Freitag, Juni 20, 2025

Das Krisenbudget schreit nach Vermögenssteuern

Finanzminister Markus Marterbauer muss das Budget sanieren, das seine unfähigen Vorgänger ruiniert haben. Vielleicht springt die ÖVP doch noch einmal über ihren Schatten? 

Die Lage ist “besorgniserregend”, er werde sie schildern, “ohne irgendetwas zu beschönigen”, das Land würde ohne Gegenmaßnahmen auf eine Staatsschuldenquote von 97 Prozent zusteuern, sagte Finanzminister Markus Marterbauer bei seiner Budgetrede im Parlament. Und: “Wir schnüren ein großes Sanierungspaket, aber wir betreiben keine Austeritätspolitik, darauf lege ich wert.” 

Die öffentlichen Haushalte sind in den vergangenen Jahren dramatisch aus dem Ruder gelaufen. Einerseits wurden Steuergeschenke verteilt wie ungedeckte Schecks, und nichts davon war gegenfinanziert. Andererseits steckt das Land seit bald drei Jahren in einer hartnäckigen Rezession, was Staatseinnahmen automatisch reduziert und Ausgaben beinahe ebenso automatisch erhöht. Das Ergebnis ist ein Budgetdefizit von 4,7 Prozent.  

Markus Marterbauer, der linke Volkswirt, einstige WIFO-Konjunkturforscher und zuletzt Arbeiterkammer-Chefökonom, muss jetzt tun, was er nie tun wollte. Mitten in einer Krise auch noch Ausgaben senken und Abgaben erhöhen. Und das nicht zu knapp: 6,4 Milliarden in diesem Jahr, 8,7 im kommenden.  

Es ist eine Paradoxie: die SPÖ hat mit Andreas Babler den linkesten Vorsitzenden seit langem, mit Markus Marterbauer einen der kundigsten Keynesianer seit Menschengedenken in der Regierung, aber ihre Aufgabe ist es jetzt, den Schutt wegzuräumen und das Desaster zu reparieren, das andere angerichtet haben.  

Schmerzhafte Kürzungen

Der Sparkurs ist schmerzhaft, beginnend mit dem Streichen des Klimabonus, was den Wohlhabenden nicht wehtut, aber weniger wohlhabenden Familien dann gleich einmal einige hundert Euro im Jahr kosten wird. Die Inflationsanpassung der Familienleistungen und anderer Sozialtransfers wird ausgesetzt – auch das trifft Ärmere deutlich stärker als die wohlhabende Mittelschicht. Und (fast) jede gekürzte Subvention, jede gestrichene Förderung betrifft am Ende der Kette ganz normale Leute, die eine sinnvolle Leistung nicht bekommen oder ein sowieso kleines Einkommen dann nicht haben werden. Auch wenn das alles sehr balanciert ist, wird es schmerzhaft spürbar sein.

Demgegenüber stehen wiederum Förderungskürzungen für Unternehmen, ein Streichkonzert bei Förderungen der öko-sozialen Transformation, höhere Steuern für Konzerne im Umfang von mehreren hundert Millionen Euro, die Verlängerung des erhöhten Spitzensteuersatzes. Sozial gerecht, aber weh tun wird das dennoch. 

Angesichts unerfreulicher Umstände ist es geradezu ein Glück, einen Könner, Experten und gewinnenden Kommunikator wie Markus Marterbauer an dieser Stelle zu haben, man kann da wenigstens darauf vertrauen, dass diese unschöne Aufgabe von einem Fähigen erledigt wird, der nun die Katastrophe wegräumt, die Unfähige angerichtet haben.

Man braucht sich da auch nichts schönreden: angesichts des Wahlergebnisses vom Herbst war es eine staatspolitische Verantwortung und eine Forderung vieler Seiten, dass alles getan wird, um eine rechtsextreme Kickl-Regierung und eine Orbanisierung des Landes zu verhindern. Was aber zugleich bedeutete, dass die SPÖ eine Regierung mit ÖVP und NEOS bilden musste. Jeder mit etwas Realitätssinn weiß, ein allein linkes Regierungsprogramm sähe anders aus – und damit auch ein Konsolidierungsplan. Aber auch ein rechtes Regierungsprogramm sähe anders aus – da gäbe es einen sozialen und ökologischen Kahlschlag, den man sich gar nicht ausmalen mag.  

Marterbauer agiert innerhalb von Sachzwängen, die die ökonomische Realität setzt – und die diese politische Realität setzt.  

