Samstag, Juni 21, 2025

Verheerend

Es ist schon wieder passiert. Und schon wieder gab es keine Volksabstimmung darüber. Das Österreichische Bundesheer kauft Flugzeuge und verschleudert eine Milliarde Euro.

Es ist ein Geschäft, das still und heimlich noch am Ende der ÖVP-Grünen-Regierung eingefädelt wurde, wie Fabian Schmid, Renate Graber, Fabian Sommavilla und Martin Tschiderer in Der Standard berichten:

Es ist Samstag, sieben Uhr früh, als Klaudia Tanner das Milliardengeschäft verkündete. „Heute“, wie es in der Aussendung heißt, habe sich die türkise Verteidigungsministerin dafür entschieden, zwölf Stück des Leonardo-M-346FA-Jets zu kaufen. Verschickt am 28. Dezember, zwischen Weihnachten und Silvester. Die wenige Aufmerksamkeit, die der Politik da geschenkt wird, wird von den Koalitionsgesprächen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos aufgesogen.

In der Krone machte ein Kommentar von Christian Baha im März auf das Thema aufmerksam.

Ein neuer Akt zum Daschlogn?

Ob es wieder ein Akt wird, den man wieder »daschlogn« muss? Jedenfalls ist es laut oben genannten Autorinnen und Autoren schon ein Akt:

Bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist zudem eine detaillierte Sachverhaltsdarstellung eingegangen, deren anonymer Autor schwere Vorwürfe gegen hochrangige Bundesheerbeamte erhebt. Zu teuer sei der geplante Deal mit dem italienischen Rüstungskonzern; zu undurchsichtig das Netz an Lobbyisten. Und auch im Heer soll es brodeln. Stögmüller berichtet in seiner Anfrage von Unstimmigkeiten zwischen verschiedenen Abteilungen.

Aus welchen Gründen auch immer diese Sache weitgehend unter dem Radar der Medien segelt – es ist verständlich, dass in Zeiten, in denen die Budgetsanierung jeden kleinen Bereich trifft, eine solche Anschaffung Fragen aufwirft.

Ist die Verteidigungsministerin kompetent?

Die zuständige Ministerin ist ein Überbleibsel aus der Zeit von ÖVP-Chef Kurz. Kurz‘ engster Freund und Berater Stefan Steiner – genau Dr. Stefan Franz Helmuth Steiner – hatte damals maßgeblichen Einfluss auf Sebastian Kurz. Und so lesen wir in Klaus Knittelfelders Buch Inside Türkis über Klaudia Tanner folgendes:

Auch sieht es in der ÖVP niemand kritisch, dass Steiners Schwägerin Klaudia Tanner 2020 völlig überraschend Verteidigungsministerin wurde – und zwar ohne je viel mit dem Heer zu tun gehabt zu haben. Zuvor war Tanner Chefin des niederösterreichischen Bauernbundes.

Es sieht ein wenig so aus, als wäre nicht nur Tanner, sondern der geplante Ankauf aus früheren Zeiten durchgerutscht. Die mangelnde Transparenz der Angelegenheit hat jedenfalls den Grünen-Abgeordneten und -Verteidigungssprecher David Stögmüller auf den Plan gerufen. Der Standard hat den Grünen Abgeordneten David Stögmüller dazu befragt:

Zu teuer und nicht zweckgemäß seien die Leonardo-Jets, merken Kritiker bald an. Überrumpelt werden etwa die Grünen, damals noch formaler Koalitionspartner der Volkspartei. Verteidigungssprecher David Stögmüller sieht den geplanten Deal mehr als skeptisch. „Warum zahlt Österreich für dieselben Leonardo-M-346-Jet-Trainer doppelt so viel wie andere Länder?“, fragt der grüne Abgeordnete. Er hat „massive Zweifel an der Transparenz und Wirtschaftlichkeit des Beschaffungsprozesses“ und wird dazu mehrere parlamentarische Anfragen einbringen.

Den Höchstpreis bezahlt

Kritisiert wird auch, dass Österreich für die Geräte einen Preis zahlt, der weit über dem liegt, was andere dafür ausgegeben haben. Dazu Renate Graber, Fabian Schmid, Fabian Sommavilla und Martin Tschiderer im Standard:

Zum Vergleich: Nigeria orderte im August 2021 24 Stück des Jets, ebenfalls in der Kampfausstattung FA. Auch die nigerianischen Beschaffer haben dafür einen Vertrag um kolportiert gut eine Milliarde Euro abgeschlossen. Allerdings: für doppelt so viele Flugzeuge wie Österreich. Der Stückpreis käme mit rund 40 Millionen Euro also auf die Hälfte des für Österreich anvisierten. Polen hat bereits 16 Stück der Leonardo-Jets in Betrieb. Und bezahlte dafür pro Flieger nur um die 30 Millionen Euro – wenn auch in weit schwächerer Ausstattung und in einem anderen Zeitraum: die polnische Armee hatte die Maschinen bereits zwischen 2014 und 2018 bestellt.

Die jetzige Regierung sollte sich jedenfalls nicht davor drücken hier aufzuklären und gerade in Zeiten wie diesen, das Geschäft nicht als Deal der Vorgängerregierung hinstellen und ihre Verantwortung abstreiten. Wie bei den Eurofightern und wie auch beim Thema Skyshield sehen wir hier dasselbe Muster: 1) mangelnde Information, 2) Ablehnung einer Volksabstimmung und 3) verheerende Inkompetenz.


Titelbild: BARBARA GINDL / APA / picturedesk.com

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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