Heute startet der Pilnacek-Untersuchungsausschuss. Dabei hat die ÖVP gute Chancen, den Corona-Teil des FPÖ-Antrags zu Fall zu bringen.
Heute ist es soweit. Der Pilnacek-Untersuchungsausschuss wird eingesetzt. Damit ist der Versuch, die Vorfälle rund um den Tod des Sektionschefs zu vertuschen, endgültig gescheitert.
Persönlich wäre mir lieber gewesen, der Ausschuss wäre mit den Stimmen von SPÖ, Grünen und NEOS eingesetzt worden. Aber das war ein frommer Wunsch, weil sich SPÖ und NEOS ohne Not im Regierungsübereinkommen verpflichtet haben, die ÖVP bei der Anfechtung des Untersuchungsgegenstandes beim Verfassungsgerichtshof zu unterstützen. Ob es uns passt oder nicht – die Einsetzung des Ausschusses wird dadurch zum Verdienst der FPÖ.
Die Alternative zur Einsetzung durch die FPÖ war der Verzicht auf jede Untersuchung durch das Parlament. Genau darauf setzte die ÖVP ihre letzte große Hoffnung – umsonst.
Pilnacek und Impfgegner
Jetzt hat die ÖVP Chancen auf einen vorübergehenden Erfolg. Artikel 53 der Bundesverfassung bestimmt: „Gegenstand der Untersuchung ist ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes“. Der Fall „Pilnacek“ ist genau das. Aber er ist nur der erste Teil des FPÖ-Antrags. Dahinter folgen zwei Teile, in denen es um die Corona-Leugner geht.
Wie kommen die Impfgegner in den Pilnacek-U-Ausschuss? Die Antwort ist einfach: In der FPÖ gab es zwei Fraktionen. Die einen wollten mit der Affäre „Pilnacek“ das Regime der ÖVP im Innenministerium durchleuchten. Zu dieser Gruppe gehören Parteichef Herbert Kickl und sein Generalsekretär Christian Hafenecker. Sie haben der ÖVP nicht vergessen, wie „Ibiza“ genützt wurde, um den an Ibiza unbeteiligten Innenminister Kickl in einer Blitzaktion zu entsorgen.
Die andere Fraktion sammelt sich um Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch. In ihrer Welt wurden freiheitsliebende Menschen Opfer einer globalen Impfverschwörung. Sie will jetzt auch die Taten der Polizisten, die gegen Corona-Leugner vorgingen, untersuchen und ihren Minister zur Verantwortung ziehen.
Unzulässigkeit
Das sind zwei Untersuchungsausschüsse. Weil Kickl nicht bereit war, eine klare Entscheidung zu treffen, hat seine Partei daraus einen Doppelausschuss gemacht. Ich habe mit führenden Verfassungsjuristen darüber gesprochen. Sie halten die sachliche Klammer, die die beiden Ausschüsse zusammenhält, für dünn. Ob sie zu dünn ist, wird der Gerichtshof entscheiden.
Was passiert jetzt? Die ÖVP wird im Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats beantragen, den Untersuchungsgegenstand ganz oder teilweise für unzulässig zu erklären. Sie wird sich dabei auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs mit der Sammlungsnummer 20370 vom 3. März 2020 berufen. Für die Verfassungsrichter wird sich auch fünf Jahre später an der zentralen Feststellung nichts geändert haben: der „Unzulässigkeit einer Sammlung nicht direkt zusammenhängender Themen“.
Trotzdem weiß niemand, wie der Verfassungsgerichtshof entscheiden wird. Nur eines steht fest: Es wird schnell gehen. Spätestens Anfang Juli wird klar sein, ob es den Doppelausschuss oder den reinen Pilnacek-Ausschuss geben wird.
Lachende Polizeioffiziere
Eines hat sich in der FPÖ seltsamerweise niemand überlegt. Die beiden Corona-Teile ermöglichen Untersuchungen, mit denen niemand in der FPÖ Freude haben kann. Gleich im ersten Corona-Punkt im Einsetzungsantrag heißt es: „Maßnahmen der Exekutive, durch die das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit eingeschränkt wurde“.
Da fällt mir einiges ein: lachende Polizeioffiziere, die amtsbekannte Rechtsextremisten an der Spitze der Impfgegner-Aufmärsche begleiteten; sehr ernste Polizeioffiziere, die den uniformierten Angriff auf friedliche antifaschistische Gegendemonstranten befahlen; aber vor allem Polizistinnen und Polizisten, die Krankenschwestern, Pfleger, Ärztinnen und Ärzte vor einem Mob, der sich vor Spitälern zusammenrottete, schützen mussten.
Es spricht nichts dagegen, das alles zu untersuchen und gleich zu fragen, wer dafür die politische Verantwortung trägt.
40 Jahre nach Lucona
In ein paar Wochen wissen wir jedenfalls mehr. Das Einzige, was wir jetzt schon wissen, ist: Es geht los. Der Fall „Pilnacek“ wird im Parlament untersucht. Wolfgang Sobotka, Sebastian Kurz, Innenminister Karner, Gerichtspräsidentin List, Bundespolizeidirektor Takacs, Chefinspektor Fellner, Oberstaatsanwaltschaftschef Klackl und Dutzende andere wissen, was auf sie zukommt: eine Ladung ins Parlament.
Vierzig Jahre nach „Lucona“ kommt damit der zweite Fall der behördlichen Vertuschung eines großen Kriminalfalls ins Parlament. Genau dort gehört der Fall „Pilnacek“ auch hin.
Titelbild: HELMUT FOHRINGER / apa / picturedesk.com, Christopher Glanzl