Freitag, Juni 20, 2025

Amerika sucht den Supertrottel

Das Ausarten der Beflegelungen zwischen Trump, Musk und Bannon verfolgen viele mit Genugtuung. In Wirklichkeit ist es traurig. Die amerikanische Gesellschaft und ihre demokratische Gesinnung geben darin ein denkbar schlechtes Bild ab.

Hinter mir liegt die Nacht nach dem Bruderzwist zwischen Trump und Musk, samt Einmischung des Faschisten Bannon, die ich auf vielen Kanälen verfolgt habe. Viel Schlaf hat sie mir nicht gelassen und leider auch keine Häme und Freude, wie ich sie bei anderen Menschen in sozialen Medien feststelle. Ich kann nicht darüber glücklich sein, ich »hole nicht das Popcorn« und sehe darin keinen »Riesenspaß«.

Das US-amerikanische »System«, in dem Reiche und Konzerne Präsidentschaftswahlkämpfe finanzieren und so eine Präsidentschaft erst möglich machen, hat durch ständige Kapitalkumulation eine Situation geschaffen, in der nun keine mächtigen Gruppen mehr dastehen, sondern zwei Einzelpersonen. Korrupt war dieses System immer. Jetzt aber tritt es uns in Form von zwei Reichen, zwei Reichsbürgern entgegen, die ihre eigene Social-Media-Plattform, ihre eigene Währung, ihren eigenen Staat für sich geschaffen haben.

Der zynische Kleinbürger

Mit Trump hat der Kleinbürger die Macht ergriffen. Er ist ein Feind der Massen und sein Wohlstand hat ihn zum Zyniker gemacht. Jeden Tag sehen wir Trump mit irgendeinem Papier in der Hand. Dekrete gegen Wissenschaft, Ökologie und Kultur werden da angeblich erlassen. Doch niemand weiß so genau, ob wirklich in Kraft tritt, was er ankündigt, denn morgen geht es schon um ganz etwas anderes.

Trump ist in jeder Faser reaktionär. Er sucht sich etwas aus, wo er eine Gegenposition einnehmen kann, und nimmt sie dann mit Häme ein. Nun hat er sich offensichtlich dazu entschlossen, wie alle Republikanischen Präsidenten vor ihm, das Budget des Staats zu ruinieren, das immer von Demokraten, die schon nach den Präsidentschaften Nixons und Reagans (plus vier Jahre Bush senior) aufräumen mussten, repariert wird. Dagegen wetterte Musk zuerst, dann begann eine Schlammschlacht. Trump drohte Regierungsverträge mit Tesla aufzukündigen, Musk konterte, Trump wäre ohne ihn nicht Präsident geworden. Und als Abschluss forderte Steve Bannon in guter alter Nazi-Manier die „Deportation“ des Ausländers Musk.

Kultur der Massenfeindlichkeit

Statt in der geschlossenen psychiatrischen Anstalt die nötige Hilfe zu suchen, wird die Welt zur offenen Anstalt für charakterliche Deformation und die Geistesstörungen von Narzissten gemacht. Das ist kein Endpunkt. Es ist das logische Ergebnis einer Fehlentwicklung, die in den USA seit den Zwanzigerjahren vor sich geht und im Nachkriegseuropa viele Nachahmer findet.

Wie Detlef Michel 1973 in seinem Aufsatz Manipulationstheorien und Massenfeindlichkeit festgestellt hat, ist die Anfeindung von Interessensvertretung, Organisation und Klassenkampf in den Dreißigerjahren und erst recht im Kalten Krieg nach 1945 zunächst dezidiert antikommunistisch. Im Kampf gegen die Solidarisierung von Arbeitern und bedürftigen Schichten gehen die Bemühungen des Kapitalismus dahin, Proletarier durch Konsum und Propaganda zu Kleinbürgern zu machen. Michel schrieb: Es charakterisiert die Manipulationstheoretiker, daß ihnen die Lebensbedingungen der Massen ebensowenig vertraut sind wie die Bewegungen des Kapitals. […] Darin manifestiert solch Kritiker seine Massenfeindlichkeit. Er kauft sich einen Farbfernseher und erhebt sich mokierend über den Blödsinn der Sendungen, zugleich klagend darüber, daß Arbeiter sich Farbfernseher kaufen und sich, wie er meint, das Hirn vernebeln lassen – natürlich ganz im Gegensatz zu ihm selbst.

Die Verhöhnung des Bürgers

Die Kultur der Massenfeindlichkeit hat selbst die politische Kritik am Konsumismus bereitgestellt, allerdings in bigotter, verlogener Form. Damit hat sie die Hegemonie des Kapitalismus vorangetrieben und stand und steht der immer stärkeren Konzentration von Kapital und Macht in immer weniger Händen machtlos gegenüber. Nichts anderes als diese Kumulation zeigt sich nun in den USA als eine Farce, die nur so peinlich erscheint, weil zwei superreiche und übermächtig gewordene zynische Kleinbürger aufeinander losgehen, was im Übrigen morgen auch schon wieder ganz anders sein kann.

Die Machtlosigkeit des amerikanischen Volkes gegen angebliche Patrioten, die nichts anderes tun, als ihre Bevölkerung nach Strich und Faden auszubeuten, folgt der jahrzehntelangen Untätigkeit politischen Handelns, die die Gesellschaft nicht nach materiellen Kriterien strukturiert. Stattdessen hetzt die Einteilung der Bevölkerung von oben nach unten ökonomisch Gleichgestellte gegeneinander auf; etwa nach der Einteilung Inländer – Ausländer. Gleichzeitig aber wird der zum braven echten Amerikaner ernannte Landsmann, von denen, die auf seinen Schultern stehen, verhöhnt und verachtet. Detlef Michel: Dem Staatsapparat, der die Massen niederschlug, folgte der Ideologe, der jetzt seinen Hohn über sie ergoß und sie Angepaßte nannte.

Die Castingshow läuft

Wer heute »mit Popcorn« vor den Live-Tickern sitzt und die Schmiere des Trump-Musk-Bannon-Postingwettkampfs verfolgt, feiert die zum sinnlosen Theater oder von mir aus medialen Spektakel verkommene Demokratie. Immer mehr gerät in Vergessenheit, welche politische Apparate und Kräfte es gibt, was ihre Tätigkeit ist und sein sollte. Immer mehr wird bloße Ankündigung für politische Realität gehalten, eine Form der medialen Scheinpolitik, die wir in Österreich während der Kanzlerschaft des Sebastian Kurz tagtäglich erlebt haben.

All das ist heute egal. Die Genugtuung des Kleinbürgers, dass an den Machthebeln des Staats nicht mehr ein besserwisserischer Politiker sitzt, der ihn nur als Stimmvieh braucht und sonst auf ihn herabsieht, ist einer Umkehrung gewichen: Nun feiert er mit Popcorn, dass ein noch größerer Trottel als er im Weißen Haus sitzt und sich mit einem noch viel größeren Trottel wegen irgendetwas beflegelt. Ist das der Gipfel der Barbarei? Nein. Die Castingshow Amerika sucht den Supertrottel läuft noch.


Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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