Donnerstag, Mai 15, 2025

Giebelkrake statt Pressefreiheit

Der Bundespräsident warnt als Einziger. Aber Raiffeisen und ÖVP-Familie machen weiter. Sie zerstören Pressefreiheit und Rechtsstaat.

Gestern war wieder Selbstfeiertag. Am „Welttag der Pressefreiheit“ spenden sich österreichische Medien Eigenlob. Alexander Van der Bellen war als Bundespräsident der einzige, der schrieb, worum es gerade geht:

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Über diese Respektsbekundung des Bundespräsidenten freue ich mich. Van der Bellens wichtigster Satz bleibt allerdings unvollendet: „Es gibt Kräfte, die nicht wollen, dass Journalistinnen die beste erreichbare Version der Wahrheit finden“. Wer sind diese Kräfte?

Vor die Hunde

Die österreichischen Medien sind in einer ähnlichen Verfassung wie die österreichische Justiz. Man muss nicht weit nach Frankreich oder Deutschland fahren, um zu sehen, dass das auch anders sein kann. Aber bei uns ist es eben so. Und: Es ist schlechter geworden, mit der Pressefreiheit und mit dem Rechtsstaat. Beide gehen vor die Hunde.

Bei der Pressefreiheit hat das viel mit Geld zu tun. Vor langer Zeit schwammen Medien wie profil und Kurier im Werbegeld. Ihre Unabhängigkeit stand auf einem Fundament aus eigenem Geld. Das ist längst weg. Der Werbemarkt ist eingebrochen. Politiker wie Sebastian Kurz haben das erkannt und das Regierungsinserat zu einer Droge gemacht. Schwer inseratensüchtige Zeitungen hängen an den Tröpfen und betteln um die nächste Dosis.

Wie merkt man das? Erstens an den Geschichten, die nicht erscheinen. Ein Beispiel: Nicht nur in der EU ist Österreich das Land, das auf der Liste der Putin-Komplizen gleich nach Ungarn ganz oben steht. Der Präsident der Industriellenvereinigung hat ein Unternehmen, das Putins Militärwirtschaft die Glasfaserfabrik gebaut hat, mit der sie den totalen Drohnenkrieg möglich macht. Eine Swarovski-Tochter lieferte Zielfernrohre.

Schutz für Spione

Aber vor allem: Putins Spione vom Auslandsgeheimdienst SWR dürfen vom Russendach in der Wiener Donaustadt mit Satellitenschüsseln und Richtantennen immer noch die Daten für den Angriff auf die Ukraine absaugen und österreichischen Handys abhören.

Überall sonst in der EU wurden sie längst ausgewiesen. In Wien stehen sie unter dem Schutz des Außenministeriums.

Dazu verschwand ein Bericht unseres Geheimdienstes DSN im Außenministerium. In Deutschland, Frankreich oder Großbritannien wären das große Geschichten. Bei uns wird über Putins Trojaner nur dann berichtet, wenn sie jenseits der Grenzen ihr Unwesen treiben.

Die Giebelkrake

Dieser Geschichten gibt es nur auf ZackZack, wie viele andere. Früher hätten wir sie alle von BMI-Chats bis Pilnacek in profil oder Kurier lesen können. Aber dort regiert längst das Giebelkreuz von Raiffeisen. Putins und Benkos Oligarchenbank zahlt und schafft an. Niemand weiß, was schneller geht: ob Raiffeisen demnächst die nächste Hypo Alpe Adria und damit ein Sanierungsfall wird oder ob die Giebelkrake noch weitere Medien verschlingt und damit die öffentliche Meinung ganzer Bundesländer kontrolliert.

Zweitens merkt man es an den Geschichten, die erscheinen. Mit oft peinlich gleichen Formulierungen wird die nächste Generation der ÖVP hochgeschrieben. Aus dem Budgetpleitier Magnus Brunner wird ein europäischer Staatsmann, dem hilflos gescheiterten Karl Nehammer wird ein Spitzenposten im europäischen Bankwesen zugeschoben, und mit Wolfgang Hattmannsdorfer steht die Zukunftshoffnung mit einschlägiger Erfahrung in Parteibuchwirtschaft fest.

Fliegendes Schmiergeld

Als Wirtschaftsminister hat er schon einen Plan: Für die Milliardenkäufe für unsere gefürchtete Luftwaffe soll es wieder Gegengeschäfte geben. Damit, befürchte ich, steht der Luftraum für fliegendes Schmiergeld wieder weit offen. Und die Berichte? Wie im Eurofighter-Vorlauf schreiben sich Hofjournalisten wieder über die „wirtschaftlichen Chancen“ die fleißigen Finger wund und übersehen, dass Chancen dieser Art in Österreich von Wirtschaftsexperten wie Karl-Heinz Grasser und Sigi Wolf genützt werden.

Geht also alles wieder von vorne los? Beim fliegenden Schmiergeld zeichnet sich das ab. Aber niemand weiß, ob das in Österreich ein zweites Mal so wie bei „Eurofighter“ aufgearbeitet werden kann. Mit Ausnahme von Der Standard gibt es keine Zeitung mehr, die systematisch Missstände recherchiert und darüber berichtet. Im ORF ist man immer öfter „überlastet“, die meisten anderen schauen einfach weg.

„Privatleben“ statt Pressefreiheit

Digitale Medien wie ZackZack versuchen, diesen zentralen Platz, auf dem Pressefreiheit gelebt wird, zu füllen. Aber das wird immer schwerer. Und da kommt die Justiz ins Spiel.

Von Benko bis Innenministerium wissen alle, dass Medien wie wir kaum Geld haben. ÖVP-Mitläuferinnen wie die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger haben dafür gesorgt, dass die digitale Pressefreiheit nicht wirksam gefördert wird. „Tag eins“ musste gerade zusperren, und viele andere kämpfen ums Überleben.

In der türkisen Familie nützt man das. Fast jede Woche landet eine neue Klage in unserer Geschäftsführung. Immer öfter sind Richter bereit, gegen die Pressefreiheit zu urteilen. Das „Privatleben“ einer Gerichtspräsidentin steht für immer mehr Richter weit über dem öffentlichen Interesse, alles in Fällen wie „Pilnacek“ zu erfahren. Wer über eine „Lebensgefährtin“, die eine Schlüsselrolle in der Affäre spielt, schreibt, macht sich strafbar.

Dazu kommen Serienklagen aus dem Innenministerium. Jetzt muss schon eine Postenkommandantin aus einem niederösterreichischen Dorf antreten, um die Serienklagen von Bundespolizeidirektor und Kripo-Chef mit absurden Unterstellungen zu unterstützen.

Statt Täter werden Aufdecker verfolgt. Den Normalbetrieb der Inseratenmedien stört das nicht. Ihr Geschäft liegt längst woanders.

Vor Gericht

Ich stehe jetzt mindestens einmal pro Monat vor Gericht. Ich mache nichts anderes als in den Jahren davor. Auch vor zwanzig Jahren war das Aufdecken kein risikoloses Unterfangen. Aber jetzt, mit den gelähmten Medien und der neuen Familienjustiz, wird es deutlich gefährlicher. Es ist noch lange nicht so schlimm wie in Russland oder Ungarn. Aber es ist nicht mehr gut.

Darum geht es einen Tag nach dem Welttag der Pressefreiheit.

p.s.: Als neuer Medienminister hat Andreas Babler hier eine Trendwende zurück zur Pressefreiheit angekündigt. Wir werden dazu im Interesse der neuen Medien Vorschläge machen.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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