Die Venedigisierung Wiens droht. In Häusern, in denen ein Großteil der Wohnungen an Touristen vermietet ist, ist ein normales Leben nicht mehr möglich.
Nach der Stadt Wien, die bereits gegen die Dauervermietung von Wohnraum via Airbnb und andere Plattformen eingeschritten ist, überlegt nun auch der Bund, diese Praxis zu Erfassung und mit Regeln zu begrenzen. Es ist höchste Zeit dafür. Denn was zunächst nach einem legitimen Zuverdienst klingt, ist eine höchst asoziale Praxis, die zu Wohnraumnot, Zerstörung des sozialen Gefüges, Steuerhinterziehung und einer massiven Schädigung der eigentlich Touristikunternehmen führt.
Die Stadt Wien hat die mögliche Dauer der Privatvermietung bereits mit der Grenze von 90 Tagen pro Jahr begrenzt – eine eher sanfte Einschränkung vergleicht man sie mit dem Limit von 30 Tagen, das etwa in Amsterdam gilt. Dennoch ist es der richtige Schritt. Und es wäre wünschenswert, dass Bundesbehörden hier auch Erhebungen durchführen und die Menschen im rechtlichen Vorgehen gegen illegale Wohnungsvermietung unterstützen.
Unzumutbare Zustände
Ich wohne selbst in einem Haus, in dem Eigentümer ihre Wohnungen dauervermieten. Es ist ein absolut unzumutbarer Zustand. Alle paar Tage bekommt man andere Nachbarn, von denen viele auf die Tatsache, dass es sich um ein Wohnhaus handelt und nicht ein Hotel, keine Rücksicht nehmen. Sie läuten zu Unzeiten, weil sie die Wohnung nicht finden oder nicht aufsperren können. Beim Zurücklassen von Müll sind sie rücksichtlsos und großzügig. Die Flaschen und Dosen ihrer Partys stehen oft neben den Müllcontainern oder werden dort hineingeworfen –zum Altglascontainer bringt man sie jedenfalls nicht. Nach ihnen kommen zwar Putzdienste, die im Haus ein- und ausgehen, doch auch die hinterlassen sehr viel Müll, für dessen Entsorgung die Hausgemeinschaft bezahlt. Die Vermieter entrichten nicht jene Betriebskosten, die eine gewerbliche Nutzung vorsieht. Und sie verschleiern meist die Tatsache, dass sie ihre Wohnung vermieten.
Als Einzelperson gegen diese Praxis einzuschreiten, ist äußerst mühsam. Man braucht einen Rechtsbeistand und muss zunächst nachweisen, dass die Wohnung tatsächlich auf einer Webplattform angeboten wird. Dazu muss man nach ihr suchen und sie buchen, denn die Vermieter treffen sich mit ihre Kundinnen und Kunden immer an anderen Adressen in der Nähe, um den tatsächlichen Ort der Unterkunft zu verschleiern. Auch ihre Namen nennen sie dort nicht. Hier brauchen Mieter und Wohnungseigentümer Hilfe und es darf nicht dazu kommen, dass das legale Einschreiten gegen illegale Praktiken so viel Aufwand erzeugt, dass es für jemand, der auch arbeiten muss, zu zeitaufwändig ist. Es geht hier nicht darum, einen kleinen Zuverdienst zu verbieten, den man macht, wenn man drei Wochen auf Urlaub geht. Es geht hier darum, dass über das ganze Jahr angeblich privater Wohnraum illegal wirtschaftlich genutzt wird.
Sozialbetrug
Die Venedigisierung Wiens droht. Werden Wohnungen durch Dauervermietung zu Spekulationsobjekten, so steigen die Preise, Wohnungsraum verschwindet überhaupt vom Markt und in Häusern, in denen ein Großteil der Wohnungen an Touristen vermietet ist, ist ein normales Leben nicht mehr möglich. Abertausende Menschen, die in Venedig Wohnungen haben, sind bereits nach Mestre, Murano oder Burano gezogen. Der steigende Groll gegen Touristen in vielen europäischen Städten ist seit Jahren zu bemerken. Es ist eine Lose-Lose-Situation, die klare Regelungen braucht. Dramatisch ist die Lage in Prag, wo die Regierung zu langsam gegen den Ausverkauf von Wohnungen vorgeht.
Der Sozialbetrug der hinter dieser Praxis ist nicht zu tolerieren. Es wäre wünschenswert, dass Österreich ein zentrales Register mietbarer Privatwohnungen anlegt, in das die Bewohnerinnen und Bewohner Einsicht haben. Freilich stellt sich dabei weiterhin die Frage, wie man jene Wohnungen ausfindig macht, die sich der Kontrolle entziehen. In Wien gibt es dafür Strafen bis zu einer Höhe von 50.000,00 EUR, was immer noch zu niedrig ist.
Kampf gegen Schattenwirtschaft
Der Kampf gegen Zweige der Schattenwirtschaft, die über Webplattformen betrieben werden, muss in der heutigen Zeit mit Nachdruck geführt werden und schnelles Reagieren der Behörden ermöglichen. In der Tageszeitung Der Standard hat Martin Putschögl zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen europäischen Ländern über das immer größer werdende Wohnungsproblem durch Dauervermietung berichtet. Besonders dramatisch ist die Lage in Malaga.
Marco und Belén leben in Málaga. Das junge Paar sucht eine neue Wohnung, doch das ist in der andalusischen Metropole, die zum Airbnb-Hotspot wurde, eine Herausforderung. „Es gibt deutlich mehr Mietwohnungen, die nur kurzfristig vermietet werden, als solche mit langfristigen Mietverträgen“, sagt Marco.
Mit Ohr- und Nasenstöpseln
Die Frustration nimmt zu und der Lebenswert sinkt. Hier können Berichte aus andere Gebieten uns als Warnung dienen. Der Standard weiter:
In ihrem aktuellen Wohnhaus seien sie von Touristinnen und Touristen schon regelrecht „umzingelt“. „In meinem eigenen Gebäude bin ich die einzige Person, die nicht in einer Kurzzeit- oder Touristenunterkunft wohnt“, sagt Belén. Und nun soll auch das Erdgeschoß in eine Ferienwohnung umgewandelt werden. „Es ist frustrierend, in einem Gebäude, das eigentlich ein Wohngebäude sein sollte, unter hotelähnlichen Bedingungen zu leben.“ Im Haus sei es oft sehr laut. Belén erzählt, sie müsse seit drei Jahren mit Ohrstöpseln schlafen. Die Gemeinschaftsräume seien oft verdreckt, die Aufzüge öfter kaputt, dadurch entstünden zusätzliche Kosten.
Der Wohnort, ein Hotel?
Eine solidarische Gesellschaft muss hier einschreiten und es wäre wünschenswert, dass man jetzt rasch handelt und auch drastische Obergrenzen definiert und Strafen festlegt. Die Bundesregierung will nun jedenfalls zusammen mit dem Städtebund eine Registrierungspflicht einführen, wie es die Maßnahmen des Koalitionsübereinkommens im Wohnbereich vorsehen. Und das ist gut so.
Ich denke, dass alle Österreicherinnen und Österreich, die in Mehrparteienhäusern leben, nicht zusehen wollen, wie sich ihr Wohnort in ein Hotel verwandelt. Sie haben das Recht gegen diesen Ausverkauf vorzugehen und die Tourismusunternehmen haben das Recht, ihre redliche betriebliche Tätigkeit vor illegaler Konkurrenz zu schützen und sich zu verteidigen.
Titelbild: Miriam Moné