Freitag, Juni 20, 2025

Drei Minenfelder und der Österreich-Knopf

Vier Affären werden die ÖVP in den nächsten Jahren belasten. Bei drei davon entscheiden SPÖ und NEOS, wie weit sie sich hineinziehen lassen.

Wenn neue Parteien in Regierungen gehen, wartet eines mit Sicherheit auf sie: das Minenfeld der Altlasten. Wenn in der Regierung eine Partei wie die ÖVP auf sie wartet, ist es für die Neuen besonders wichtig, die genaue Lage und Brisanz der Minen zu kennen. Tritt man einmal darauf, ist es zu spät.

Die SPÖ steht vor drei Minenfeldern, die NEOS sind in einem bereits mittendrin. Nur ein zusätzliches Minenfeld ist allein für die ÖVP reserviert. Auf der einen, großen Mine dort steht „Sebastian Kurz“.

Pilnacek

Das erste Minenfeld ist auch das bekannteste. Der Fall „Pilnacek“ ist für seine Partei, die ÖVP, gerade außer Kontrolle geraten. Im Herbst beginnt der Untersuchungsausschuss mit seinen Befragungen. Bis dahin sind die letzten Nebelgranaten verpufft.

Gefährlich ist das Pilnacek-Feld für die Herrschaft der ÖVP in dem Bereich, der für ihren Schutz unerlässlich ist: in der Strafjustiz. Dort kontrolliert die Partei über das System, das Pilnacek geschaffen hat, nach wie vor weite Teile der Staatsanwaltschaften – und die Polizei, die letztlich entscheidet, wo mit Nachdruck untersucht und wo eher weggeschaut wird.

Im Schutzbereich der ÖVP werden Verfahren und Aufdecker „daschlogn“, beide aus demselben Grund: weil sie gefährlich sind für die ÖVP.

Dass ausgerechnet die FPÖ den Untersuchungsausschuss eingesetzt hat, stört viele. Zurecht merken sie an, dass Herbert Kickl nicht nur türkise durch blaue Parteibuchwirtschaft ersetzen wollte, sondern dabei mit dem Verfassungsschutz gleich das wichtigste Instrument zur Bekämpfung extremistischer Bedrohungen zerstört hat.

Doch mit SPÖ und NEOS in der Regierung und einem Regierungsübereinkommen, das beide bei Untersuchungsausschüssen an die ÖVP kettet, bleibt rein zahlenmäßig die FPÖ die einzige Partei, die für die Dauer dieser Regierung Untersuchungsausschüsse einsetzen kann.

Rechtzeitig vor dem Gang durch das Pilnacek-Feld müssen sich SPÖ und NEOS jetzt entscheiden, was sie dort tun. Erst wenn man die Namen ihrer Ausschussmitglieder kennt, wird man wissen, ob sie sich zum Begleitschutz der ÖVP machen lassen.

Luftgeschäft

Am Eingang zum zweiten Minenfeld steht „Leonardo“. Ohne Ausschreibung und mit einem dubiosen Auswahlverfahren hat die Spitze des Verteidigungsministeriums dafür gesorgt, dass alles wieder von vorne losgeht.

Hinter „Leonardo“ verbirgt sich die alte italienische Finmeccanica. Wikipedia erinnert: „Im Februar 2013 wurde Finmeccanica-Chef Giuseppe Orsi wegen Korruptionsverdacht festgenommen.“

In ihrem Haftbefehl gegen den Vector Aerospace-Gründer Gianfranco Lande hielt die Staatsanwaltschaft in Rom fest: „In einem hochgradig undurchsichtigen Umfeld wirkte Ing. ROMAGNOLI, ehemaliger Generaldirektor bei ALENIA (FINMECCANICA-Gruppe) im Jahre 2003, als Partner beim Abschluss eines Geschäfts, mit dem achtzehn Flugzeuge vom Typ EUROFIGHTER an die Republik Österreich verkauft werden sollten, und erhielt ohne jeglichen Rechtsanspruch als VECTOR AEROSPACE LLC von EGP SA Zahlungen in Höhe von 1.910.000,00 Euro.“

Jetzt liegt ein Vertrag zwischen Wiener Verteidigungsministerium und Leonardo vor, dessen Entstehen genauso auffällig wie der bei Eurofighter zwanzig Jahre davor ist:

  • Chancenreiche Konkurrenten wurden vor dem Auswahlverfahren ausgeschlossen;
  • Die technischen Anforderungen wurden so auf Leonardo zugeschnitten, dass die beiden verbliebenen Konkurrenten keine Chance hatten;
  • Der Preis liegt mit rund einer Milliarde Euro weit über dem vergleichbarer Beschaffungen von Polen bis Nigeria;
  • Die Rechtfertigung des Preises ist auch militärisch absurd: Mit der Variante 346 FA kauft Österreich einen Unterschall-„Fighter Attack“ und damit Bordkanonenfutter für Kampfflugzeuge von F 16 bis MIG 35.

