Der mörderische Amoklauf von Graz beweist ein weiteres Mal: Österreich braucht ein Waffenverbot.
Wer sich selbst ums Leben bringen will, muss sich die Drogen dazu erst illegal beschaffen. Wer andere mit Schusswaffen töten will, braucht nur ins nächste Waffengeschäft zu gehen.
Dort bekommt er nicht alles. Für Waffen der Kategorie A gilt im Waffengesetz eine klare Regel: Maschinenpistolen und Pumpguns sind verboten. Die Waffennarren und Rechtsextremisten, die sie trotzdem horten, sind kriminell und damit Fälle für die Strafjustiz.
Die mörderische Liste steht unter „Kategorie B“: „Faustfeuerwaffen, Repetierflinten und halbautomatische Schusswaffen“.
Ich habe es selbst einmal probiert, in einem Waffengeschäft in der Nähe der Technischen Universität in Wien. Ein kompetenter Verkäufer hat mir gleich das olivgrüne Sturmgewehr aus Steyr in die Hand gedrückt. Es war schwerer als erwartet, aber „handlich und funktional“, wie er mir freundlich erklärte.
Er kannte mich und wusste, dass ich mir das alles nur ansehen wollte. Als ich das Geschäft verließ, hatte ich den Eindruck, dass man sich hier penibel an die Gesetze hielt. Das Problem war nicht das Geschäft, sondern das Gesetz.
Ganz einfach
Die Besorgung der Waffe ist ganz einfach: Man geht ins Geschäft und hat dann mehrere Möglichkeiten:
- Man kauft ein gewöhnliches Gewehr. Binnen sechs Wochen wird die Registrierung im Waffenregister vorgenommen. Im Fall eines privaten Kaufes kann nicht überprüft werden, ob man ein aufrechtes Waffenverbot hat.
- Man kauft eine Pistole, wie der Grazer Amokläufer – oder, damit man mehr Menschen umbringen kann, kauft man gleich – wie die Bataclan-Killer – eine halbautomatische Waffe: ein Steyr Sturmgewehr „AUG SA Army“ etwa, optional mit dem 42 Schuss-Magazin.
Für beides braucht man eine Waffenbesitzkarte, aber das geht bekanntlich ganz leicht. Der Grazer Mörder hatte sie auch.
Kann es noch schlimmer werden als in Graz? Ja. Wer eine Pistole kaufen darf, kann auch zum Sturmgewehr greifen. Drei 42 Schuss-Magazine, die man schnell in die Waffe steckt – das sind 126 Schüsse mit NATO-Kaliber 5,56 in ganz kurzer Zeit. Das ist dann nicht mehr die Schule in Graz, sondern das österreichische Bataclan.
Verhindern
Im Innenministerium weiß man, dass es Chancen gibt, politisch und religiös motivierte Angriffe mit Schusswaffen zu verhindern. Dafür gibt es eine Voraussetzung: den regelmäßigen Abgleich der Waffenbesitzdateien mit den Gefährderlisten des Verfassungsschutzes.
Als ich kurz nach dem Allerseelenanschlag vom 2. November 2020 in Wien nachfragte, stellte sich heraus, dass man darauf im Innenministerium „vergessen“ hatte. Aber man hatte noch viel mehr übersehen: „Der Wiener Allerseelen-Attentäter war zwar wegen terroristischer Vereinigung verurteilt und in Haft, über ihn wurde aber kein Waffenverbot verhängt.“ Das berichtete ZackZack am 21. Jänner 2021. Innenminister war damals Karl Nehammer.
Heute wissen wir: Der Allerseelenanschlag hätte möglicherweise verhindert werden können. Für Graz gilt das alles nicht. Niemand im steirischen Verfassungsschutz hatte Hinweise auf den späteren Täter. Niemand konnte rechtzeitig überwachen, warnen und einschreiten. Es gibt keine Möglichkeit, die Täter „aus dem Nichts“ rechtzeitig zu erkennen.
Eine politische Entscheidung
In diesen Fällen hilft nur eines: ein flächendeckendes Verbot des privaten Waffenbesitzes. Jede vernünftige Regelung wird hier Ausnahmen für Jägerinnen, Sportschützen und besonders gefährdete Personen beschreiben. Aber es gibt keinen Grund, Schülerinnen und Schüler in Österreich schlechter zu schützen als Kinder in Großbritannien oder Norwegen.
Es ist eine politische Entscheidung: Was ist wichtiger – der Schutz von Waffenbesitzern oder der Schutz von Schulkindern?
Nicht nur die Opfer von Graz und ihre Angehörigen haben das Recht auf eine ehrliche, vernünftige und angemessene Antwort: das überfällige Waffenverbot.
Dunblane und Graz
Vielleicht wird Graz das österreichische Dunblane. Was dort vor Jahren geschah, schildert Mick North, der vom schottischen Dunblane bis ins Parlament in London alles miterlebt hat:
Meine fünfjährige Tochter Sophie war eins der 16 Kinder, die an jenem Tag getötet wurden. Auch ihre Lehrerin wurde erschossen. Sie starben alle innerhalb von drei Minuten durch die Hände eines Waffenfreundes, der die Schüsse aus einer Pistole abgab, die sich legal in seinem Besitz befand. Anschließend nahm er sich selbst das Leben. Seit jenem Tag muss ich mit den Folgen eines Amoklaufes leben.
Wie bei vielen von Ihnen, die geliebte Menschen verloren haben, war einer der ersten Gedanken der Familien in Dunblane, dass wir keinem wünschten, das durchzumachen, was uns widerfahren war.
Innerhalb von ein paar Wochen hatten wir eine Kampagne für das Verbot des privaten Besitzes von Faustfeuerwaffen gestartet. Dieser Kampagne war Erfolg beschieden. 1997 wurden zwei Gesetze verabschiedet, die gewährleisten, dass es mit sehr wenigen Ausnahmen nicht mehr erlaubt ist, Faustfeuerwaffen zu besitzen.
28 Jahre später ist auch bei uns in Österreich die Zeit dafür reif.
p.s.: Ich weiß, dass viele, die über den Anschlag ebenso entsetzt sind wie ich, anderer Meinung sind. Also lasst uns darüber offen diskutieren. Auch hier auf ZackZack.
ZackZack berichtete über den Fall in München, der Defizite im österreichischen Waffenrecht offenbarte.
Über den Wien-Attentäter wurde kein Waffenverbot verhängt, wie ZackZack herausfand.
Titelbild: ERWIN SCHERIAU / APA / picturedesk.com