Samstag, April 27, 2024

Kolm gegen Twitter-Userin: Urteil im Fall »Steueroase«

Kolm gegen Twitter-Userin:

Nationalbankvizepräsidentin Barbara Kolm klagte eine Twitter-Userin wegen eines Tweets über eine Steueroase. Am Donnerstag fiel ein Urteil.

Wien, 20. Mai 2021 | Nationalbankvizepräsidentin Barbara Kolm ist die große Abwesende in dem Prozess, den sie gegen Dokumentarfilmerin Patrice Fuchs angestrengt hat. Die hatte Kolm auf Twitter vorgeworfen, beim Aufbau einer Steueroase in Honduras zu helfen. Stimmt nicht, sagte Kolm und klagte wegen übler Nachrede. In der Sache fiel am Donnerstag ein Schuldspruch gegen Fuchs.

“Venceremos!”

Es ist das vorläufige Ende einer juristischen Auseinandersetzung, die sich über Monate hingezogen hat. Fuchs hatte in erster Instanz bei Richter Stefan Apostol Recht bekommen, doch Kolm berief. Das Wiener Oberlandesgericht verwies den Fall zurück und gab Apostol eine deutliche Rechtsansicht mit: Da Twitter-User politisch tendenziell links stünden, sei der Vorwurf, eine Steueroase zu errichten, in den Augen dieses Publikums ehrenrührig. Das gelte besonders für Kolm als Vizepräsidentin der Nationalbank. Also sahen sich Kolms Anwalt und Patrice Fuchs im Landesgericht wieder – ZackZack berichtete. Besonderes Schmankerl zum Nachweis der angeblichen Linkslastigkeit von Fuchs und ihrem Twitter-Publikum: Fuchs habe zum Prozess hoffnungsvoll geschrieben: “Venceremos!” Ihre Anwältin sah sich genötigt zu erklären, dass es sich dabei nicht um einen linken Schlachtruf, sondern um eine Anspielung auf eine Chatnachricht des ehemaligen Justizministers Brandstetter handelte.

Wie schon beim letzten Verhandlungstermin schlägt Apostol – offenbar ohne große Hoffnung – eine Vergleichslösung vor. Beide Parteien sind nicht interessiert. “Jetzt wollen wir es wissen,” sagt Fuchs’ Anwältin.

Der tote Aufsichtsrat

Fuchs versuchte, den Wahrheitbeweis anzutreten. Die entscheidenden Frage: War Barbara Kolm Funktionsträgerin im Aufsichtsgremium der Charter City “Prospera”? Hinter dem Namen verbirgt sich eine Sonderwirtschaftzone in Honduras, die mit einer Steuerquote von 7,5 Prozent und eigener Gerichtsbarkeit um Bewohner und Firmensitze wirbt. Kolm sagt, sie sei mit Übernahme ihrer Funktion in der Nationalbank ausgetreten. Zum Beweis legt ihr Anwalt ein E-Mail Kolms an einen Funktionär der Sonderwirtschaftszone vor, in dem sie ihren Austritt erklärt. Datum: 01. September 2018 – der Tag, an dem Kolm OeNB-Vizepräsidentin wurde.

Fuchs’ Anwältin hat beim Präsidenten von Honduras nachgefragt. Dessen eigene Transparenzbehörde gibt an, dass im Sonderwirtschaftszonen-Aufsichtsgremium immer noch jene Personen seien, die vom Präsidenten per Dekret bestellt worden waren – also auch Kolm. Deren Anwalt gibt zu bedenken: Per Dekret sei auch eine Person bestellt worden, die bereits seit sieben Jahren tot sei. Dass sie nicht mehr im Gremium tätig ist, sei offensichtlich. Er bleibt dabei: Kolm sei “von allen Funktionen” in der Sonderwirtschaftszone zurückgetreten. Gegenteilige Behauptungen dienten lediglich dazu, Kolm “anzupatzen”. Ob Fuchs’ Anwältin die Echtheit des vorgelegten Mails von Kolm bestreite, will Richter Apostol wissen. Tut sie nicht. Sonst noch Beweisanträge?

