Anfang April attackierten ukrainische Drohnen das von der steirischen Knill-Gruppe gebaute Glasfaserwerk in Saransk. Nun gab es auf die Fabrik einen erneuten Angriff. Ukrainische Vertreter bezeichnen das Werk als “Schlüsselelement der russischen Rüstungsindustrie.”
Die russische Stadt Saransk liegt rund 900 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Dennoch ist es Mittwochfrüh mehreren, aus Kyjiv befehligten Kampfdrohnen erneut gelungen, Ziele in der Stadt tief im Landesinneren zu attackieren. Und wieder steht die Aktion im Zusammenhang mit militärisch-relevanten Exporten aus Österreich, die trotz der Sanktionen von 2014 munter weitergingen.
Bereits Anfang April griffen ukrainische Drohnen die in Saransk ansässige Fabrik der Firma “Optic Fiber Systems” an. Dabei handelt es sich um jenes staatlich-russische Unternehmen, das der steirischen Knill-Gruppe 2011 mit 50 Millionen Euro ihren bis dahin größten Deal der Firmengeschichte verschaffte. Die Steirer bauten bis 2015 ein “schlüsselfertiges” Werk zur Herstellung von Glasfasern – das bislang erste und einzige des russischen Regimes, Putin persönlich setzte sich für das Projekt ein. Über die Militärverbindungen von “Optic Fiber Systems” berichtet ZackZack seit Monaten.
In den heutigen Morgenstunden dann der nächste Schlag: Ukrainische Drohnen griffen die bereits ramponierte Fabrik erneut an – das berichten russische und ukrainische Medien, sowie Meldungen via Social Media. Zudem sollen laut Medienberichten zwei weitere Fabriken, nur drei Kilometer entfernt, Ziel der Angriffe gewesen sein – die Kabelfabrik “Saranskkabel” sowie “Saranskkabel-Optika.”
Ukraine: Fabrik ist “Schlüsselelement der russischen Rüstungsindustrie”
“Saranskkabel-Optika” ist einer der größten Abnehmer der Glasfasern aus dem von der Knill-Gruppe erbauten Werk. Schon im Februar deckte ZackZack auf, dass dieses Unternehmen – wie auch “Optic Fiber Systems” – Verbindungen zum russischen Militärapparat hat.
“Saranskkabel” rühmt sich etwa damit, Kabeln mit Militärstandards herzustellen und war bereits 2015 bei Vernetzungsveranstaltungen des russischen Verteidigungsministeriums dabei. Dass “Saranskkabel” wiederum Fasern von “Optic Fiber Systems” bezieht, ist seit 2015 belegt. Dennoch belieferte das österreichische Unternehmen den russischen Kunden bis 2018, wie das Wirtschaftsministerium in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung einräumte.
Zu den heutigen Drohnenschlägen äußerte sich auf Telegram etwa Andrii Kovalenko, hochrangiger Vertreter des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, folgendermaßen:
“In Russland wurden wichtige militärisch-industrielle Unternehmen angegriffen.(…) In Saransk wurde ein Werk für Glasfasersysteme getroffen – ein Schlüsselelement der russischen Rüstungsindustrie im Bereich der modernen militärischen Kommunikation. Es ist auf die Herstellung von Glasfaserkabeln und Kommunikationssystemen für die russische Armee spezialisiert, insbesondere für Glasfaserdrohnen.”
Fragwürdige Rolle des Wirtschaftsministeriums
Angesichts dieser drastischen Einschätzung ukrainischer Militärvertreter ist es umso erstaunlicher, wie sich sowohl die Knill-Gruppe als auch das österreichische Wirtschaftsministerium bislang in der Causa verantworteten.
Als ZackZack im Jänner das steirische Unternehmen beziehungsweise ihren geschäftsführenden Gesellschafter, den Präsidenten der Industriellenvereinigung Georg Knill, zu den Militärverbindungen des Kunden fragte, bekamen wir folgende Antwort: “Die entstandenen Fasern können ausschließlich zu klassischen Telekommunikationskabeln weiterverarbeitet werden.” Und: “Anlagen für militärische Zwecke liefern wir grundsätzlich nicht, das wäre rein rechtlich gar nicht möglich. Der Kunde hat einen militärischen Einsatz vertraglich auch ausgeschlossen.” Mit etlichen Widersprüchen dieser Argumentation konfrontiert, erhielten wir letztlich nur folgendes Statement: “Unsere Exporte sind und waren immer rechtskonform. Wir haben uns aus dem Russland Markt gänzlich zurückgezogen.”
Aufsicht über die bis zumindest 2018 getätigten Lieferungen nach Saransk hatte das österreichische Wirtschaftsministerium und die ihr zugeteilte Exportkontrolle. Seit 2014 war es EU-weit verboten, Produkte mit “doppeltem Verwendungszweck” auszuführen, wenn es Hinweise auf militärische Endverwendung gibt. ZackZack stieß wie berichtet auf eine Vielzahl solcher Hinweise zwischen den Jahren 2011 bis 2021.
Was wurde aus “Sachverhaltsklärung”?
In einer parlamentarischen Anfragebeantwortung wischte das Ministerium ihre Rolle in der Aufsicht folgendermaßen vom Tisch: “Eine Kontrolle des jeweiligen Endverbleibs sämtlicher Güter ist gesetzlich nicht vorgesehen. Sofern Hinweise auf eine Verletzung von Exportvorschriften auftauchen, erstattet das BMAW entsprechend Anzeige an die zuständigen Ermittlungsbehörden.”
Gegenüber dem Standard hieß es anschließend, man habe “bis dato keine Hinweise oder sonstige Anhaltspunkte auf eine militärische Nutzung” vorliegen. Das Ressort sei aber “laufend mit dem Unternehmen hinsichtlich der Sachverhaltsklärung im Austausch.” ZackZack erhält hingegen vom Wirtschaftsministerium seit Monaten keinerlei Auskunft oder Rückmeldung zur Causa. Und das, obwohl es die Kernaufgabe der staatlichen Pressestelle ist, auf Medienanfragen zu reagieren. Was aus der ominösen “Sachverhaltsklärung” wurde, ist deshalb nicht bekannt. Auch nicht, ob die jüngsten Militärschläge der Ukraine dem Ministerium “Hinweis” genug sind.
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