Der Ambiguitäten nicht genug: Es wäre gewiss sinnvoller, in der Krise die Staatsausgaben zu erhöhen und die Konjunktur zu beleben und in der Hochkonjunktur zu konsolidieren. Gerade für ein kleines Land wie Österreich wäre das besonders attraktiv. Wenn die Wirtschaft unserer Haupthandelspartner in der EU brummt, könnten wir – theoretisch – spielend konsolidieren. Leider stagniert aber beispielsweise die deutsche Wirtschaft auch und die gesamte europäische laboriert an den Kosten der grassierenden globalen Unsicherheit. Die Konsolidierung ist aber leider nicht mehr so leicht zu verschieben, wenn ein Budgetdefizit von 5,7 Prozent drohen würde und eine Schuldenquote von beinahe 100 Prozent.  

Nächste Ambiguität: Auch die Unternehmen sind im Augenblick kaum mehr weiter belastbar, wie die Krise der Industrie zeigt. Die Energiepreise haben die österreichische Wettbewerbsposition deutlich verschlechtert. Der fatalste Fehler der letzten Bundesregierung war, die Inflation einfach durch die gesamte Wirtschaft durchrauschen zu lassen, sodass wir Spitzenreiter bei den Preissteigerungen waren. Zwangsläufig mussten die Gewerkschaften dann Lohnerhöhungen durchsetzen, um Reallohnverluste zu vermeiden, was aber dann erst recht die relative Wettbewerbsposition gegenüber anderen Ländern verschlechterte. Dass die Vorgängerregierung also die Inflation nicht einmal zu bremsen versuchte führt jetzt zu Stagnation, Arbeitsplatzverlust und explodierenden Defiziten, ist aber kurzfristig nicht mehr zu ändern.  

Das Konsolidierungspaket bremse ohne Zweifel die wirtschaftliche Entwicklung und behindere die Erholung der Konjunktur, er habe aber Maßnahmen favorisiert, “deren bremsende Effekte möglichst gering” seien, sagte Marterbauer. Der Wegfall des Klimabonus wird etwa in den mittleren und höheren Einkommensetagen kaum den Konsum bremsen, sondern vielleicht sogar die unnatürlich hohe Sparquote reduzieren.

Sparen bei Vereinen und Kapellen statt bei Reichsten

Gewiss freilich hätte es noch weitere Maßnahmen gegeben, die noch präziser, vernünftiger und gerechter gewesen wären. Noch immer gibt es in Österreich kaum vermögensbezogene Steuern, keine Vermögenssteuer, noch nicht einmal eine Erbschaftssteuer. Nicht einmal ein solches maßvolles Erbschaftssteuerkonzept wie jenes, das Wolfgang Schäuble, bekanntlich alles andere als ein Bolschewik, in Deutschland einführte. Große Erbschaften sollten natürlich besteuert werden, das fordert sogar die OECD seit Jahren von Österreich. Aber die ÖVP hat sich ideologisch einbetoniert. Jetzt wird den Sportvereinen und Blasmusikkapellen die Förderung gestrichen, den Familien die Leistungen nicht mehr inflationsangepasst, nur wegen einer ideologischen Verbohrtheit, die niemanden außer das reichste Prozent der Erben schützt. Vielleicht kann man ja irgendwann einmal die ÖVP daran erinnern, dass beide Bevölkerungsgruppen zu ihrem Wählerreservoir zählen und es vielleicht auch aus parteistrategischen Gründen gescheiter wäre, sich zu bewegen.

Markus Marterbauer kann sicher vernünftig-sachlich erklären, warum das ökonomisch sinnvoll ist. Der erfrischende Pragmatismus, den Christian Stocker gerade zur Überraschung vieler kultiviert – könnte er nicht auch hier zum Tragen kommen? Etwas mehr an vermögensbezogenen Steuern, dafür etwas weniger an Kürzungen, die dem Land schaden, das ist eigentlich keine Frage von Ideologie mehr, sondern eine der ökonomischen Vernunft.  

In Sonntagsreden ist oft von der Krise als Chance die Rede, und oft ist das klischeebeladenes Gelaber. Aber in dieser Situation ist vielleicht auch etwas dran. Die nunmehrige Lage ist auch die Stunde für Vernünftigkeit und besonnene Sachlichkeit. Und das kann, angesichts der Vertrottelheit und Gereiztheit der Krawalldiskurse durchaus auch eine Chance sein. “Österreich kann, wenn es will”, dieser Satz zog sich wie ein roter Faden durch Marterbauers Budgetrede. Wäre eigentlich ganz fein, wenn er recht behält.  


Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Robert Misik

    Robert Misik ist einer der schärfsten Beobachter einer Politik, die nach links schimpft und nach rechts abrutscht.

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