“Ich beantrage noch einmal die Einvernahme von Frau Kolm,” sagt Fuchs’ Anwältin. “Beweisthema?” Die Frage des Rücktritts von allen Funktionen. Sei durch Kolms Mail abschließend geklärt, findet deren Anwalt und bekommt von Apostol recht. Kolm muss nicht aussagen.

Schuldig

“Im Namen der Republik” ergeht dann das Urteil: Patrice Fuchs ist der “Üblen Nachrede” schuldig. Der Wahrheitsbeweis zu ihren Behauptungen sei ihr nicht gelungen. Fuchs habe auch – als Medieninhaberin ihres Twitteraccounts – nicht genügend journalistische Sorgfaltspflicht walten lassen, weil sie Kolm vor der Veröffentlichung nicht Gelegenheit zu Stellungnahme gegeben hatte.

Fuchs muss das Urteil auf Twitter veröffentlichen und die wohl vierstelligen Prozesskosten tragen. Letzteres ist schwierig für Fuchs. Die dritte Folge des Urteils, eine Entschädigung an Kolm, setzt Richter Apostol angesichts der “tristen Einkommenssituation” von Fuchs mit 500 Euro sehr niedrig an. Das Urteil solle sie “nicht wirtschaftlich ruinieren.”

Kolms und Fuchs’ Vertreter geben keine Erklärung ab, das Urteil ist also nicht rechtskräftig. Kolms Anwalt erklärt auf ZackZack-Nachfrage, dass es seiner Mandantin “nicht um die Entschädigung geht”. Kolm wehre sich lediglich “konsequent” gegen falsche Unterstellungen, die öffentlich kursierten. Ja, das bedeute, dass auch andere, die sich ähnlich äußerten wie Fuchs, von Kolm geklagt würden.

Hat Patrice Fuchs mit dem Schuldspruch gerechnet? “Ich habe damit gerechnet, dass es passieren kann, aber nicht so schnell.” Fuchs hatte gehofft, die Sache ausführlicher darlegen zu können. Kolm mache sich aus ihrer Sicht immer noch “stark für das Projekt”, man dürfe aber nun nicht mehr darüber schreiben. Fuchs’ Anwältin sieht die Äußerungen ihrer Mandantin als zulässige Kritik von der Pressefreiheit gedeckt. Das Gericht entschied anders. Am Donnsertagabend kündigt Patrice Fuchs ZackZack gegenüber an: “Ich werde auf jeden Fall berufen.”

(tw)

Titelbild: APA Picturedesk

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45 Kommentare

  1. Wie oft ist eigentlich zackzack heuer schon verklagt worden? Das ist ja auch längst nicht mehr ungefährlich bei derzeitiger Lage und damit ist nicht Corona gemeint.

    • Oft. Vor allem richtig viele Klagsdrohungen. Es kommt fast nie etwas heraus, aber es nervt.

    • Hoppla schon wieder der Apostol. Eine eindeutige Absicht ist hier aber leider nicht eindeutig erkennbar, so Apostol:
      ”Der Freispruch vom Vorwurf der Geldwäsche für Alfons Mensdorff-Pouilly sei “kein Persilschein”, sagte Richter Stefan Apostol in der Begründung seines Urteils. “Die Sache stinkt. Sie stinkt sehr, aber sie stinkt nicht genug.” Es habe nicht ausreichend Beweise gegeben, um eine Schuld festzumachen.”

  2. Vielleicht sollte man statt “Steueroase”, den Begriff “Steuerparadies” verwenden.
    Oder man schaut bei den großen internationalen Steuer/Anwaltskanzleien, wie diese ihre Produkte bewerben.
    Weiß jemand, wie dort Luxemburg, Bahamas, etc. dort bezeichnet werden?

