Deutschland diskutiert ein Verbotsverfahren gegen die AfD. Die rechtliche Lage in Österreich ist aber anders. Wie die FPÖ laut Verfassung verboten werden könnte.
In Deutschland hat der Verfassungsschutz nun einen mehr als tausendseitigen Bericht fertiggestellt, in dem die Alternative für Deutschland (AfD) als gesichert rechtsextreme Partei kategorisiert wird. Die Gründe sind ihre Hasssprache, die dichte personelle Verflechtung mit dem Neonazi- und Identitärenmilieu, aber auch der häufige Gebrauch des Begriffs „Umvolkung“. Dieser ist nicht nur ein Begriff, sondern ist getragen von der Vorstellung eines ethnisch homogenen Volkes und der Grundüberzeugung, dass ethnisch „echte Deutsche“ irgendwie bessere und deutschere Deutsche seien. Das würde das Staatsvolk in Staatsbürger erster und zweiter Klasse einteilen und die Menschenwürde der auf diese Weise Abgewerteten verletzen.
In Österreich trommelt die FPÖ selbst vom Rednerpult des Nationalrats von der „Umvolkung“, und der Parlamentspräsident findet das Nazi-Wort offenbar so okay, dass er nicht einmal einen Ordnungsruf erteilt.
Die AfD ist jetzt amtlich rechtsextrem und die US-Regierung springt der Partei – wie allen Rechtsextremen über den ganzen Globus – in gespielter Erschütterung bei, nennt die deutschen Behörden „tyrannisch“. Das ist alleine deshalb ulkig, da das deutsche Grundgesetz 1949 nicht ohne Zutun der drei Westmächte des alliierten Kontrollrates – und insbesondere der damaligen US-Regierung – verabschiedet wurde. Die Mechanismen einer wehrhaften Demokratie, die bis hin zum Parteiverbot für extremistische und antidemokratische Parteien reichen, waren gewissermaßen eine amerikanische Mit-Erfindung. Noch ulkiger ist, wenn man bedenkt, dass die heutige US-Regierung, die von den tyrannischen Deutschen fabuliert, gerade die Redefreiheit an den Universitäten angreift und missliebige Leute in Internierungslager nach El Salvador deportiert. Von solchen Leuten will man sicherlich über Tyrannei belehrt werden.
Würde man die AfD-Bande nach El Salvador deportieren und dort nach Trump-Manier in Horror-Lager sperren, wäre es den verrückten Rechten in Washington bestimmt auch nicht recht.
Österreich kennt andere Regelungen als Deutschland
Mit der peniblen Dokumentation über das wahre Gesicht der AfD – die FPÖ nennt sie eine „Schwesterpartei“ – ist nun ein Parteiverbotsverfahren ein wenig wahrscheinlicher geworden, jedenfalls wäre es aussichtsreicher. Wobei das deutsche Verfassungsgericht heute sehr hohe Hürden verlangt, um ein Parteiverbot auszusprechen, anders als vor Jahrzehnten, als man die „Sozialistische Reichspartei“ und später auch die „Kommunistische Partei Deutschlands“ im Handumdrehen illegalisierte.
Viele Leute fragen jetzt: Kann man denn die FPÖ, die kaum weniger extremistisch ist als die AfD, vielleicht verbieten? Und: Warum wird das bei uns gar nicht erst diskutiert?
Aber diese Frage ignoriert die signifikanten rechtlichen Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland. In Deutschland gibt es klare Verfahren, die zu gehen sind, wenn eine Partei verboten werden soll. Drei Verfassungsorgane – Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung – sind berechtigt, einen Verbotsantrag zu stellen und zu begründen. Tut eines dieser Organe dies, dann wird vom Bundesverfassungsgericht verhandelt und entschieden.
Ein solches Verfahren kennen wir in Österreich nicht.
Das Verbotsgesetzt verbietet Nazi-Parteien
In Österreich gibt es das Verbotsgesetz, das die NSdAP und etwaige Nachfolgeorganisationen untersagt, ebenso die Betätigung in ihrem Sinne und den Versuch, sie wieder zu errichten. Dass eine Partei rechtsextrem und verfassungsfeindlich ist, reicht aber dafür nicht aus.
