Die Oberstaatsanwaltschaft Wien hat mit einer Weisung versucht, eine Pilnacek-Stellungnahme der WKStA in entscheidenden Punkten zu verändern und möglicherweise zu verfälschen. ZackZack liegt die umstrittene Weisung vor.
Seit Monaten wächst der Druck auf die WKStA, das Amtsmissbrauchs-Verfahren gegen zwei schwer belastete Polizisten des Landeskriminalamts St. Pölten einzustellen. Im Mai 2025 war es endlich geschafft.
Die Oberstaatsanwaltschaft Wien hatte den beschuldigten Beamten gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft Krems verlässlich die Mauer gemacht und war der WKStA noch Ende Februar mit einer öffentlichen Erklärung in den Rücken gefallen.
Jetzt schien alles erledigt. Die WKStA war zur Einstellung bereit und hatte ihr Vorhaben, das zu tun, an ihre Oberbehörde, die OStA Wien, zur Genehmigung vorgelegt. Als man dort die Begründung der WKStA las, wusste man, dass das alles andere als eine Entlastung der schwer belasteten Kriminalpolizisten und ihrer Hintermänner war.
Begründung wie Anklage
Die Einstellungsbegründung der WKStA las sich wie die Begründung einer Anklage gegen Chefinspektor Hannes Fellner. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, dass er genau gewusst habe, dass er mit Pilnaceks Handy ein Beweismittel in den Händen hielt:
„Die Todesursache war am Tag des Ablebens nicht geklärt, ein Ermittlungsverfahren samt Obduktion offen und der Beweiswert des Mobiltelefons für die beiden Ermittler evident.“
Fellners Ausrede, das Handy habe nur einen geringfügigen Wert gehabt, ließ die WKStA nicht gelten:
“Dass vor diesem Hintergrund Gegenstände, die ganz offensichtlich nicht von geringem Wert waren, nicht an den Gerichtskommissär, sondern an den Rechtsanwalt der Ehegattin ausgefolgt wurden, kann nicht nachvollzogen werden. “
Persilschein 1: „potentielles“ Beweismittel Handy
An diesem Punkt traf die Spitze der OStA Wien unter der Führung ihres stellvertretenden Leiters Michael Klackl eine weitreichende Entscheidung. Auf 19 Seiten wurde die Einstellungsbegründung der WKStA umgeschrieben und die WKStA mittels Weisung beauftragt, ihre Begründungen durch die teils gegensätzlichen Begründungen der OStA zu ersetzen.
Plötzlich heißt es: „Im dritten Absatz auf Seite 10 des Berichts hat es anstelle von „ (…) und dass es sich bei dem Mobiltelefon um ein wesentliches Beweismittel in einem Ermittlungsverfahren zur Klärung der Todesursache handelt (…)“ zu lauten: „und dass es sich bei dem in ihrem Gewahrsam befindlichen Mobiltelefon (…) um ein (potentielles) Beweismittel handelte“.
Das „potentielle Beweismittel“ sollte laut OStA nur noch einen „Beitrag zur Klärung der Todesursache“ leisten. Es ging nur noch um „die zu diesem Zeitpunkt naheliegende Annahme, dass es sich um einen – nicht durch eine Straftat verursachten – Selbstmord handelte“.
Persilschein 2: „Danach sind folgende Absätze einzufügen”
Der härteste Vorwurf der WKStA traf Fellners Übergabe des Beweismittels “Pilnacek-Handy” an den Anwalt von Gerichtspräsidentin und Pilnacek-Witwe Caroline List:
„Dieses Prozedere lässt vermuten, dass die am 20. Oktober 2023 erfolgte Ausfolgung der persönlichen Gegenstände, insbesondere des möglicherweise beweisrelevanten Mobiltelefons an Mag. S. vom LKA Niederösterreich bewusst nicht nach außen offengelegt werden sollte, weil dieses Vorgehen ohne Rechtsgrundlage in aller Eile ohne dokumentierte staatsanwaltschaftliche Einbindung erfolgt ist“.
Der nächste OStA-Befehl machte mit dem WKStA-Vorwurf kurzen Prozess:
„Danach sind folgende Absätze einzufügen: CI Fellner und AI P. nahmen davon Abstand, eine Auswertung des Mobiltelefons in die Wege zu leiten oder die Staatsanwaltschaft Krems zu kontaktieren, um diesbezüglich weitere Anordnungen einzuholen. (…) Dass sie aber im Wissen gehandelt hätte, ihnen in der konkreten Situation aus den Vorgaben der Strafprozessordnung erwachsenen Pflichten zu vernachlässigen“ ist „nicht anzunehmen“.
