Bei seinem Versuch, das Pilnacek-Buch verbieten zu lassen, hat Bundespolizeidirektor Michael Takacs ein entscheidendes Detail verraten: das 3. Telefonat. Jetzt muss die Aktion „Handy“ neu untersucht werden.
„Ich habe das Buch nicht gelesen.“ Mit dieser Aussage machte Bundespolizeidirektor Michael Takacs am Montag im Wiener Landesgericht für Strafsachen klar, wie weit man im Innenministerium beim Beschlagnahmen meines Pilnacek-Buchs geht.
Sachlich war eine andere Takacs-Aussage weit wichtiger. Im Oktober 2023 lebte Sobotka-Mitarbeiterin Anna P. mit Christian Pilnacek und dessen Gefährtin Karin Wurm in deren Haus in Rossatz. Wie alle, die die Akten der WKStA kennen, wusste auch Richter Daniel Potmesil, dass Anna P. am 20. Oktober 2023, dem Tag des Todes von Christian Pilnacek, zweimal mit Takacs telefoniert hatte. Der Richter wollte es genauer wissen. Die Antwort überraschte alle im Saal: „Beim ersten Anruf war der Grund: Wo ist Christian? Beim zweiten, dass er gefunden wurde. Und der dritte Anruf war zu den persönlichen Gegenständen.“
Mit Ausnahme des Polizeichefs hatte im Saal 303 des Landesgerichts niemand von einem dritten Telefonat gewusst. Kaum hatte Takacs geantwortet, war klar, dass das entscheidende fehlende Stück in der Polizeikette rund um das Verschwinden des Pilnacek-Handys aus den Ermittlungen aufgetaucht war.
ZackZack-Geschäftsführer Arang Rezayati hatte mich mit der Vollmacht der Zack Media GmbH ausgestattet. Damit konnte ich Fragen an den Polizeichef stellen. Ich fragte zum 3. Telefonat.
Takacs antwortet
Pilz: Ich habe ergänzende Fragen zu den Telefonaten mit Anna P. Sie haben gesagt, es gab ein erstes Telefonat: Wo ist Christian Pilnacek, was sollen sie machen. Dann das Zweite – sie haben ihn gefunden. Und dann noch ein Drittes zu seinen persönlichen Gegenständen. Wann war das 3. Telefonat?
Takacs: Irgendwann zur Mittagszeit, Nachmittagszeit, nachdem die Bergung war und wie sie dann nach Hause gefahren sind.
Pilz: Was war die genaue Antwort von Ihnen?
Takacs: Ich hab ihr gesagt, entweder aushändigen oder die Polizei fragen.
Pilz: An die Angehörigen ausfolgen? Warum sollten sie das zu einem Zeitpunkt, wo nicht klar war, ob das Handy ein Beweismittel war? Warum konnten Sie das anraten?
Takacs: Wenn Gegenstände vor Ort sind, die dem Verstorbenen gehören, gibt es ein Prozedere. Zu dem Zeitpunkt habe ich nicht gewusst, wohin gehen die Ermittlungen. Deshalb: Sie sollten die Polizei fragen.
Pilz: Woher wussten Sie zu dem Zeitpunkt, dass es Selbstmord war?
Takacs: Ich wusste es nicht. Ich war in die Ermittlungen nicht eingebunden.
Das neue Bild
Damit ergibt sich ein neues Bild: Anna P. ruft Takacs vor ihrer Einvernahme in Mautern an und fragt ihn, was mit Pilnaceks Handy und seinen anderen persönlichen Gegenständen geschehen soll. Takacs rät ihr sofort, sie an Angehörige – und nicht an die Staatsanwaltschaft – übergeben zu lassen. Aber Takacs weiß nicht, wie die Polizei diesen ungewöhnlichen Schritt rechtfertigen soll und empfiehlt, sich zur Klärung an die Polizei, also an die Ermittler des Landeskriminalamts, zu wenden.
Bald danach dürfte die Aktion „Handy“ gestartet worden sein.
In Mautern
Um 14.30 Uhr hatte die Zeugenvernehmung von Karin Wurm in der Polizeiinspektion Mautern begonnen. Im Nebenzimmer verhörte Chefinspektor Hannes Fellner Anna P. Sein Stellvertreter Markus P. befragte Wurm.
Die beiden letzten Sätze in Wurms Protokoll lauten: „Anführen kann ich noch, dass Christian beim Verlassen des Hauses nichts mithatte. Sein Handy, die Geldbörse, die Schlüssel von der Wiener Wohnung, den Autoschlüssel und den Schlüssel von Rossatz ließ Christian bei mir im Haus zurück.“
Um 15.30 Uhr war die Einvernahme beendet. Karin Wurm verließ den Raum und traf am Gang auf Hannes Fellner, den Leiter der polizeilichen Ermittlungen. Bei ihrer WKStA-Einvernahme schilderte Anna P., was dann geschah: „Ich kann mich erinnern, dass wir, als wir bei der Einvernahme waren, dass wir, also Karin und ich gemeinsam, nach Ende der Vernehmungen, gefragt haben, was wir mit den Sachen, die noch im Haus liegen würden, machen sollen. Die Beamten sagten, dass die Sachen der Gattin von Mag. Pilnacek gehören würden und dass diese an sie, also die Gattin zu übergeben seien.
Wir wurden auch gefragt, ob wir das machen würden, oder ob es uns lieber sei, dass sie, also die Polizeibeamten die Übergabe für uns erledigen sollten. Bei dem Gespräch waren Karin, ich, Herr Fellner und Herr P. anwesend. Wir ersuchten dann, ob die Übergabe an die Frau nicht die Polizisten machen könnten, da wir damit nichts zu tun haben wollten. Wir beide kannten auch die Frau von Mag. Pilnacek nicht.“
Alles geklärt
Damit scheint klar: 1. Durch Wurm erfuhren die Polizisten offiziell, dass das Handy noch im Haus in Rossatz war und konnten das protokollieren. 2. Fellner konnte Wurm überzeugen, dass sie das Handy an die Pilnacek-Witwe übergeben müsse. 3. Die Beamten waren bereit, dabei behilflich zu sein.
Und etwas Weiteres scheint erwiesen: Nach den Einvernahmen und dem kurzen Gespräch am Gang war alles geklärt. Um 15.40 Uhr brauchte Anna P. von Michael Takacs keinen Rat mehr. Das 3. Telefonat muss also vor den Einvernahmen stattgefunden haben.
Aber woher kam die Idee, das Beweismittel „Handy“ nicht der Staatsanwaltschaft Krems, sondern der Witwe in Graz zu übergeben? Die Takacs-Aussage über das 3. Telefonat gibt darauf eine überraschende Antwort: offensichtlich vom Bundespolizeidirektor selbst. Mit den Ermittlungen hatte er nichts zu tun. Trotzdem gab er als Erster den entscheidenden Rat.
Eine Frage bleibt: Hat Anna P. ihre Freundin Karin Wurm vor der Einvernahme in Mautern eingeweiht und ihr vom Rat des Bundespolizeidirektors erzählt? Wusste Wurm schon am Weg nach Mautern, was von ihr erwartet wurde? Auf ZackZack-Nachfrage stellte Karin Wurm klar: “Ich habe von den 3. Telefonat nichts gewusst. Anna P. hat mir nichts gesagt.”
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