Samstag, Juni 21, 2025

Zensururteile gegen ZackZack: Amtsgebrauch statt Amtsmissbrauch

Zwei Tage, zwei Verurteilungen und neue SLAPP-Klagen gegen ZackZack: Wenn Richter zu Zensoren werden, ist die Pressefreiheit in Gefahr.

„This is happening now. In America they are prosecuting people for using their right to free speech and voicing their dissent.“ So hat Bruce Springsteen gerade sein erstes Konzert auf seiner Europa-Tournee in Manchester eingeleitet.

So weit sind wir nicht. Aber es geht auch bei uns in diese Richtung. Das habe ich in den letzten beiden Tagen zwei Mal erlebt. Am Dienstag und am Mittwoch ist ZackZack wegen meiner Pilnacek-Recherchen verurteilt worden. Zwei Mal waren die Begründungen der Richter bestenfalls absurd.

Das L-Wort

Richter 1 verhandelt gegen ZackZack, weil wir Pilnaceks letzte Gefährtin Karin Wurm als „Lebensgefährtin“ bezeichnet haben. Wir schlagen einen Vergleich vor: Wir wollen das Wort „Lebensgefährtin“ nur noch dort verwenden, wo es um amtliche Dokumente geht, in denen dieses Wort vorkommt.

Das ist aus einem einfachen Grund wichtig: Karin Wurm hat Akteneinsicht in den Pilnacek-Verfahren in Krems und Wien bekommen, weil Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwaltschaft und Justizministerium entschieden haben, dass sie L-Gefährtin von Pilnacek war und damit wie die Witwe als Ofer zu behandeln ist.

Die Witwe – das ist die Grazer Gerichtspräsidentin, die mit Pilnaceks Handy ein Beweismittel vernichtet hat. Jetzt meint sie, dass das alle ihre Privatsphäre ist. Und in der haben Journalisten nichts verloren.

Der Richter hat sich am Dienstag auf die Seite der Gerichtspräsidentin geschlagen. Eine Justizentscheidung ist ab jetzt „privat“, Berichterstattung ist verboten.

Das ist in der Entstehung Richterwirtschaft und im Ergebnis Zensur.

Amtsgebrauch

Gestern war ich selbst dabei, als ein ehemaliger Schriftführer des Golfclubs von Sigi Wolf über uns zu Gericht saß. Bei Richtern wie Herrn Noe weiß man von Anfang an, dass es nicht um Amtsmissbrauch, sondern um Amtsgebrauch geht.

Gleich zu Beginn der gestrigen Verhandlung stellten wir fest, dass Richter Noe das wichtigste neue Aktenstück nicht kannte: die Einstellungsbegründung der WKStA in ihrem Verfahren gegen den Polizisten, der ZackZack geklagt hat.

Die Oberstaatsanwaltschaft Wien scheint auch dieses WKStA-Verfahren erfolgreich „daschlogn“ zu haben. Die WKStA sicherte mit einer Einstellungsbegründung, die sich wie die Ausführungen zu einer Anklage lesen, die Ergebnisse ihrer Ermittlungen. Der OStA blieb nichts übrig, als auch das veröffentlichen zu lassen.

Darin wird Chefinspektor Fellner all das vorgeworfen, wofür wir geklagt worden sind. Richter Noe hat das Dokument bekommen und mit ihm unseren Antrag, mit der fallführenden Oberstaatsanwältin der WKStA auch seine Verfasserin als Zeugin zu laden.

Richter Noe lehnte ab, vielleicht auch, weil er schon einen Zettel vorbereitet hatte, von dem er unsere Verurteilung las. Tagelang hatte Richter Noe die Zeugen der Gegenseite zu Wort kommen lassen. Unsere wichtigste Zeugin durfte nicht kommen.

Ohne unsere Beweise und ohne unsere Zeugin lochte Richter Noe ein: schuldig. Wir haben Berufung angemeldet.

Exempel und nächste Klage

Mit den beiden Urteilen ist es wieder in Stück enger geworden. Von Krems und St- Pölten bis Wien signalisieren große Teile der Strafjustiz, dass unter ihnen nicht die Täter, sondern die Aufdecker verfolgt werden.

ZackZack wird zum Exempel. Mit der Pilnacek-Recherche haben wir mitten ins Schwarze getroffen. Jetzt schlägt das Schwarze zurück. Wenn wir in die Knie geklagt werden können, wissen politische Täter und ihre Anwälte, dass es geht. Dann kommen die nächsten dran.

Heute im Kurier wird Karin Wurm als „Lebensgefährtin“ von Pilnacek bezeichnet. In der ZiB 2 nannte sie Armin Wolf genau das. Kurier und ORF haben noch nichts zu befürchten. Jetzt geht es einmal um uns und um die erste Frage, wer stärker ist: Rechtsstaat, Korruptionsbekämpfung und Pressefreiheit – oder die Staatsanwälte, Polizisten und Richter der Familie.

Gerade ist übrigens die nächste Klage eingelangt. Sie stammt von Landespolizeidirektor Franz Popp. Vielleicht kommen demnächst die Klagen der Herren, die derzeit noch hinter dem Vorhang alles abzuwarten scheinen: Wolfgang Sobotka und Sebastian Kurz.


Titelbild: ZackZack / HELMUT FOHRINGER / apa / picturedesk.com

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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