Für die WKStA war die Aktion „List“ ein „Vorgehen ohne Rechtsgrundlage“. Für die OStA war das einfach „nicht anzunehmen“. Punkt, aus, erledigt.
Persilschein 3: „… der Witwe zukommen lassen wollten…“
Aber wie kam das Handy zu Caroline List und ihrem Bunsenbrenner? Für die WKStA war es eine Aktion ohne gesetzliche Grundlage. Für die OStA war es die Erfüllung eines Wunsches, weil „die Abholung des Mobiltelefons (…) durch Polizeibeamte allein aus dem Grund erfolgte, dass Wurm und P. diese Gegenstände nicht behalten, sondern der Witwe zukommen lassen wollten“.
Das ist eine freie Erfindung der OStA. In der Einvernahme von Anna P. gab die Sobotka-Mitarbeiterin unmissverständlich an, „dass die Beamten sagten, dass die Sachen der Gattin von Mag. Pilnacek gehören würden und dass diese an sie, also an die Gattin, zu übergeben seien“.
Bei der OStA wurde aus der Aufforderung durch die Kriminalbeamten ein Wunsch der beiden Frauen, die mit Pilnacek in Wurms Haus Rossatz gewohnt hatte. Damit besteht der Verdacht, dass die OStA die Begründung der WKStA verfälschen wollte.
Persilschein 4: “… für Tatverdacht nicht von Belang…”
Der nächste OStA-Befehl lautete:
„Der Beginn des ersten Absatzes auf S 21 des Berichts („Zwar ist aufgrund der Ermittlungsergebnisse zweifelsfrei davon auszugehen, dass CI Hannes Fellner und AI Markus P. durch in offensichtlicher Ermangelung einer Rechtsgrundlage erfolgte Übergabe der persönlichen Gegenstände des Verstorbenen an den Rechtsanwalt der Witwe wissentlich gegen ihnen eingeräumte Befugnisse verstießen“ ist zu ersetzen durch:
(Es) bleibt offen, ob Fellner und P. annahmen (…), dieses (…) Vorgehen wäre durch eine (anderweitige) Rechtsgrundlage gedeckt. Für die Beurteilung des Tatverdachts ist das auch nicht von Belang“.
Wenn es keine Rechtsgrundlage gibt, reicht die mögliche Annahme einer „anderweitigen“ Rechtsgrundlage und alles scheint wieder in OStA-Butter.
Der Generalpersilschein:
In der OStA schien man zu wissen, dass die einzelnen Persilscheine nicht ausreichten. Auch dafür gab es eine Lösung – den Generalpersilschein:
„Ein (sinngemäßes) Wissen um wesentliche Bestimmungen der StPO, die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Befugnisse maßgebend sind, ist bei (zumal erfahrenen und führen tätigen) Kriminalbeamten vorauszusetzen, eine sichere Lösung (im Sinne des Wissens um die Richtigkeit) der sich in der konkreten Situation stellenden strafprozessrechtlichen Fragen kann ihnen jedoch nicht abverlangt werden.“
Die Kripo-Männer sollten also die Bestimmungen der Strafprozessordnung kennen – aber sie mussten sie nicht völlig verstehen. Wenn ihr Vorgehen vielleicht doch illegal war, dann nicht aus Absicht, sondern aus Unwissenheit. In der OStA scheint man anzunehmen, dass die Gesetze von der Polizei nach der Trial and Error-Methode angewendet werden. Für den Fall, dass dabei etwas schiefgeht, gibt es die StA Krems und ihre Oberbehörde, die OStA Wien.
Weisung vor Untersuchungsausschuss
Die Persilschein-Weisung diente möglicherweise einem einfachen Zweck: das Ermittlungsverfahren gegen die St. Pöltner Beamten so zu beenden, dass für den Pilnacek-Untersuchungsausschuss möglichst wenige Spuren des „Daschlogns“ sichtbar bleiben.
Auch in diesem Fall ist nicht auszuschließen, dass die Oberstaatsanwaltschaft Wien das Gegenteil erreicht hat.
Titelbild: EVA MANHART / APA / picturedesk.com, HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com