Das österreichische Waffenrecht gilt im europäischen Vergleich als sehr liberal, die Anzahl registrierter Waffen steigt. Besonders bedenklich: Sogar Personen mit aufrechtem Waffenverbot können hierzulande ohne Hürden ein Gewehr kaufen.
Am Tag Eins nach dem Amoklauf an einem Grazer Gymnasium herrscht in Österreich Staatstrauer. Um 10 Uhr fand eine landesweite Gedenkminute statt, an Parlament, Hofburg und Bundeskanzleramt hängen die Flaggen als Zeichen für die vielen Opfer und Betroffenen auf Halbmast.
Gleichzeitig stellt sich die Frage nach dem Warum, den Ursachen für die Wahnsinnstat und möglichen Maßnahmen, solchen Taten in Zukunft besser entgegenzuwirken. Das Waffenrecht gerät hier in den Fokus. Nicht ohne Grund: Die gesetzliche Lage ist hierzulande im europäischen Vergleich äußerst liberal und erlaubt teils absurde Freizügigkeiten.
Frei zugängliche Waffen ab 18 Jahren
Österreich ist das Land von Glock, von Steyr und den berühmten Büchsen aus dem Kärntner Ferlach. Die Jagdtradition ist ausgeprägt, die Lobby der Jägerschaft einflussreich. In der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verankerung sind wohl auch die Gründe dafür zu finden, warum es nirgendwo in der Europäischen Union so einfach ist, an bestimmte Schusswaffen zu kommen.
Man muss lediglich das 18. Lebensjahr erreichen, um sich völlig legal und ohne besonderer Eignung eine Waffe der Kategorie C kaufen zu können. Lediglich eine dreitägige Wartefrist ist bei Käufen vorgesehen. Typ C sind Gewehre “mit mindestens einem gezogenen Lauf, die nach jeder Schussabgabe händisch nachgeladen werden müssen.” Sowie “Gewehre mit ausschließlich glatten Läufen, die nach jeder Schussabgabe händisch nachgeladen werden müssen.” Es handelt sich dabei um Büchsen, Flinten oder Karabiner, die beispielsweise für die Jagd angedacht sind, aber unbestrittenerweise erheblichen Personenschaden anrichten können.
Ob die Langwaffe des mutmaßlichen Täters von Graz unter die Kategorie C fällt ist derzeit noch nicht gesichert. Laut einem Ländervergleich bei Wikipedia, der mit entsprechenden Quellen versehen ist, verfügt jedenfalls kein anderes EU-Land über eine derart einfache Möglichkeit, an diese Waffen zu kommen. Ausnahmen wäre in Europa etwa nur die Schweiz, oder Kleinststaaten wie Monaco und Andorra.
Abgesehen davon verfügte der 21-Jährige aber über eine Waffenbesitzkarte, die man mit 21 Jahren nach einem Eignungstest erhalten kann. Damit konnte er sich legal eine Faustfeuerwaffe der Kategorie B besorgen, die ebenfalls bei der Tat verwendet wurde. Mögliche Verschärfungen im Prozedere der Eignung könnten angedacht werden.
Gewehr-Kauf trotz aufrechten Waffenverbots möglich
Eine entscheidende Einschränkung haben sowohl Waffen des Typs B und C: Mit einem Waffenverbot, das die Behörden etwa bei strafrechtlichen Ermittlungen oder anderen Auffälligkeiten erlassen, darf man Schusswaffen nicht erwerben. Ein Händler in einem Waffengeschäft kann ein solches Verbot im zentralen Waffenregister überprüfen.
Gleichzeitig gibt es beim Waffenverbot eine Lücke, die bis heute nicht geschlossen ist: Bei Privatverkäufen von frei verfügbaren Gewehren des Typs C wird die Waffe nicht vom Waffenverkäufer registriert, sondern muss vom Käufer selbst innerhalb von sechs Wochen eingemeldet werden. Das bedeutet, dass Personen mit aufrechtem Waffenverbot privat trotzdem Gewehre kaufen können, sie müssten auf ihren verbotenen Kauf selbst hinweisen.
Die Lücke wurde letztes Jahr im September bei einem Vorfall in München sichtbar: Ein mit einem Waffenverbot belegter 18-jähriger Österreicher kaufte sich in Salzburg privat ein Gewehr und wollte im Nachbarland offenbar ein Attentat begehen. Schon damals wunderten sich deutsche Kollegen über die österreichischen Gesetze: “Ich verstehe nicht so ganz, warum das österreichische Waffenrecht an der Stelle so relativ liberal ist”, sagte etwa ARD-Terrorismus-Experte Holger Schmidt.
Zahl der Waffen in Privatbesitz steigt
Generell gehört Österreich zu jenen Ländern mit einer hohen Waffenbesitzrate. Laut der Befragung Small Arms Survey war die Zahl der Waffenbesitzer 2017 in der Zivilbevölkerung bei etwa 30 pro 100 Einwohner. Nur Zypern, Finnland und Island hatten laut der Studie höhere Raten. Sogar auf globaler Ebene lag Österreich beim Waffenbesitz damals auf Platz 12.
Die offiziellen Zahlen zum Waffenbesitz in Österreich liegen zwar unter diesen Angabe – laut Innenministerium waren 2025 im Zentralen Waffenregister 1.518.873 Millionen Schusswaffen im legalen Besitz von 374.141 Personen erfasst. Gleichzeitig ist eine Zunahme evident: 2018 wurde die Marke von einer Million registrierter Waffen in Privatbesitz überschritten, mittlerweile sind es also eine halbe Million mehr.
Zur gesetzlichen Lage sind nach der Amoktat sogar erste kritische Statements aus der Waffenhändler-Branche zu hören: “Ein bisserl mager”, nannte Verkäufer Markus Schwaiger aus Wien die derzeitigen Regelungen in der ZIB2.
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