfolgsgeschichte des sozialen Wohnbaus in Wien. Denn das KPÖ-Thema Wohnen sei bereits von der Wiener SPÖ, die sich bei dieser Wahl erfolgreich als “Wienpartei” inszeniert, erfolgreich besetzt.

KPÖ entscheidend

Sollte das Bündnis aus KPÖ und Links den unwahrscheinlichen Einzug in den Gemeinderat schaffen, würden die Karten für den bevorstehenden Koalitionspoker neu gemischt werden. Denn dann ist mit weniger Mandaten für die anderen Parteien – allen voran die SPÖ – zu rechnen. Zweierkoalitionsvarianten würden unwahrscheinlicher werden, wie Haselmayer im ZackZack-Gespräch unterstreicht. Laut ihm würde sich bei einem Einzug der KPÖ die Koalition aus SPÖ und NEOS sehr wahrscheinlich nicht mehr ausgehen. Mit den Grünen könnte es hingegen selbst bei einem Einzug der KPÖ gelingen. Die gemeinsamen Mandate von SPÖ und ÖVP würden möglicherweise nicht ausreichen.

Die KPÖ liegt seit in den Umfragen seit Wochen stabil auf vier Prozent. In Wien gilt auf Gemeinderatsebene allerdings die 5-Prozent-Hürde. Umfrageinstitute geben der Partei deshalb nur eine Außenseiterchance auf den Einzug in den Wiener Landtag. Auf Bezirksebene wird es hingegen einige dunkelrote Erfolgserlebnisse geben – dort gilt die 5-Prozent-Hürde nicht.

Auf ZackZack-Anfrage gab es von der KPÖ leicht widersprüchliche Aussagen. Angesprochen auf die 5-Prozent-Hürde gab man an, diese sei „eines von vielen Mitteln, um kleine Parteien auszuschließen. Wir sind überzeugt: Gäbe es keine 5-Prozent-Hürde, würde die KPÖ problemlos über 5% kommen.” Siegessicher gab man sich aber trotzdem: „Aufgrund der durchweg positiven Gespräche mit den Wiener:innen halten wir einen Einzug für realistisch.”

Für wen wählst du noch?

Grüne und NEOS hatten für die Wählerinnen und Wähler in Wien die selbe Botschaft per Wahlplakat parat: “Du wählst nicht nur für dich”. Je nachdem, wie die beiden Parteien abschneiden, wählt man auch den wahrscheinlichsten Koalitionspartner der SPÖ mit. Die Grünen dürften am Sonntag vor den NEOS liegen – doch das ebnet ihnen noch nicht fix den Weg in die nächste Stadtregierung.


Titelbild: HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

Autor

  • Daniel Pilz

    Redakteur bei ZackZack. Studierte Philosophie an der Uni Wien und schreckt auch vor komplexen Themen nicht zurück.

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