Sein überraschender Freispruch hat Kurz politisch eine neue Tür geöffnet. Aber diesmal kommt Kurz mit Thiel und einem weit gefährlicheren Projekt.
„Eine Investition in die Qualität – und in die Menschen, die diese Qualität möglich machen.“ Das stammt vom Investor, Putin-Spezi und Eurofighter-Beschuldigten Sigi Wolf. Vielleicht meinte er damit wirklich das Weingut, das er am 6. Juni in der Südsteiermark eröffnete. Vielleicht meinte er aber auch die politischen Zukunftshoffnungen, die hier mit ihm anstießen: Landeshauptmann Mario Kunasek, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Sebastian Kurz.
Kunasek zeigt gerade, wie man statt der Arbeitslosigkeit in der Obersteiermark und der Bildungslosigkeit weiter im Süden Gendersternchen eliminiert und dafür die Landeshymne in die Verfassung erhebt. Als FPÖ-Landeshauptmann wird er dafür sorgen, dass Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, zwar ihr Einfamilienhaus, aber niemals die ersten beiden Zeilen der Steirerhymne verlieren: „Hoch vom Dachstein an, wo der Aar noch haust, bis zum Wendenland am Bett der Drav…“
So wie Kunasek seinen türkisen Koalitionspartner in Graz vorführt, so lässt sich Mikl-Leitner von Kunaseks Partei in St. Pölten an der Nase führen. Beide verkörpern die nahe Zukunft des Rechtsblocks: Die FPÖ führt, die ÖVP geht mit.
Sebastian Kurz verkörpert die andere, größere Zukunft. Sie findet in den USA statt und wird nach Europa exportiert. Ihre Erfinder heißen Elon Musk und Peter Thiel.
Global Strategist
Am 9. Oktober 2021 musste Kurz als Bundeskanzler zurücktreten. Schon im Dezember 2021 meldete Der Standard: „Sebastian Kurz soll “Global Strategist” bei der US-amerikanischen Investmentfirma Thiel Capital werden.“
Inzwischen ist Kurz im Geschäft. Als das EU-Parlament am 8. Mai 2023 über seinen Bericht zur Spy-Software Pegasus abstimmte, fand sich darin gleich elfmal der Name des österreichischen Ex-Kanzlers. Kurz war längst Partner von Shalev Hulio, dem Mitgründer des Pegasus-Herstellers NSO Group. Alarmiert stellte das Parlament in Brüssel fest: „Die Zusammenarbeit zwischen Kurz und Hulio stellt eine indirekte, aber alarmierende Verbindung zwischen der Spyware-Industrie und Peter Thiel und seiner Firma Palantir dar.“
ÖVP-Abgeordnete legten sich vergeblich quer. Der Text wurde beschlossen.
Parallelen
Palantir zeigt, wo Thiels unternehmerische Stärke liegt: in der Massenüberwachung von abweichendem Verhalten. Seine Unternehmen liefern die Technologien, mit denen sich die Bevölkerung flächendeckend screenen lässt. Wer die Daten der Regierungen und Thiels Instrumente hat, kann gezielt eingreifen und säubern.
Elon Musk liefert die zweite Seite. Sein „X“ macht aus Social Media Meinungswaffen der neuen Rechten. Thiel macht kein Geheimnis, wofür man diese Waffen braucht: „Ich glaube nicht länger, dass Freiheit und Demokratie miteinander vereinbar sind.“
Im Podcast Conversations with Tyler ging Thiel am 21. Februar 2024 weiter: „Es gibt sicherlich gewisse Parallelen zwischen den USA in den 2020er Jahren und Deutschland in den 1920er Jahren“, so Thiel. „Der Liberalismus ist erschöpft, man vermutet, dass die Demokratie, was auch immer das heißen mag, erschöpft ist.“
So sah man das in der NSDAP hundert Jahre vor Thiel, und so sehen das sicher nicht wenige in der AfD, der Partei, die Musk und Thiel in Deutschland unterstützen.
Alt und Technokratisch
In den USA und in Europa gibt es zwei Gruppen von Faschisten. Die einen von Giorgia Meloni bis Viktor Orbán gehen den traditionellen Weg der Machtübernahme über die Kontrolle von Medien, Polizei, Gerichten und Parlament. Sie setzen über Kampfthemen wie „Ausländer“ auf klassische Mobilisierungen.
Rund um Musk und Thiel entsteht die zweite Front. Die Tech-Faschisten setzen nicht auf die Mobilisierung, sondern auf Betäubung und Verwirrung für die Übergangszeit, die sie für den politischen Umbau ihres Staates brauchen.
Trump sehen sie als Türöffner. Hinter dem Altmeister der politischen Korruption wartet mit Cyrus D. Vance schon ein Thiel-Mann auf den Platz im Oval Office. Kurz nach dem Bruch zwischen Trump und Musk stellte er sich vielleicht ein letztes Mal demonstrativ neben seinen Präsidenten.
Sebastian Kurz lebt in beiden Welten. Seine politischen Erfolge feierte er mit flächendeckender Inseratenkorruption und der Kaperung der Leibthemen der FPÖ. Bei Thiel geht er in eine neue Schule. Wie Thiel und Musk scheint Kurz an der Stelle klassischer politischer Überzeugungen nur eines zu haben: den unbedingten Willen zur Macht.
Sebastian Kurz ist keine Zukunftshoffnung der ÖVP. Er ist nicht ihr neuer Baumeister, sondern ihre Abrissbirne. Sein Projekt braucht keine Bünde und keine alte Partei. Er braucht Jünger und Mitläufer. Beides hat er im weiten Bereich österreichischer Politik und Medien längst gefunden.
Ost und West
Von Washington bis Wien geht es längst nicht mehr um die Wiederbelebung der alten Rechten, die mit den Namen „Hitler“ und „Mussolini“ verbunden ist. Das neue System kommt gleichzeitig aus dem russischen Osten und dem amerikanischen Westen. Aus Moskau kommt das System der KGB-Oligarchenwirtschaft. Aus Washington kommt der neue Techno-Faschismus.
Beide bauen ihre Staaten um. Sie säubern Verwaltung, Justiz und Universitäten. Ihre Schüler in Rom, Budapest und Wien lernen schnell. Meloni baut Italien um, Orbán ist mit dem Umbau fast fertig. In Deutschland rüstet die AfD, in Österreich bereitet sich Kurz auf den finalen Kampf mit der FPÖ um die Führung des Rechtsblocks vor.
Dazwischen versuchen Christian Stocker und Andreas Babler, einen letzten Damm zu bauen. Aber die ÖVP verweigert gemeinsam mit den NEOS den sozialen Kitt, der den Damm zusammenhalten könnte. Wenn sich herumspricht, dass die COVID-Milliardengeschenke an die türkise Klientel wieder von der großen Mehrheit der einfachen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler beglichen werden müssen, kann der letzte Damm brechen. Dann hat die ÖVP die Reichen gerettet und ihre Zukunft verspielt.
Sigi Wolf
Nur die FPÖ kann sich zurücklehnen. Mario Kunasek weiß, was er an Sigi Wolf bewundert: „ein verwirklichtes Lebenswerk“. Es reicht von den Putin-Deals bis zu Eurofighter. Wer wissen will, was Oligarchen wie Wolf von ihren Politikern erwarten, muss sich nur die Wolf-Chats der WKStA ansehen.
Kurz, Kunasek und Mikl-Leitner stehen jedenfalls bereit, bei weiteren „Lebenswerken“ zu helfen.