    • Bestätigt auf jeden Fall die Vorwürfe (<10% und den Rest zurück bekommen, Ø 7,5 %, oder gleich als ''vertraulich'' noch niedriger aushandeln) und Gerichtsbarkeit, Ombudsmann, Geheimhaltung, etwaige internationale Auslieferungen etc. sind dubious, aber 3560 Seiten sind halt schon sehr viel.

  3. Habe ich es richtig verstanden:
    1.) die jetztige österreichische Nationalbankvizepräsidentin war im Aufsichtsgremium einer “Sonderwirtschaftszone” (!sic) in Honduras
    2.) wenn der Staatspräsident eines anderen Landes wie zb. Honduras, offiziell bestätigt, dass eine Person xy im Aufsichtsgremium einer “Sonderwirtschaftszone” ist oder war, dann gilt dies vor österreichischen Gerichten nicht?
    Wieso? Weil aus österreichischer Sicht Honduras eine Bananenrepublik ist?

    Und alle die auf diesem Twitter sind, sind links?
    Praktisch so wie alle, die nicht mit den Corona Maßnahmen oder dem grünen Pass d’accord gehen und ihre eigene Meinung haben, rechts sind?

    Respekt, soviele Klischees aufeinmal, und noch dazu in einem Rechtsverfahren…

  4. ”Da Twitter-User politisch tendenziell links stünden, sei der Vorwurf, eine Steueroase zu errichten, in den Augen dieses Publikums ehrenrührig.” sagt eh schon alles! Welchem Richter des Oberlandesgerichtshof haben wir denn diese Auffassung zu verdanken?… und auf was für eine wissenschaftliche Erhebung beruht diese ”sogenannte” Tendenz? Ich pfeife auf Bezeichnungen wie links und rechts, aber sollte Twitter nicht sehr ausgewogen sein wenn nicht nach Rechtsdruck alleine in der EU leicht auf die rechtere Seite schwappen? So etwas wie Trump gab es ja überhaupt nicht auf Twitter oder unser Heiland, Atilla Hildmann etc. (die Liste ist ewig). Das soll ein Gericht sein?! Die Strafe von 500 Euro ist ja nett, aber das Signal an die Öffentlichkeit völlig verfehlt: ”Decke auf und du wirst erfolgreich verklagt !!!” Super Beitrag zur Wahrheitsaufklärung. Danke Zack Zack für eine weitere Entlarvung unserer Bananenrepublik mit geschobenen Rechtssystem.

    • Ich sage mal wie es ist, Deutschland ist in vielen Belangen schlechter als Österreich aber hat ein viel besseres Rechtssystem… So etwas wie Arte, auch nicht fehlbar, könnte es in Österreich nie geben! Die würden hier bankrott geklagt…

    • Welchen anderen Zweck sollte die Unterstellung denn sonst verfolgen, als ehrenrührig zu sein?

    • habe ich das richtig verstanden: der letzte Satz im vorletzten Absatz, bestätigt genau das, was oben im Artikel das Gericht nicht als bestätigt angesehen hat; und dies aus einer offiziellen Laudatio für diese Dame aus dem Jahre 2019??
      kotz speib würg

      Edit: just to make it clear, the last sentence in the penultimate paragraph confirms exactly what the court did not see confirmed, according to the zackzack article? and comes from a laudatory speech in 2019

    • Neoliberalismus at its best, sogar in Eigenbefruchtung!

      Auszug: ” Du arbeitest auch an der Gründung einer
      Sonderwirtschaftszone in Honduras mit, was Du bei der Mont Pèlerin Society[*] in Hongkong
      vorgetragen hast.”

      *https://de.wikipedia.org/wiki/Mont_P%C3%A8lerin_Society

      Thx BakerSreetHerald

        • Ok? I know wikipedia is by far not the best primary source, but there at least the Mont Pelerin Society was explicitly declared as neoliberal. The difference between both schools must be the undermining of the state in the younger school, which seems more appropiate on first sight, but I can also be wrong.