Was an sich schon okay ist: In der Demokratie dürfen auch „extreme“ Parteien existieren, es gibt keinen Zwang, „maßvoll“ zu sein oder die Verfassung zu achten.
Auch die Verfahren, die zu einem solchen Verbotsentschluss führen könnten, sind andere. Theoretisch der einfachste Weg wäre folgender: Jemand nennt die FPÖ „Nazipartei“, worauf ihn die Partei verklagt. Verliert die Partei den Prozess, weil das Gericht feststellt, dass die FPÖ tatsächlich eine Nazi-Partei ist, dann gilt sie als augenblicklich aufgelöst, sobald das Urteil Rechtskraft hat.
Aber die FPÖ weiß das und würde niemals klagen.
Alleine schon, weil das Prozessrisiko für sie viel zu hoch ist. Stellen wir uns vor, ich würde die FPÖ jetzt hier „Nazis“ nennen. Wenn sie mich verklagt und ich verliere, muss ich ein paar tausend Euro wegen übler Nachrede bezahlen. Wäre sehr unangenehm, aber kein Weltuntergang. Wenn sie mich aber verklagt und nicht gewinnt, ist sie als Partei sofort verboten. Ihr Risiko ist also ein vielfach höheres als meines. Das ist kein theoretisches Beispiel, wie wir wissen. Der Fußballverein Werder Bremen hat die FPÖ etwa anlässlich eines Trainingslagers in Tirol „Nazis“ genannt, der FPÖ-Tirol-Chef hat daraufhin angekündigt, den Sportklub zu klagen. Getan hat das der vollmundige Herr Abwerzger natürlich nie. Es wäre ein viel zu großes Risiko für ihn gewesen.
Faschistische Organisationen sind aufzulösen
Es gibt aber noch ein anderes Gesetz – neben dem Verbotsgesetz –, das sogar völkerrechtlichen Charakter besitzt und im Verfassungsrang ist: in Artikel 9 Staatsvertrag verpflichtet sich Österreich, „alle Organisationen faschistischen Charakters aufzulösen, die auf seinem Gebiete bestehen, und zwar sowohl politische, militärische und paramilitärische, als auch alle anderen Organisationen, welche eine irgendeiner der Vereinten Nationen feindliche Tätigkeit entfalten oder welche die Bevölkerung ihrer demokratischen Rechte zu berauben bestrebt sind“.
Die Frage ist berechtigt, ob Österreich nicht fortwährend gegen die eigene Verfassung verstößt, wenn Parteien toleriert werden, die ethnischen Hader schüren, mit NS-Vokabeln wie „Umvolkung“ operieren, deren Vorsitzender bei öffentlichen Auftritten Andersdenkende als „Zecken“ bezeichnet und die tief ins Neonazi-Milieu verstrickt ist. Da ist es nicht gänzlich abwegig, anzunehmen, dass die FPÖ unter die Rubrik „Organisationen faschistischen Charakters“ fallen könnte.
Es wäre jedenfalls nicht ohne ironische Pointe, dass jener Staatsvertrag, der als Geburtsurkunde des neutralen, unabhängigen Österreich auch von der FPÖ neuerdings so hoch gehalten wird, die Auflösung von Parteien wie der FPÖ festschreibt – und Österreich dieses Versprechen seit Jahrzehnten nicht einlöst.
An skurrilen Pointen ist das Konzept der wehrhaften Demokratie aber sowieso nicht arm. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat in früheren Verfahren entschieden, dass eine Partei groß und erfolgreich genug sein muss, sodass die Verwirklichung ihrer Ziele zumindest möglich erscheint, um ein Verbot zu rechtfertigen. Heute heißt es häufig von skeptischen Stimmen, dass man eine Partei, die ein Viertel der Wählerstimmen gewinnt, kaum verbieten kann, weil sie zu groß sei.
Bizarr: Mal spricht gegen ein Verbot, dass eine Partei zu klein ist – aber nur solange, bis sie so groß ist, dass ein Verbot auch wieder unpraktikabel erscheint.
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