Freitag, Mai 16, 2025

Pilnacek-Wiederaufnahme: nur ohne Staatsanwaltschaft Krems

Die Staatsanwaltschaft Krems soll noch einmal im Fall „Pilnacek“ ermitteln. Aber sie kann es nicht – weil sie wie das Landeskriminalamt St. Pölten selbst im Mittelpunkt von Untersuchungen steht. Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft Krems sind befangen. Die Entscheidung liegt jetzt bei Justizministerin und Innenminister.

Das war der Dammbruch. Seit das Justizministerium die Weisung der Oberstaatsanwaltschaft an die Staatsanwaltschaft Krems bestätigte, ist klar, dass der Pilnacek-Damm von Innenminister und ÖVP nicht mehr gehalten hat.

Gleichzeitig scheint alles wie ein letzter, verzweifelter Rettungsversuch. Noch am 28. Februar 2025 glaubte die Oberstaatsanwaltschaft Wien, alles in gewohnter Manier vom Tisch wischen zu können. „Eine Beteiligung an bzw Kommentierung von Spekulationen und Mutmaßungen wird seitens der Ermittlungsbehörden nicht stattfinden.“ Am 22. April 2025 kam dann die Weisung, die alles auf den Kopf stellte. Die OStA Wien gab den Auftrag, „die obgenannten Privatgutachten und Stellungnahmen beizuschaffen“.

Trotz Weisung Gutachten nicht angefordert

In Krems weiß man, was das bedeutet. Mit der „obgenannten Stellungnahme“ ist es noch eher einfach. Der erfahrene Wiener Unfallchirurg Dr. Wolfgang Schaden erklärte für mein Pilnacek-Buch, wie die Verletzungsmuster des offiziellen gerichtsmedizinischen Gutachtens der StA Krems nicht zu einem einfachen Unfallgeschehen und damit wohl auch nicht zu einem „einfachen“ Suizid passten. Schaden hat der Kremser Behörde seine Stellungnahme übermittelt.

Ganz anders verhält es sich mit den beiden gerichtsmedizinischen Gutachten. Dr. Stefano Longato aus Innsbruck kommt zu einem aus Kremser Sicht verheerendem Schluss: „Der kolportierte Suizid erscheint aus gerichtsmedizinischer Sicht als wenig wahrscheinlich.“ Der Berliner Rechtsmediziner Prof. Michael Tsokos geht noch weiter: „Für ein Ertrinken liegen keinerlei wirklich überzeugende Obduktionsbefunde vor, im Gegenteil, die für ein Ertrinken typischen Befunde fehlen fast gänzlich.“

Dann kommt Tsokos zum zentralen Punkt: „Die im Obduktionsprotokoll näher beschriebenen Verletzungen am Kopf (Stirn/Augenbraue) rechtsseitig und in der Halsmuskulatur linksseitig (sind) als Folge stumpfer äußerer Gewalt, sehr wahrscheinlich durch Schläge, zu interpretieren. Hierzu würden die möglichen Abwehrverletzungen (,Parierverletzungen‘) an linkem Unterarm und rechter Hand passen.“

Darauf stellt Tsokos die entscheidende Frage: Könnte nicht doch ein Kampf am Ufer, verbunden mit Flucht des Christian Pilnacek am Ufer und anschließendem Hineinspringen (zur Selbstrettung), Hineinfallen (aufgrund der Dunkelheit und widrigen örtlichen Gegebenheiten am Ufer?) oder Hineingestoßen werden, für die Vielzahl von Verletzungen ursächlich sein?“

StA Krems deckt Landeskriminalamt

Genau davon wollte man in Krems nichts hören. Es war doch gut gelaufen: Schon nach wenigen Stunden hatte das Landeskriminalamt St. Pölten einfach Selbstmord behauptet. Es stimmt, die Obduktion, die man vergeblich verhindern wollte, fand erst sechs Tage später statt. Aber das Ergebnis stand sofort fest: Selbstmord.

