Morgen bringt die FPÖ in einer Sondersitzung des Nationalrats ihren Antrag auf Einsetzung des Pilnacek-Untersuchungsausschusses ein. Auf Druck ihres Corona-Flügels hat sie zwei weitere Kapitel dazugenommen.
Am Anfang steht folgende Begründung:
Verlangen
auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
gemäß § 33 Abs 1 2. Satz GOG-NR
der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA und Kollegen
betreffend Klärung politischer Einflussnahme von ÖVP-Regierungsmitgliedern (ÖVP-Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss).
„Ich kann es nicht. Ich mach es nicht. Ich will es nicht.“ – Mit diesen Worten soll der verstorbene Sektionschef Mag. Christian Pilnacek auf die Aufforderung des damaligen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) reagiert haben, wegen der geplanten Hausdurchsuchung in der ÖVP-Bundesgeschäftsstelle zu intervenieren. Wenige Monate nach seiner Weigerung verstarb Mag. Christian Pilnacek. Die Umstände seines Ablebens werfen Fragen auf und auch die Ermittlungen gerieten bald selbst in den Verdacht, politisch beeinflusst worden zu sein.
Auch die überschießenden und unsachlichen Maßnahmen des Innenministeriums während der Pandemie gegen Kritiker der Regierung und der von ihr verhängten bzw. propagierten COVID-19-Maßnahmen, die in vielen Fällen unverhältnismäßig in Grundrechte eingriffen und oftmals ohne klare gesetzliche Grundlage erfolgten, legen politische Einflussnahme nahe.
Kritik am Handeln der Regierung wurde somit – intern wie extern – systematisch und aus parteipolitischen Motiven unterdrückt. Zu diesem Zweck erfolgte eine massive Einflussnahme auf die mediale Berichterstattung durch finanzielle Gängelung und systematische Desinformation bis hin zur Einschüchterung einzelner Journalisten. Die Auswirkungen dieser schädlichen „Medienpolitik“ lassen sich im Absturz Österreichs im globalen Pressefreiheitsindex ablesen, wo unser Land im Zeitraum zwischen 2019 und 2024 ganze 16 Plätze verlor und auf Platz 32 – zwischen der Republik Moldau und Mauretanien – abstürzte. Diese Einflussnahme diente ausschließlich den parteipolitischen Interessen der ÖVP.
Der inhaltliche Zusammenhang zwischen all diesen Vorgängen und Entwicklungen ergibt sich aus dem Verdacht einer abgestimmten, politisch motivierten Einflussnahme durch Ressortverantwortliche, Mitarbeiter ihrer politischen Büros sowie (leitender) Bediensteter verschiedener Regierungsressorts – insbesondere des Bundeskanzleramts, des Bundesministerium für Inneres und des Bundesministeriums für Justiz –, durch oberste Verwaltungsorgane sowie durch mit der ÖVP verbundene natürliche oder juristische Personen auf die Aufgabenerfüllung durch Strafjustiz, Polizei und andere Behörden sowie auf unabhängige Medien als vierte Gewalt während des Untersuchungszeitraums. Die gemeinsame Klammer liegt in der – mutmaßlich korruptiv motivierten – systematischen Unterdrückung von (interner oder externer) Kritik an Regierungshandeln.
Dieser Untersuchungsausschuss soll allen diesbezüglichen Verdachtsmomenten nachgehen und die politischen wie administrativen Mechanismen offenlegen, durch die mutmaßlicher Machtmissbrauch, Korruption und Repression über Jahre hinweg ermöglicht und weiter angefacht wurden. Dies ist ein notwendiger Schritt zur demokratischen Kontrolle und zur Wiederherstellung rechtsstaatlicher Integrität.
Dann folgt der zentrale Teil: das Verlangen zum Fall “Pilnacek”:
Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen daher gem. Art 53 Abs 1 2. Satz B‑VG sowie § 33 Abs 1 2. Satz GOG‑NR die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit folgendem
Untersuchungsgegenstand
Untersuchungsgegenstand ist der Verdacht der unsachlichen oder rein parteipolitisch motivierten Einflussnahme durch Ressortverantwortliche, Mitarbeiter ihrer politischen Büros und (leitende) Bedienstete des Bundeskanzleramts (BKA), des Bundesministeriums für Inneres (BMI) und des Bundesministeriums für Justiz (BMJ), durch oberste Verwaltungsorgane sowie durch mit der ÖVP verbundene natürliche oder juristische Personen im Zeitraum vom 7. Jänner 2020 bis 20. Mai 2025 auf die Aufgabenerfüllung der den genannten Ressorts unterstehenden Behörden, insbesondere auf Organe der Strafjustiz und der Sicherheitsbehörden, sowie auf die unabhängigen Medien.
Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands
- Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Krems und des Landeskriminalamts (LKA) Niederösterreich zur Todesursache von Mag. Christian Pilnacek sowie damit zusammenhängende Verfahren der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gemäß § 302 StGB (Amtsmissbrauch)
Gegenstand sind mögliche strafbare Handlungen von Ermittlern des Landes-kriminalamts (LKA) Niederösterreich sowie unbekannten Tatbeteiligten in der Landespolizeidirektion (LPD) Niederösterreich und im Bundesministerium für Inneres, insbesondere im Zusammenhang mit politischer Einflussnahme durch Ressortverantwortliche, Mitarbeiter ihrer politischen Büros und (leitende) Bedienstete des Bundeskanzleramts, des Bundesministerium für Inneres und des Bundesministeriums für Justiz, durch oberste Verwaltungsorgane sowie durch mit der ÖVP verbundene natürliche oder juristische Personen auf das behördliche Vorgehen.
Dabei sind insbesondere folgende Aspekte hinsichtlich politischer Einflussnahme zu untersuchen:
- Anordnung der gebotenen Ermittlungsmaßnahmen durch die Staatsanwaltschaft Krems zu sämtlichen Verfahren in Zusammenhang mit dem Ableben von Mag. Christian Pilnacek, beispielsweise das Verfahren 5 UT 138/23y wegen des Verdachts nach §§ 80, 81 StGB. Erhellt werden soll dadurch insbesondere die allfällige politische Einflussnahme auf Anordnungen in Zusammenhang mit der Sicherung von Tatort und Spuren und deren Auswertung, der Feststellung des Todeszeitpunkts, der Obduktion, der Rufdatenrückerfassung sowie der Sicherstellung und Auswertung von Datenträgern.
- Unbefugtes Entfernen von Beweismitteln aus dem Ermittlungsverfahren durch Beamte des LKA Niederösterreich.
- Verfälschung von Ermittlungsergebnissen und Beweismitteln durch Beamte des LKA Niederösterreich.
- Ermittlungsverfahren wegen eines Tötungsdelikts aufgrund neuer Beweise und Gutachten.
- Gezielte strafrechtliche Verfolgung von Personen, die als Journalisten an der Aufarbeitung dieser Vorgänge beteiligt waren(Versuchte) Einflussnahme auf die mediale Berichterstattung.
- Behinderung der Ermittlungen der WKStA gegen Amtsträger, etwa im Zusammenhang mit 17 St 6/24h.
- Vernachlässigung möglicher Zusammenhänge von Mag. Christian Pilnaceks Ableben mit dessen unzulässigen Beratungstätigkeiten zugunsten von aktiven oder ehemaligen ÖVP-Amtsträgern sowie mit dessen allfälliger Einflussnahme auf Verfahren gegen Personen aus dem ÖVP-Umfeld.
Der Nationalrat wird damit umfassend untersuchen. Im Mittelpunkt stehen neben dem Verschwinden und Vernichten des Beweismittels “Handy” die mögliche Verfälschung der Ergebnisse der Obduktion (“Selbstmord”), die Verschleppung der Neuaufnahme der Ermittlungen nach Vorliegen der zwei neuen Gutachten; die strafrechtliche Verfolgung von Kronen Zeitungs-Redakteur Erich Vogl und ZackZack-Herausgeber Peter Pilz wegen erfundener Delikte; die Behinderung der WKStA-Ermittlungen durch die Oberstaatsanwaltschaft Wien; und die Hintergründe all dieser Vorfälle im Umfeld der ÖVP.
Dazu kommen zwei weitere Teile als Zugeständnisse an den starken parteiinternen Corona-Flügel:
“II. Einsatz unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt zur Einflussnahme auf die Vollziehung des Versammlungswesens in Zusammenhang mit Versammlungen, die sich gegen die Restriktionen durch COVID-19-Maßnahmen richteten“
und
“III. Einflussnahme auf die Vollziehung der Sicherheitspolizei im Zusammen-hang mit regierungs- und maßnahmenkritischen Bürgern“
Der Antrag wird morgen mit den nötigen Unterschriften eingebracht und dem Geschäftsordnungsausschuss zugewiesen. Dort wird die ÖVP mit großer Wahrscheinlichkeit beantragen, den Untersuchungsgegenstand beim Verfassungsgerichtshof zu bekämpfen.
SPÖ und NEOS haben sich hier im Regierungsübereinkommen an die ÖVP gebunden. “Wir werden wegen einer Verzögerung von zwei Monaten nicht den Streit mit der ÖVP beginnen”, richtet ein führender SPÖ-Politiker aus.
Dann ist der Weg frei. Die Pilnacek-Akten können angefordert und die ersten Auskunftspersonen geladen werden
Aus heutiger Sicht werden die Befragungen von Wolfgang Sobotka, Sebastian Kurz, Gerichtspräsidentin Caroline List und Bundespolizeidirektor Michael Takacs zwischen Mitte September und Mitte Oktober 2025 beginnen.
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