Fabian Schmid fand für den Standard bereits erste Schiebungsspuren „in den Dokumenten der Internen Revision, durch die Vorgaben sei die Ausschreibung auf den M-346 FA des italienischen Herstellers Leonardo zugeschnitten worden. Es habe sich ´ohne Not eine Monopolstellung ergeben´.“

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner lässt trotzdem weitermachen. Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer hat wie sein Vorvorgänger Martin Bartenstein alle Weichen zurück auf Gegengeschäfte gestellt. Fast wortgleich wie zu Eurofighter-Zeiten wird das schnelle Milliardengeschäft mit der schärfsten Kontrolle aller Zeiten angepriesen.

Im Herbst könnte es doppelt ernst werden: mit der Leonardo-Beschaffung und mit den ersten Eurofighter-Anklagen gegen drei Lobbyisten und vielleicht auch schon gegen Sigi Wolf.

Putin

Das dritte Minenfeld liegt in Russland. Es geht um Raiffeisen-Milliarden, Industriellenvereinigungs-Chef Georg Knill, Swarovski-Zielfernrohre für Putins Militär und Putins Spione in Wien. Wie im Fall „Pilnacek“ hat auch hier ZackZack entscheidend zur Aufklärung beigetragen.

Raiffeisen ist aus eigener Schuld in eine Doppelmühle geraten. Gleichzeitig drohen Sanktionen aus Moskau und Washington. Macht es RBI den einen recht, kann das unabsehbare Folgen auf der anderen Seite haben.

Beate Meinl-Reisinger scheint den Ernst ihrer Lage noch nicht verstanden zu haben. In ihrem Ministerium liegt ein Papier der DSN, die aus Sicht des Verfassungsschutzes dringend empfiehlt, Putins SWR-Spione, die politische Ziele in Wien und militärische Ziele in der Ukraine auskundschaften, auszuweisen.

Nachbarn wie Deutschland haben längst dafür gesorgt, dass ihr Staatsgebiet nicht für den Krieg gegen die Ukraine missbraucht werden kann. Nur in Wien stehen Putins Spione nach wie vor unter Regierungsschutz.

In der Regierung weiß man, dass die FPÖ kaum einen Untersuchungsausschuss zu Putins wirtschaftlichen und politischen Trojanern einsetzen wird. Doch zumindest für die NEOS kann Putins Sonderbehandlung in Österreich zur politischen Sprengfalle werden.

Was geht hoch?

Der Fall „Pilnacek“ kommt nicht mehr zurück unter den Teppich. Wie jeder U-Ausschuss wird auch dieser neue Spuren und neuen Beweise finden. Dabei wird immer klarer, dass nach dem Handy Pilnaceks Laptop die technische Hauptrolle spielen wird.

Im Fall „Leonardo“ geht es gerade los. Die ersten Fakten und Dokumente deuten darauf hin, dass die Verantwortlichen aus „Eurofighter“ nichts gelernt haben. 2028 steht dann die Beschaffung der Eurofighter-Nachfolge und damit die Chance auf ein noch größeres Geschäft an.

Bei Putins Trojanern kann sich die ÖVP auf eines verlassen: Österreichische Medien werden um eine Affäre, in der es gleichzeitig um Raiffeisen und die politische Spitze der Industriellen geht, einen großen Bogen machen. Aber in diesem Fall sind andere am Drücker, und niemand weiß, wer in Washington plötzlich auf den Österreich-Knopf drückt.

In allen drei Affären steckt die ÖVP tief drin. Wird untersucht, geht es politisch gegen sie. Nur für SPÖ und NEOS ist noch offen, ob und wie tief sie hineingeraten. Die ÖVP und ihr Kanzler werden alles tun, damit die türkise Familie nicht dreifach allein bleibt.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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