Donnerstag, Mai 22, 2025

Weisung aus Wien: Staatsanwaltschaft Krems prüft Pilnacek-Wiederaufnahme

Am 22. April 2025 hat die Staatsanwaltschaft Krems eine Weisung aus Wien erhalten. Jetzt muss sie eine Wiederaufnahme der Ermittlungen zur Pilnacek-Todesursache prüfen. Der Pilnacek-Damm der ÖVP ist endgültig gebrochen.

Am 22. April 2025 erhielt Susanne Waidecker als Leiterin der Staatsanwaltschaft Krems eine überraschende Weisung. Die Oberstaatsanwaltschaft in Wien „ersuchte um Prüfung, ob Gründe für eine Fortführung des betreffenden Ermittlungsverfahrens vorliegen, und dafür weitere Ermittlungen oder Beweisaufnahmen durchzuführen bzw. anzuordnen, darunter die Beischaffung der obgenannten Privatgutachten und Stellungnahmen“. So steht es in der Antwort des Justizministeriums auf die Anfrage von ZackZack.

Das „betreffende Ermittlungsverfahren“ ist das Verfahren, in dem die StA Krems wenige Stunden nach dem Auffinden des leblosen Sektionschefs Pilnaceks Todesursache ermitteln sollte.

Am 1. März 2024 war Schluss. Die Kremser Staatsanwältin Anna W. schloss den Akt „Pilnacek“. Ein halbes Jahr schlampiger Ermittlungen, verwischter Spuren und verschwundener Datenträger hatte zu einem eindeutigen Ergebnis geführt: Es war „Selbstmord“, obwohl weder das Wort „Selbstmord“ noch „Suizid“ im Gutachten des Gerichtsmediziners vorgekommen war.

Druck auf Staatsanwaltschaft

Ein Jahr später war alles anders. Das ZackZack-Buch „Pilnacek – der Tod des Sektionschefs“ hatte den Fall noch einmal aufgerollt und mit zwei gerichtsmedizinischen Gutachten belegt, dass mit größter Wahrscheinlichkeit weder Selbstmord noch Unfall Todesursachen waren.

Der St. Pöltner Chefermittler Hannes Fellner wird inzwischen selbst von der WKStA wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs bei den Pilnacek-Ermittlungen als Beschuldigter verfolgt. Kurz nach der Weisung aus Wien wurde er aus dem Landeskriminalamt in St. Pölten ins Innenministerium zu Bundespolizeidirektor Michael Takacs verschoben.

Lange hatte sich die Staatsanwaltschaft Krems von den neuen Pilnacek-Recherchen nicht beeindruckt gezeigt. Statt möglicher Täter wurden die Aufdecker verfolgt. Obwohl man auch in Krems bald wissen musste, dass wir unschuldig waren, werden Kronen Zeitung-Journalist Erich Vogl und ich bis heute von der dortigen Staatsanwaltschaft verfolgt. Mir wird die Hehlerei des Pilnacek-Laptops vorgeworfen, obwohl für die Strafjustiz längst klar sein musste, dass ich ihn nie gesehen habe.

Jetzt ist alles anders. In Krems und in St. Pölten weiß man, dass die befohlene Beischaffung der beiden gerichtsmedizinischen Gutachten, die dem Pilnacek-Buch zugrunde liegen, das eigene Gebäude zum Einstürzen bringen wird.

„Prüfung“ in Krems

In Krems muss die Leitende Staatsanwältin Susanne Waidecker jetzt „prüfen“, ob die Wiederaufnahme der Pilnacek-Ermittlungen angeordnet wird. Aber auch jetzt läuft einiges seltsam.

Ausgangspunkt für die Prüfung ist das Pilnacek-Buch. Drei Tage nach Einlangen der OStA-Weisung erhielt der Wiener Unfallchirurg Dr. Wolfgang Schaden ein Schreiben der StA Krems. Susanne Waidecker als Leiterin der Staatsanwaltschaft wollte von ihm wissen, was in seiner Stellungnahme, die auf Seite 40 des Buches zitiert wird, steht.

grafik
grafik

Schaden hatte das gerichtsmedizinische Gutachten der Staatsanwaltschaft Krems geprüft und war stutzig geworden: „Diese Verletzungen beugeseitig an der Hand sind durch einen Sturz vornüber erklärbar. Die Verletzungen streckseitig am Handrücken können daher nicht gleichzeitig erfolgt sein.“

Auch die Verletzungen am oberen Rücken waren für Schaden, wie das Pilnacek-Buch auf Seite 40 festhält, nicht durch einen Sturz erklärbar: „Selbst bei einem Sturz nach hinten wäre es untypisch solche Verletzungen im Rückenbereich zu erleiden, da man üblicherweise nicht großflächig auf den Rücken stürzt, sondern durch Beugung in der Hüfte mit dem Gesäß am Boden auftrifft.“

Wolfgang Schaden antwortete der Staatsanwaltschaft Krems, er habe mir als Autor des Pilnacek-Buchs daher „empfohlen, einen oder besser mehrere gerichtlich beeidete Gutachter beizuziehen, um den Sachverhalt beurteilen zu lassen“.

