Donnerstag, Mai 22, 2025

Wienwahl: Richtig gut gelaufen

Der Geist der Solidarität dominiert in Wien. Die FPÖ feiert ein Ergebnis, das schlechter ist als die meisten seit 1991 schon als Erfolg.

Fast das Schönste an der Wienwahl ist: Jetzt gibt es bis 2027 keine relevanten Wahlen mehr. Nach Jahren von Wahlkampf, Erregungsbewirtschaftung, Empörungsschlagzeilen zum Zwecke der Bürgeraufganselung wird das richtig erholsam werden.

Das Ergebnis der Wienwahl ist aber in mehrerer Hinsicht erstaunlich. Die SPÖ hält beinahe ihr Ergebnis aus dem Jahr 2020. Nicht einmal in den Bezirken, die zum Battleground ausgerufen wurden, konnte ihr die FPÖ gefährlich werden, in Simmering nicht, in Floridsdorf nicht, in der Donaustadt nicht. Während sich die mediale „Duell“-Aufgeregtheit auf diese Bezirke konzentrierte, fanden die unerwarteten Kopf-an-Kopf-Rennen in Mariahilf und vor allem Margareten statt. Die SPÖ-Margareten verlor am Ende den Bezirk an die Grünen, was für jemanden, der sich noch an die stolze und mächtige Partei und deren Dominanz an der „Ringstraße des Proletariats“ (Margaretengürtel) erinnern kann, regelrecht surreal klingt.

Generell ist, zweite Erstaunlichkeit, das Abschneiden der Grünen bemerkenswert. Hatten sie in den späten Zehnerjahren ihre beste Zeit, was Themen- und Stimmungslage betrifft, als das Klimawandelthema dominant wurde, als Fridays for Future die jüngeren Generationen und damit auch die Elterngenerationen prägte, so weht ihnen seit einigen Jahren ja der Wind ins Gesicht. Der rechte und konservative Diskurs hat die „verrückten Ökos“ als seinen Lieblingsfeind definiert, kämpft gegen bessere Heizungen, betet Verbrennungsmotoren an, kriminalisiert „Klimaterroristen“. Trotz dieser schwierigeren Gesamtstimmungslage haben die Grünen ihr Ergebnis fast gehalten.

Das FPÖ-Ergebnis: Eher mau

Die FPÖ dagegen wurde medial gehyped, ihre Themen werden vom Boulevard im Stakkato getrommelt, um die Stimmungslage für die Partei so günstig als möglich zu machen. Wien wurde als Kriminalitätspfuhl hingestellt, in dem man sich nicht mehr auf die Straße traut, und in dem alles kollabiert, vom Bildungs- bis zum Gesundheitswesen. Alles drehte sich um den „gefährlichen Ausländer“. In ihrer Filterblase rief die Kickl-Partei zudem eine Rachewahl gegen das System aus, das dem armen Herbert die Volkskanzlerschaft gestohlen habe. Und am Ende wurden es gerade einmal 20 Prozent. Nur zum Vergleich: seit 1991 lag die FPÖ nur nach der Parteispaltung von Knittelfeld und dem Ibiza-Skandal schlechter. Unter relativen Normalbedingungen ist das das schlechteste Ergebnis der FPÖ seit 1987 (!), also seit beinahe 40 Jahren. Es ist schon ein gehöriges Medienversagen, die Nepp-Partei hier als den großen Gewinner der Wahl hinzustellen, nur weil sie sich vom Ibiza-Desaster ein wenig erholt hat. FPÖ und ÖVP gemeinsam kommen gerade einmal auf etwas mehr als 30 Prozent. Das ist weniger, als die FPÖ vor zehn Jahren alleine hatte.

Wie sehr schadet Trump Kickl und Co.?

Die Kampagne des Irrwitzes hat trotz der massiven medialen Rückendeckung nicht verfangen, und das trotz der idealsten Umstände, die man sich für die FPÖ vorstellen kann. Die Zerstörungslust der Rechtsextremen, die das Land am liebsten in Flammen sehen wollen, zerschellte an der Vernünftigkeit der Wählerinnen. Ist das schon eine Trendwende oder eben nur das mittlerweile bekannte städtische Phänomen? Gewiss, für die harte Rechte – das betrifft sowohl die Rechtsextremen als auch den klassischen Konservatismus –, sind Städte heute ein raues Pflaster. In den neunziger Jahren gewannen Haiders Leute in den Städten, hatten aber im ländlichen Bereich ihre Schwierigkeiten, wo die ÖVP dominierte. Heute ist das umgekehrt. Großstädte wählen eher links, das Land eher rechts, und hier saugt der rechte Extremismus den traditionellen Konservatismus in manchen Gegenden richtiggehend aus, punktet aber ebenso in den alten Industriestädten abseits der Metropolen. Das ist ein internationales Phänomen.

Aber ebenso denkbar ist, dass die Welle des Rechtsradikalismus ihren Gipfel auch schon wieder überschritten hat. Die permanente Empörungsbewirtschaftung und die Politik der irrwitzigen Übertreibung, die Polarisierung und das Aufganseln und Konflikteschüren – die Leute haben es auch schon ein wenig satt. Wenn die ganze Welt sowieso schon in Flammen steht, weil die Kickl-Idole Trump, Putin, Orban und Co. sie in Brand setzten, ist die Versuchung, noch extra Brandbeschleuniger hineinzugießen, eine Spur geringer. Mit einem wachsenden Sicherheitsbedürfnis geht auch die Attraktivität von ein bisschen Vernünftigkeit und Besonnenheit einher und mit zu viel vergifteter Polarisierung auch der Wunsch nach ausgleichenden Politikern.

Man wird sehen, wie sich das alles entfaltet, aber die Wienwahl war schon einmal erfreulicher, als man befürchten konnte.

Autor

  • Robert Misik

    Robert Misik ist einer der schärfsten Beobachter einer Politik, die nach links schimpft und nach rechts abrutscht.

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