          Thx for the source but is there also a protocol maybe published in a symposium publication or a video of her speech?

    • Steht der Autor dieser Laudatio ebenfalls vor Gericht? Weil er ja das gleiche behauptet hat wie die Dame aus dem Artikel….

      Is the author of this laudatory speech also on trial? Because he said the same as the lady in the article…

  5. Ich habe vor allem eines verstanden:

    Dass jemand, der mithilft, Steueroasen aufzubauen, in dieses Amt befördert wird. Von wem eigentlich?

  6. Hatte nie einen Twitter-Account, bin auch kein sogenannter Linker. Was es nicht alles geben soll.
    Jetzt werden schon Plattformen in links und rechts eingeteilt und die politische Richtung zudem juristisch moralisch bewertet.

    Wenn das Wort Steueroase schon als ehrenrührig verstanden wird, sollte man solche abschaffen und als so sensibler Mensch erst gar nicht in der Finanzwelt tätig sein.

    Die Prozessverliererin sollte sich das nächste Mal jemanden holen, der sich besser auskennt.
    Damit am Ende Fakten am Tisch liegen.

    Besser vorher einen Anwalt als nachher.

    • Vielleicht will sie in der Finanzwelt tätig sein und trotzdem keine Lügen über sich verbreitet sehen.

  7. Roatan is not just a ‘Tax Haven’

    Please read our website – it is far far FAR worse than that

    If you want someone that actually understand what it is is to write about what is happening there, and how bad it is for the EU just ask me

    ps.. Has anyone asked Christine Lagarde at the European Central Bank what they think about this case – especially as the OENB is a crucial pillar of responsibility of the ECB – and Honduras receives development funding from the EU

    Also why did no one mention that almost all the Hondurans controlling this Project are involved in HUGE corruption and /or drug and arms crimes

    Austria’s excellent professional reputation is at stake here, as is the financial stability of Austria AND the EU – and this is being ignored by the Austrian Government, the EU and the people of Austria

  8. Have you asked if the date of the alleged resignation email was electronically verified with the email ‘header’?

  9. Diese Story passt gut zur Bananenrepublik Österreich! Erschreckend, zu sehen wer da in Österreich zu den wichtigen Verantwortungsträgern unseres Landes zählt.

  10. Wenn ich schon mal für eine Steueroase in Funktion getreten bin, dann habe ich in der Nationalbank nichts verloren. Ich kann auf einen Schlag 100 Millionen einsparen. Wie? Nationalbank und ÖBIB/ÖBAG streichen und es ins BMF stecken. Sind nur Millionenposten umsonst. Sonst würde Mahrer dort nicht sitzen.

  11. Also wenn der Präsident von Honduras bestätigt das sie noch aktiv ist sehe ich das als Scheinbeschäftigung an…
    Auch ob und wie ein toter noch im Aufsichtsrat ist sollte geprüft werden…

    Kann sein das die noch abkassieren…

  12. die diversen meinungen der frau kolm und ihre seltsamen freunde:
    Sie ist ja der Meinung: Dass Steueroasen wichtig seien, „weil sie für ein Minimum an Steuerwettbewerb sorgen„!
    Und:
    Der Staat mischt sich zuviel ein!
    Auch so eine Meinung von Frau Kolm.
    Aber sie hat wohl kein Problem mit der hohen Gage, die sie nun vom Staat bezieht.
    Wahrscheinlich ist sie deshalb dafür, wieder Studiengebühren einzuführen – die Leute haben ja wesentlich schneller studiert, als sie noch zahlen mussten.
    Sie will die dritte Säule der Pensionsversicherung ausbauen. Also private Versicherungen forcieren.
    Und sie will das Wasser privatisieren. Damit die Privaten es dann weitergeben können.

    https://www.hagerhard.at/blog/2018/09/die-seltsame-personalpolitik-der-fpoe/

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