Zwei Gutachten

Die Weisung der OStA umfasst genau diese Dokumente. Auch in Wien weiß man, dass die gerichtsmedizinischen Gutachten, die der Innsbrucker Rechtsmediziner Dr. Stefano Longato und sein Kollege Prof. Michael Tsokos in Berlin auf Schadens Rat hin erstellt haben, die entscheidenden Befunde enthalten. Beide Gutachten widerlegen überzeugend die Behauptung, Pilnacek habe Suizid begangen.

Die Anforderung dieser Gutachten würde das Pilnacek-Gebäude des Landeskriminalamts St. Pölten und der Staatsanwaltschaft Krems schnell zum Einsturz bringen. Alles dort baut auf „Suizid“ als Todesursache. Nur mit „Selbstmord“ konnte begründet werden, warum das private Handy von Pilnacek kein Beweismittel war und in einer Blitzaktion der Pilnacek-Witwe und Gerichtspräsidentin Caroline List „vererbt“ werden konnte. Nur „Selbstmord“ taugt als Rechtfertigung, dass auf eine Rufdatenrückerfassung verzichtet wurde.

ZackZack-Nachfragen ergaben: Bis jetzt sind keine Schreiben der Kremser Staatsanwältin in Innsbruck und Berlin eingelangt. Auch beim Auftraggeber der Gutachten hat sich die StA Krems bis jetzt nicht gemeldet.

Oberstaatsanwaltschaft blamiert

Aber kommt der Befehl zur Neuaufnahme aus der Oberstaatsanwaltschaft Wien? Ein Umstand spricht dagegen. Das Pilnacek-Buch, das jetzt alles auslöst, wurde am 18. Februar 2025 in der Wiener Kulisse präsentiert. Genau zehn Tage später reagierte die Oberstaatsanwaltschaft Wien mit einer Totalablehnung neuer Ermittlungen.

grafik

Die OStA-Mitteilung gipfelte in einem Satz: „Eine Beteiligung an bzw Kommentierung von Spekulationen und Mutmaßungen wird seitens der Ermittlungsbehörden nicht stattfinden.“ Zwei Monate später ist davon nicht mehr die Rede. Das Buch ist jetzt offizieller Auslöser der möglichen Neuaufnahme der Ermittlungen.

Gemeinsam mit Landeskriminalamt Niederösterreich und Staatsanwaltschaft Krems gehörte auch die OStA Wien zur Gruppe, die das Verfahren in Manier des verstorbenen Sektionschefs „daschlogn“ wollte.

Daher scheint es plausibel, dass die ursprüngliche Weisung aus dem Justizministerium selbst kam. Dessen Pressestelle wollte auf eine diesbezügliche Nachfrage nicht eingehen und wiederholte nur: „Die Weisung wurde von der zuständigen OStA erteilt.

180 Grad-Drehung

In diesem Zusammenhang erscheint die Verschiebung des bisherigen Pilnacek-Chefermittlers aus dem Landeskriminalamt in die Bundespolizeidirektion in Wien in neuem Licht. In der Pilnacek-Affäre ist Chefinspektor Hannes Fellner Beschuldigter der WKStA. Sollte die Staatsanwaltschaft Krems neue Ermittlungen anordnen, könnten diese schwer von einem Beschuldigten geführt werden.

Alles deutet darauf hin, dass Pilnacek-Buch, Volksanwaltschafts-Prüfung und drohender Pilnacek-U-Ausschuss die Staatsanwaltschaft Krems zu etwas gezwungen haben, wozu sie aus Eigenem nicht bereit gewesen wäre. Wer die 180 Grad-Drehung der Oberstaatsanwaltschaft Wien veranlasst hat, ist noch nicht klar: die zuständige Sektionsleiterin im Justizministerium, das Kabinett oder die Justizministerin selbst.

Vielleicht gibt es auch eine Erklärung, die nicht direkt mit dem Justizministerium zu tun hat: Auch in der Oberstaatsanwaltschaft Wien hat man erkannt, dass der türkise Damm nicht mehr zu flicken ist – und versucht jetzt, sich selbst auf Kosten der Staatsanwaltschaft Krems in Sicherheit zu bringen. Spätestens im Pilnacek-U-Ausschuss wird es eine Antwort auf diese Frage geben.

Im Gegensatz zum Justizministerium hat die StA Krems die Fragen von ZackZack nicht beantwortet.

Für Chefinspektor Hannes Fellner und die Leitung der StA Krems gilt die Unschuldsvermutung.


Titelbild: HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com, HELMUT FOHRINGER / apa / picturedesk.com, Screenshot StA Krems

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

LESEN SIE AUCH
webseite banner 2000x400

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

124 Kommentare

124 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Die Hintergründe zum Pilnacek-U-Ausschuss

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!

buch werbebanner 600x1200 sidebar