Damit konnte man das heikle Handy des Toten aus den Ermittlungen verschwinden lassen. Wer jetzt nachfragte, was Pilnaceks letzte Nachrichten waren; wen er mitten in der Nacht um Hilfe gebeten hatte; wem er möglicherweise gedroht hatte und mit wem er ein Treffen in Rossatz mitten in der Nacht ausgemacht hatte – das alles verschwand mit dem Handy.

Natürlich war das Handy ein Beweismittel, aber das störte von den Beteiligten niemanden: die Polizisten, die es blitzartig nach Graz „vererbten“; die Gerichtspräsidentin, die es mitsamt aller Daten und Beweise mit dem Bunsenbrenner zu einem Klumpen verschmorte; und die Staatsanwaltschaft in Krems, die erst Wochen, nachdem sie das Ermittlungsverfahren im April 2024 beendet hatte, überhaupt vom Handy erfuhr.

„Ein Suizid, wie er klarer nicht sein könnte. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen“. Das erklärte Staatsanwalt Franz Hütter als Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Krems. Es ist durchaus möglich, dass er sich für diesen Satz heute in seinen Hintern beißt. Aber das nützt nichts mehr. An allem, was versäumt, vertuscht und vernichtet worden ist, trägt die StA Krems dieselbe Verantwortung wie die federführenden Polizisten in St. Pölten und in Wien.

Amtsmissbrauch auch in Krems?

Zu ihren Gunsten kann die Kremser Staatsanwaltschaft nur eines anführen: Sie hat selbst nicht viel getan. Die Staatsanwaltschaft Krems hat nur alles gedeckt, was in St. Pölten und Wien passiert ist. Im Standard-Forum fragte ein User dazu treffend: „Was macht die Staatsanwaltschaft Krems eigentlich beruflich?“

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Die Antwort darauf werden Pilnacek-Untersuchungsausschuss und WKStA finden. Sie stehen vor einigen Fragen:

  • Warum verfolgt die StA Krems bis heute statt Tatverdächtiger die Aufdecker?
  • Warum rechtfertigt die StA Krems den seltsamen Umgang mit Beweismitteln?
  • Warum hat auch sie statt der Todesursache nach Datenträgern suchen lassen?
  • Steht die Leiterin der StA Krems damit wie die Leiter der Mordkommission in St. Pölten im Verdacht des Amtsmissbrauchs?
  • Und vor allem: Was tut die Leitende Staatsanwältin Susanne Waidecker jetzt?

Jeder der Schlüsselsätze in den beiden gerichtsmedizinischen Gutachten zerstört das Kremser Gebäude aus Behauptungen und Rechtfertigungen. Aber es kommt noch etwas dazu: Wenn die Leiterin der Staatsanwaltschaft Krems der Weisung nachkommt, muss sie den Auftraggeber der beiden Gutachten um die Herausgabe ersuchen. Die Aufträge wurden im Zuge der Recherche für mein Pilnacek-Buch erteilt, der Auftraggeber bin ich. Bis heute habe ich keine Post aus St. Pölten bekommen.

StA Krems befangen

Eines steht jedenfalls fest: Eine Behörde, die selbst im Mittelpunkt von Untersuchungen steht, kann nicht Untersuchungen in derselben Sache führen. Sie ist befangen. Es gibt zwei Behörden, die man aus diesem Grund von allen neuen Ermittlungen im Fall „Pilnacek“ ausschließen muss: das Landeskriminalamt in St. Pölten und die Staatsanwaltschaft Krems.

Beide hatten die Chance, im Fall „Pilnacek“ seriös und umfassend zu ermitteln. Beide haben diese Chance verspielt. Jetzt ist es Aufgabe der zuständigen Minister und Ministerinnen, hier für Ordnung zu sorgen. Nur im Fall der Justizministerin scheint die Hoffnung, dass das geschieht, berechtigt.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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