Bundespolizeidirektor Michael Takacs und Kollegen wollen das Pilnacek-Buch “einziehen” lassen. Beim ersten Prozesstag am Montag ließ Takacs mit interessanten Neuigkeiten aufhorchen. Das Buch, das er verbieten lassen möchte, habe er selbst gar nicht gelesen. Auch ein brisantes “drittes” Telefonat am Todestag von Christian Pilnacek war Thema.
Es passiert in Österreich nicht aller Tage, dass ein Sachbuch verboten werden soll. Noch seltener ist, dass der Verbotsversuch von Spitzen des Innenministeriums ausgeht. Montagfrüh war dies der Fall: Am Landesgericht Wien strengen Bundespolizeidirektor Michael Takacs, der niederösterreichische Kripo-Chef Stefan Pfandler und eine Kontrollinspektorin ein solches Verbot an. Das Pilnacek-Buch von ZackZack-Herausgeber Peter Pilz soll “eingezogen” werden. Die Polizisten fühlen sich von den Recherchen gekränkt und sehen sich der üblen Nachrede ausgesetzt.
Das Medieninteresse im Saal 303 war groß. Gleich zu Beginn bekräftigte Pilz in seiner Befragung vor Richter Daniel Potmesil: “Alles, was ich herausgefunden habe, deutet auf eine Vertuschung hin.” Pilz führte aus, was laut seinen Recherchen alles nicht am Donauseitenarm passierte: Der Tatort sei nicht ausreichend abgesichert und abgesperrt worden; Spuren nicht gesichert, Todeszeitpunkt und Alkoholisierungsgrad nicht festgestellt worden; eine Obduktion sei nur auf Drängen der Amtsärztin erwirkt worden. Für Pilz ist es lebensfremd, dass die “Schlampereien” allein auf die dort anwesenden Polizisten zurückzuführen waren.
Kläger: “Habe Buch nicht gelesen”
Gegenstand des Prozesses war wiederholt die im Buch angestellte Vermutung, die Ermittlungen im Fall Pilnacek wurden von ranghohen Polizeibeamten mit Nähe zur ÖVP beeinflusst. Als Zeuge wurde Takacs vom Richter deshalb zuerst zu dessen Parteizugehörigkeit befragt. Er sei seit 2017 ÖVP-Parteimitglied. Bereits im Kabinett von Johanna Mikl-Leitner, die von 2011 bis 2016 Innenministerin war, habe er im BMI gearbeitet. Von der Geisterfahrt Pilnaceks am 19. Oktober 2023 habe er über ein internes Informationssystem erfahren, sagte Takacs. Einen Akt zu den Ermittlungen will er aber nicht bekommen haben.
Konkrete Fragen zu den Ermittlungen beantwortete Takacs mit Verweis auf die Zuständigkeit der niederösterreichischen Ermittler nicht. Er habe sich lediglich nach Abschluss der Ermittlungen briefen lassen. Das Nichtwissen des Polizeidirektors warf auch für den Richter angesichts seiner Äußerung in Medien Fragen auf. So behauptete er etwa in der Kronen Zeitung, die Arbeit der Ermittler, in die er laut eigener Aussage nicht eingebunden war, sei gewissenhaft gewesen.
Als Antragssteller zum Einzug des Pilnacek-Buches ließ Takacs mit einem Bekenntnis aufhorchen, das alle im Saal überraschte. “Ich habe das Buch nicht gelesen”, gab der Bundespolizeidirektor zu Protokoll. Das interessierte auch Richter Daniel Potmesil genauer. Wie fühle er sich durch das Buch, das er nicht gelesen habe, in seiner Persönlichkeit gekränkt, fragte der Richter nach. Den Antrag habe sein Anwalt Peter Zöchbauer verfasst, rechtfertigte er sich.
Detaillierte Nachfragen zu Takacs’ eigenem medienrechtlichen Antrag – etwa an welcher Stelle im Buch sich bestimmte ehrenrührige Behauptungen befänden – konnte Takacs nicht beantworten.
Takacs bestätigt “drittes Telefonat”
Neu und für die Kläger überraschend war, dass vor Gericht auch Peter Pilz zum Fragesteller wurde. Takacs-Anwalt Peter Zöchbauer wollte dies erst nach einer Vollmachtsbekanntgabe zulassen – was nach einer kurzen Prozessunterbrechung erledigt war.
Pilz fragte ausführlich zu Kontaktaufnahmen von Takacs mit Sobotka-Mitarbeiterin Anna P. am Morgen des Todes. Der Bundespolizeidirektor sprach von einem ersten Telefonat in der Früh, als P. ihn besorgt fragte, was wegen Pilnaceks Verschwinden zu tun sei. Er riet, ihn zu suchen. Ein zweites Mal kontaktierte sie ihn, als P. und Karin Wurm zum Polizeieinsatz beim Seitenarm gekommen waren und den leblosen Pilnacek erkannt hatten.
Doch es gab laut Takacs noch ein drittes Telefonat, das Pilz besonders interessierte. “Wann fand dieses Telefonat statt?”, erkundigte sich dieser. Takacs: “Irgendwann zur Mittagszeit, Nachmittagszeit.” Für Pilz’ Beweisführung ist das von großer Bedeutung, da Karin Wurm und Anna P. erst am Nachmittag einvernommen wurden und in der Folge die Gegenstände des Sektionschefs aushändigten.
Takacs bestätigte dazu: “Ich habe ihr (Anm. Anna P.) gesagt, sie sollen das Handy entweder den Hinterbliebenen geben oder die Polizei fragen.” Auf Nachfrage von Pilz, warum das Handy ohne Erbschaftsverfahren dann sofort bei Witwe Caroline List landete, nicht bei anderen Angehörigen, die sich ebenfalls gemeldet hatten, wusste Takacs nichts zu sagen. “Ich kann Ihnen dazu nichts sagen, ich bin nicht eingebunden gewesen.”
Genau das scheint jetzt anders. Wenn das Gespräch zwischen Takacs und Anna P. das erste zur Übergabe des Handys an List war, stellt sich die nächste Frage: Ist die Aktion vom Bundespolizeidirektor selbst ausgegangen?
Pilz stellte fest, dass die zuständige Staatsanwaltschaft Krems zu diesem Zeitpunkt von der Existenz des möglichen Beweismittels Handy nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Durch das überraschende Geständnis des 3. Telefonats sei laut Pilz die “türkise Polizeikette” durch Takacs selbst geschlossen worden, erklärte er am Rande des Prozesses.
Zum “Verschwindenlassen” des Pilnacek-Laptops bestritt Takacs vor Gericht neuerlich, dass das jemals Thema zwischen Anna P. und ihm gewesen sei. Erst kürzlich wurde ein brisantes Transkript bekannt, das Journalist Michael Nikbakhsh veröffentlichte. Detailreich und ausführlich schilderte Sobotka-Mitarbeiterin Anna P. demnach im Dezember 2023, dass Takacs in einem Telefonat geraten hätte, den Laptop verschwinden zu lassen.
Am 6. August wird der Prozess fortgesetzt, mit brisanten Zeuginnen wie Anna P., Notärztin Dagmar W. und Rechtsanwalt Rüdiger Schender, der für Gerichtspräsidentin Caroline List Pilnaceks Handy übernommen hatte. ZackZack bleibt dran.
Titelbild: ZackZack